Beschwerde aus Erdoğan-Büro Yücel-Anwalt droht Haft in der Türkei
06.05.2018, 01:04 Uhr
Veysel Ok im Oktober 2017 in Istanbul.
(Foto: picture alliance / Linda Say/dpa)
Als Anwalt kämpft Veysel Ok in der Türkei für Menschenrechte. Neben vielen prominenten Journalisten verteidigt er auch den "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel. Nun sitzt der Jurist selbst auf der Anklagebank.
Dem Verteidiger des bis vor kurzem in der Türkei inhaftierten "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel drohen einem Medienbericht zufolge zwei Jahre Haft. Veysel Ok ist wegen Beleidigung der Justiz angeklagt, wie die "Welt am Sonntag" berichtete. Der Anwalt hatte am 25. Dezember 2015 in einem Interview mit der mittlerweile eingestellten Zeitung "Özgür Düsünce" unter anderem erklärt, die türkische Justiz sei "durchgängig gleich gefärbt" und spreche "mit einer Stimme".
Das Verfahren gegen Ok sei laut Anklageschrift nach einer Beschwerde aus dem Büro von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan begonnen worden, erfuhr die "WamS" von Oks Verteidigerteam. Der Prozess gegen ihn vor dem Amtsgericht in Istanbul begann am 19. September 2017. Am kommenden Mittwoch stehe nun die vierte Sitzung an, in der auch das Urteil erwartet werde.
Ok verteidigte Yücel seit dessen Festnahme wegen des Vorwurfs der Terrorpropaganda und Volksverhetzung im Frühjahr des vergangenen Jahres. Er ist noch immer Yücels Verteidiger in dessen fortdauernden Verfahren vor dem Strafgericht in Istanbul und vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Yücel wurde im Februar 2018 vorläufig auf freien Fuß gesetzt und hat die Türkei mittlerweile verlassen.
"Erfahrung als Rechtsanwalt mitgeteilt"
In seiner Stellungnahme zur Anklage hatte Ok erklärt: "Ich habe schon sehr viele türkische Journalisten vor Gericht verteidigt. Und fast alle wurden inhaftiert. Ich habe lediglich meine Erfahrung als Rechtsanwalt mitgeteilt. Ich glaube nicht, dass die Untersuchungsgerichte unabhängig sind." Er sei "selbst Teil des Justizsystems. Ich hatte nicht die Absicht, es zu beleidigen. Aber ich bin berechtigt, das Justizsystem zu kritisieren".
Mit Ok ist auch der Reporter Cihan Acar angeklagt, der das Interview geführt hatte. Im Verfahren gegen Ok hatte ein Rechtsvertreter Erdoğans beantragt, im Namen des Präsidenten gehört zu werden. Dem gab das Gericht jedoch nicht statt, weil Erdoğan durch Oks Äußerung "nicht unmittelbar geschädigt" worden sei.
Quelle: ntv.de, lou/AFP