Hype um den Body CountWie wichtig ist Erfahrung für guten Sex?
Anna Kriller
Datet man jemanden, möchte man diesen Menschen möglichst gut kennenlernen - auch auf intime Weise. Für viele Singles zählt dabei auch, wie viele Sexpartner der oder die andere vorher bereits hatte. Dabei sagt das gar nicht unbedingt etwas über den anderen aus. Was soll also der Hype?
"Übung macht den Meister." Heißt es zumindest oft - sei es im Sport, bei handwerklichen Tätigkeiten oder beim Erlernen eines Musikinstruments. Auch in den sozialen Netzwerken geht es in einem immer mal wieder aufkommenden viralen Trend um Übung - allerdings beim Sex. Bei Tiktok und Co. zu sehen in Form von Videos, in denen Menschen nach ihrem sogenannten Body Count, also ihrer Anzahl von Sexualpartnern, gefragt werden.
Und auch beim Dating scheint der Body Count für viele relevant zu sein, wie eine aktuelle Parship-Umfrage zeigt. Jeder Dritte möchte demnach wissen, wie viele Sexpartnerinnen und Sexpartner eine potenzielle Partnerin oder ein potenzieller Partner bereits hatte. Doch warum ist der sogenannte Body Count für manche überhaupt wichtig? Und ist viel Erfahrung wirklich entscheidend für guten Sex?
Sexualtherapeutin Heike Melzer kann eine vermeintliche Anerkennung für einen hohen Body Count nicht nachvollziehen. Tendenziell sei hierauf nämlich nicht viel zu geben, erklärt sie im Gespräch mit ntv.de. Während Frauen ihren Body Count meist nach unten regulieren, weil sie sonst als "Schlampe" stigmatisiert werden, regulieren Männer diesen aus kompetitiven Gründen eher hinauf, brüsten sich mit vermeintlicher Potenz und Männlichkeit.
Die Antwort, die man also bekomme, wenn man nach der Anzahl der bisherigen Sexualpartner frage, stimme also im Zweifel nicht einmal. Und wenn doch - sei diese nur ein Faktor, der aber keine Aussage habe, sagt Melzer. So gebe es der Expertin zufolge beispielsweise "Menschen, die einen hohen Body Count haben, weil sie zwei linke Hände haben, weil die Frauen immer weggehen". Der Body Count könne zudem auch einfach nur aussagen, wie wahllos jemand vielleicht sei. Für Qualität spreche er hingegen nicht.
Qualität vor Quantität
"Intimität und Qualität steigen, indem man die Intimität auch intim hält", sagt Melzer. Sie empfiehlt darum, gar nicht groß über den Body Count zu reden, dieser sei eine sehr intime Sache, vergleichbar mit einem Tagebucheintrag, über den man in der Regel ja auch nicht spreche. Wichtiger sei es, für sich selbst Rechenschaft abzulegen, immer nach dem Kernsatz: "Wie bleibe ich psychisch und körperlich gesund und was macht meine Lebensfreude und Qualität aus?"
Denn wer häufig Sex mit wechselnden Partnern habe, dürfe auch nicht vergessen, dass immer die Gefahr einer Schwangerschaft und sexuell übertragbarer Krankheiten bestehe. Das müsse nicht mal HIV sein, aber auch HP-Viren können später Krebs auslösen. "Da kann ich auch Russisch Roulette spielen, aber das ist kein Qualitätsmerkmal. Ich finde, Intimität oder auch Sexualität ist eine begrenzte Ressource und da sollte man, wenn man nicht selbstverletzend unterwegs ist, sehr genau hingucken, mit wem man das zulässt."
Dass man sich einen Partner oder eine Partnerin mit etwas sexueller Erfahrung wünsche, ergebe durchaus Sinn, erklärt Melzer. Das variiere aber auch je nach eigenem Lebensabschnitt und Alter. Möchte man beispielsweise eine Familie gründen, sei es sicher sinnvoll, jemanden zu wählen, der oder die schon ein bisschen Erfahrung gesammelt und daraus auch gelernt habe. Jemanden, der die Anfängerfehler nicht mehr mache, aber sich auch nicht mehr die Hörner abstoßen oder noch weitere Erfahrungen mit anderen sammeln wolle.
Sowohl bei Männern als auch bei Frauen sei es darum gut, dass keiner einen großen Vorsprung vor dem anderen habe. Alles zwischen drei bis zehn Sexualpartnern sei laut der Sexualtherapeutin im grünen Bereich. Bei allem, was hingegen sehr extrem sei, würde Melzer aber hinterfragen, ob daran noch etwas Positives abzulesen sei. Denn: "Wenn einer es nötig hat, mit seinem Body Count prahlend voranzugehen, ist das ein Armutszeugnis."
