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Großbritannien droht neue Gewalt 6000 Polizisten sollen Krawalle am "Big Day" verhindern

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Falschinformationen und Hetze heizen die Atmosphäre in Großbritannien noch immer an. Am für heute angekündigten "Big Day" befürchtet die Polizei neue Ausschreitungen. Tausende Polizisten stehen bereit. Im Internet kursiert eine Liste mit möglichen Zielen der meist rechten Krawallmacher.

Die britische Polizei bereitet sich auf massive rechtsextreme Krawalle vor. An 30 Orten, darunter in der Hauptstadt London, werde heute mit einem "Big Day" an Protesten und womöglich Ausschreitungen gerechnet, berichtete der Nachrichtensender Sky News unter Berufung auf Sicherheitskreise.

Berichten zufolge sollen 6000 Polizistinnen und Polizisten einsatzbereit sein. Doch es gibt Zweifel, ob das ausreichen wird. Die Strafverfolgungsbehörden setzten zudem auf Abschreckung: Von den mehr als 400 festgenommenen Randalierern wurden bereits etwa 100 angeklagt. Laut Justizstaatssekretärin Heidi Alexander sollen von nächster Woche an mehr als 560 zusätzliche Plätze in Gefängnissen geschaffen werden. Premierminister Keir Starmer leitete am Dienstagabend erneut eine Sitzung des nationalen Krisenstabs Cobra, um mit Kabinettsmitgliedern und Vertretern der Sicherheitskräfte über die Lage zu beraten.

Zu Reportern sagte er im Anschluss, er rechne noch in dieser Woche mit "substanziellen Verurteilungen" von Randalierern. "Das dürfte eine kraftvolle Botschaft aussenden an alle, die sich direkt oder online beteiligen, dass sie innerhalb einer Woche zur Rechenschaft gezogen werden", sagte der Labour-Politiker.

Der Londoner Metropolitan Police Service teilte mit, er werde alles in seiner Macht Stehende tun, um die Hauptstadt zu schützen. "Wir wissen von den Ereignissen, die von hasserfüllten und spaltenden Gruppen in der Hauptstadt geplant sind", sagte Andy Valentine von der Met am Dienstagabend. "Sie haben ihre Absicht, Störungen und Spaltungen zu verursachen, sehr deutlich gemacht." Ein solches Verhalten werde jedoch nicht toleriert.

Der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan schrieb auf X, dass die Polizei, das Rathaus und Gemeindevertreter daran arbeiteten, die betroffenen Gebäude zu schützen. Wer sich an den Unruhen beteiligt habe, werde die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen. "In London haben wir null Toleranz für Rassismus, Islamophobie, Antisemitismus oder jede Form von Hass."

Anwaltskanzleien und Beratungsstellen im Visier

Rechtsextreme Ausschreitungen in England und Nordirland halten das Land seit Tagen in Atem. Dabei kam es zu Angriffen auf Sicherheitskräfte, Asylbewerber-Unterkünfte und Moscheen. Autos und Gebäude wurden in Brand gesetzt, Backsteine, Zaunlatten und andere Gegenstände wurden als Wurfgeschosse eingesetzt. Dutzende Polizistinnen und Polizisten wurden dabei verletzt. Medienberichten zufolge erwartet die Polizei zudem, dass Anwaltsfirmen und Beratungsstellen, die Asylbewerber bei ihren Anträgen unterstützen, ins Visier rechtsextremer Randalierer geraten könnten. In Internet-Chatgruppen wurde eine Liste mit Adressen als mögliche Ziele verbreitet. In Textnachrichten wurden die Teilnehmer aufgefordert, sich zu vermummen.

In Birmingham wurde ein Pub von Männern attackiert, die sich rechtsextremen Krawallmachern in den Weg stellen wollten. Berichten zufolge soll es sich um Muslime gehandelt haben, die sich teilweise bewaffnet hatten. Auf einem Video, das in sozialen Medien kursierte, war zu sehen, wie ein Mann von einer Gruppe Angreifern mit Palästina-Flagge vor dem Pub niedergeschlagen und getreten wurde. Die Polizei in Birmingham wies Vorwürfe zurück, mit zweierlei Maß zu messen und kündigte an, jegliche Straftaten zu verfolgen. Ein 46-jähriger Mann wurde wegen des Verdachts auf das Führen einer Angriffswaffe festgenommen.

Auslöser waren Falschnachrichten im Internet

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Die rechtsextremen Krawalle begannen nach einer Messerattacke auf einen Tanzkurs in Southport nahe Liverpool am vorvergangenen Montag, bei dem drei Mädchen getötet und weitere Menschen verletzt wurden. Im Internet wurden danach Falschmeldungen verbreitet, wonach der Angreifer ein Asylbewerber mit muslimischem Namen gewesen sein soll. Die Polizei widerspricht dem. Es handelte sich demnach um einen in Großbritannien geborenen 17-Jährigen, dessen Eltern aus Ruanda stammen. Das Motiv für die Tat ist unklar.

Die britische Regierung macht unter anderem Scharfmacher im Internet für die Gewaltexzesse verantwortlich und kündigte an, Social-Media-Unternehmen stärker in die Verantwortung zu nehmen. Multimilliardär Elon Musk mischte sich unterdessen auf seiner Social-Media-Plattform X ein. Er ging dort den britischen Regierungschef persönlich an, den er als "TwoTierKier" (etwa: "Doppelstandard-Kier") verspottete. Starmer ließ sich auf Nachfrage eines Reporters nicht zu einer Reaktion verleiten und betonte stattdessen, sein Fokus liege darauf, die Sicherheit wieder herzustellen.

Polizei in Belfast geht von paramilitärischer Beteiligung aus

Betroffen von den Krawallen waren bislang Städte in allen Teilen Englands, wie London, Liverpool, Leeds, Sunderland, Nottingham, Bristol, Plymouth und vielen kleineren Orten in deren Umgebung. Auch in der nordirischen Hauptstadt Belfast kam es zu heftigen Ausschreitungen. Ein Mann erlitt dort schwere Verletzungen, als er von einer Gruppe attackiert wurde. Die Polizei geht von Hass als Motiv für die Tat aus.

In Nordirland vermutet die Polizei eine Beteiligung paramilitärischer Kräfte. Auch mehr als 25 Jahre nach Ende des nordirischen Bürgerkriegs gibt es dort noch immer bewaffnete Splittergruppen aus den protestantischen und katholischen Lagern. Für die Ausschreitungen dürften protestantische Kräfte verantwortlich sein. Bislang keine Krawalle gab es in den britischen Landesteilen Schottland und Wales.

Quelle: ntv.de, als/dpa/AP

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