Zugausfälle und Tornado Zwei Menschen sterben bei Unwettern
22.06.2017, 14:13 Uhr
Unwetter ziehen über den Nordosten und erreichen dann Mitteldeutschland. Der Bahnverkehr kommt teils zum Erliegen. In Hamburg wird ein Tornado gesichtet. Zwei Menschen kommen ums Leben. Und der Sturm ist noch nicht überstanden.
Explosive Mischung am Himmel: Ein schweres Unwetter hat mit orkanartigen Sturmböen, Gewittern, Hagel und einem Tornado über dem Norden und Osten Deutschlands gewütet. Mindestens zwei Menschen kamen dabei ums Leben. Im Norden kam der Zugverkehr weitgehend zum Erliegen. Die Bahn stellte Schlafwagen für gestrandete Fahrgäste bereit. Am frühen Abend zogen Sturm und Gewitter weiter Richtung Osten und Süden, vor allem Sachsen-Anhalt und Brandenburg waren betroffen. Vielerorts gab es vollgelaufene Keller, umgeknickte Bäume und beschädigte Dächer.
In Niedersachsen starben zwei Menschen durch das Unwetter. Im Kreis Gifhorn kam eine 83 Jahre alte Frau ums Leben, nachdem sie mit ihrem Auto durch das Geäst eines umgestürzten Baumes gefahren war. Der Baum müsse unmittelbar vor der Frau in Alt Isenbüttel auf die Bundesstraße 244 gekippt sein, teilte die Polizei am Abend mit. Die gesamte Dachpartie des Autos sei eingedrückt worden, der Wagen kam aber erst später zum Stehen. Woran die alte Dame genau gestorben sei, müsse noch geklärt werden, sagte Polizeisprecher Christoph Nowak.
Vorher war ein 50-Jähriger in der Nähe von Uelzen in einem Auto von einem herabstürzenden Baum erschlagen worden. Die ebenfalls in dem Wagen sitzende Ehefrau des Getöteten erlitt leichte Verletzungen. Das Ehepaar hatte das Unwetter abwarten wollen, als heftige Windböen plötzlich mehrere Bäume umknickten. Dabei stürzte eine mehr als 60 Zentimeter dicke Eiche auf das Auto des Paars. Unweit des Unglücksortes wurde zudem eine Radfahrerin ebenfalls von einem umstürzenden Baum getroffen - und schwer verletzt.
In Hamburg beobachtete der Deutsche Wetterdienst einen kleinen Tornado. Laut DWD haben Meteorologen der Luftfahrtberatung den typischen "Luftschlauch" um 11.37 Uhr etwa zehn Kilometer vom Flughafen entfernt gesichtet. Der DWD-Tornado-Beauftragte Andreas Friedrich sagte, es habe sich allerdings um einen schwachen und nur kurzlebigen Tornado von wenigen Minuten gehandelt.
"Der große Knall kommt wohl erst abends"
Entwarnung ist noch nicht in Sicht. Nach wie vor bestehe die Gefahr von großem Hagel, Orkanböen mit extremen Schadenspotential und auch das Tornadorisiko bleibe erhöht, warnte n-tv-Meteorologe Björn Alexander. "Von Holland her erreicht uns jetzt die Kaltfront, die in ihrem Vorfeld die immer noch extrem schwülheiße Luft jetzt nochmal aktiviert und vor allem in der gesamten Nordhälfte und Mitte bis weit in die Nacht hinein für weitere Unwetter sorgen wird." Auch im Raum Berlin soll es nochmal gewittern. Hinter den Unwettern werde es von Westen her später ruhiger und frischer.
Die letzten Gewitterreste sollen im Laufe der Nacht ostwärts abziehen. Morgen wird es laut Alexander meist freundlich, wenn auch kühler: "Einzelne Gewitter sind nachmittags höchstens mal in Richtung Alpen möglich."
Mehrere ICE-Strecken lahmgelegt

Zugreisende brauchten teils sehr viel Geduld. Hier stehen Reisende vor einem Schalter der Deutschen Bahn in Hamburg.
(Foto: picture alliance / Mila Krull/dp)
Bereits seit dem Nachmittag sind mehrere ICE-Strecken gesperrt. Der Zugverkehr ist auf den Fernverkehrsstrecken Hamburg - Hannover und Hamburg - Bremen unterbrochen, wie die Deutsche Bahn auf ihrer Internetseite schreibt. An mehreren Stellen waren Bäume auf die Gleise gestürzt, die Oberleitung wurde beschädigt. Diese Strecken bleiben voraussichtlich bis Freitagmorgen gesperrt, sagt die Bahn. Sperrungen gibt es auch weiterhin im Großraum Magdeburg.
Dagegen läuft der Verkehr wieder zwischen Hamburg bzw. Hannover und Berlin. Auch Wolfsburg und Braunschweig werden wieder angefahren. Für gestrandete Reisende hat die Bahn unter anderem in Hamburg, Hannover, Bremen und Kassel Züge mit Schlafwagen für die Nacht bereit gestellt. Auch der Regionalverkehr steht vielerorts still.
Probleme gab es auch auf Autobahnen: Auf der A7 zwischen Hamburg und Hannover warnte die Verkehrsmanagementzentrale vor Gefahr durch umgestürzte Bäume. Ein umgestürzter Baum bremste auch den Verkehr auf der A1 zwischen Hamburg und Bremen aus. In Magdeburg gab es nach Angaben der städtischen Werke eine Reihe von Stromausfällen. In Berlin blieben an den Airports zeitweise einige Flugzeuge am Boden. Die Berliner Feuerwehr rief den Ausnahmezustand aus. Es seien zahlreiche Notrufe eingegangen, nahe dem Olympiastadion stürzte ein Baum auf U-Bahngleise. In Brandenburg meldete die Polizei umgestürzte Bäume.
Orkanböen in Hessen
Auch Hessen wurde kräftig durchgeschüttelt: In Neu Ulrichstein wurden Örkanböen mit Geschwindigkeiten von 128 Kilometern pro Stunde gemessen, in Philippsthal/Werra waren es Windböen von 115 Stundenkilometern. In Hamburg wehte es mit 106 Stundenkilometern, in Barleben in Sachsen-Anhalt waren es 113 Stundenkilometer. Aber auch in Berlin und Umland wurden Spitzenböen von fast 90 Stundenkilometern gemessen.
Besucher des Musikfestivals "Hurricane" in Scheeßel bei Bremen mussten sich kurzzeitig wegen eines heftigen Platzregens in ihre Autos flüchten. Der Veranstalter bat anreisende Gäste, möglichst erst am Freitag zu kommen. In Hamburg wurde das Konzert von Schlagerstar Andreas Gabalier abgesagt, in Hannover musste der Auftritt der US-Rockband Guns n' Roses unterbrochen werden. Rund 70.000 Fans wurden wegen des schweren Unwetters in die benachbarten Messehallen gebeten.
Im niedersächsischen Fliegenberg kamen mehrere Schafe ums Leben. Die Tiere hatten sich unter einen Baum geflüchtet. Der aber stürzte beim Unwetter um und erschlug sie. "Die Spuren sprechen ein deutliches Bild hier. Das war ein Tornado-Ereignis", sagte ein Feuerwehrmann.
Schwitzen im Süden
Im Süden und Südwesten schwitzten die Menschen bei rekordverdächtiger Hitze und Tropen-Feeling. 38 Grad waren es im nordrhein-westfälischen St. Augustin, in Bonn und in Brauneberg in Rheinland-Pfalz. Fast genauso heiß war es unter anderem in Köln, Koblenz und Düsseldorf mit 36 bis 37 Grad. Aber auch in Teilen von Thüringen, Bayern, Hessen, dem Saarland und Sachsen wurden stellenweise 35 Grad oder etwas mehr erreicht.
Quelle: ntv.de, jwu/hul/AFP/dpa/rts