Mobs wüten in mehreren Städten Großbritannien erlebt Wochenende der Schande
05.08.2024, 13:18 Uhr Artikel anhören
Auseinandersetzungen außerhalb eines Holiday Inn Hotels in Rotherham.
(Foto: picture alliance/dpa/PA Wire)
Im Vereinigten Königreich erreichen ausländerfeindliche Proteste mit Angriffen auf ein Hotel in Rotherham einen neuen Höhepunkt. Angetrieben werden die Menschen von Falschinformationen und purem Hass. Großbritannien befindet sich mancherorts im Ausnahmezustand, in London kommt ein Krisenstab zusammen.
Eine aufgebrachte Menge rennt am Sonntag auf ein Holiday Inn Hotel in Rotherham zu. Einige Demonstranten schwenken englische Flaggen, andere die des Vereinigten Königreiches. Sie schlagen Scheiben ein und bewerfen überforderte Polizisten mit Gegenständen. Die Meute johlt, grölt. Manche filmen, viele stehen drumherum und gucken zu. Dann schieben die Randalierer einen brennenden Müllcontainer an eines der Fenster des Hotels, in dem Asylbewerber untergebracht sein sollen. Die ganze Szenerie erinnert an Rostock-Lichtenhagen 1992. Verletzt oder gar getötet wird in der Unterkunft bei den Attacken im Zuge einer Anti-Einwanderungsdemonstration glücklicherweise niemand. Dennoch ist es der traurige Höhepunkt einer Woche der rechtsradikalen Gewalt.
Es ist nicht nur Rotherham, von wo solch düstere Bilder zu sehen sind. In vielen Städten sieht es seit dem tödlichen Messerangriff auf drei kleine Mädchen ähnlich aus. In Tatverdacht steht ein 17-Jähriger, der laut Medienberichten in Wales geboren wurde und dessen Eltern aus Ruanda kommen. Das wird vielerorts genutzt, um Stimmung gegen Asylbewerber und Ausländer generell zu machen. Rechtsradikale sehen seit der Attacke anscheinend so etwas wie ein Momentum auf ihrer Seite. Befördert durch Falschinformationen und Spekulationen, die die Emotionen weiter hochkochen lassen.
In einem Statement der Polizei aus der Gegend von Rotherham heißt es: "Diejenigen, die sich entscheiden, Fehlinformationen und Hass online zu verbreiten, müssen ebenfalls Verantwortung für die heutigen Szenen übernehmen. Das war kein Protest, sondern nur wütende Menschen, die auf eine falsche Erzählung reagierten, die von Menschen geteilt wurde, die ihre eigenen Beweggründe dafür haben."
Laut BBC gibt es falsche Behauptungen, der 17-Jährige, der die Mädchen bei einem Taylor-Swift-Tanzkurs getötet haben soll, sei ein muslimischer Flüchtling und 2023 mit einem Boot ins Vereinigte Königreich gereist. Zur wahren Identität haben die Behörden kaum etwas preisgegeben, da Gesetze dies bei Minderjährigen verbieten.
Lager stehen sich in Weymouth gegenüber
Angriffe auf Hotels, Flüchtlingsunterkünfte, Moscheen, geplünderte Geschäfte, Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten. Liest man die Nachrichten zu den Geschehnissen, könnte man meinen, es herrsche Bürgerkrieg in Großbritannien. Doch die Aggressionen gehen in der Regel nur von einigen Hundert Menschen aus. Die Wucht ist dennoch enorm. Denn es gibt viele Städte, aus denen Attacken gemeldet werden. Liverpool, Manchester, Belfast und Middlesbrough sind am vergangenen Wochenende nur einige davon. "Schämt Euch", titelt die britische Zeitung "Metro" am Montag in großen Buchstaben auf der ersten Seite an die Angreifer gerichtet.
In der Summe ist es eine breite, lautstarke, ausländerfeindliche Bewegung. Und hinter den rechtsradikalen Gewalttätern scharen sich viele, die zusehen und das Ganze begrüßen. Hinzu kommt der Applaus von anderen Strömungen in Europa, die teilweise nur darauf warten, Szenen wie im Vereinigten Königreich in der Heimat zu erleben.
Vincente Valentim, Politikwissenschaftler an der Universität Oxford, machte in einem Beitrag auf X die konservative Vorgänger-Regierung mitverantwortlich für die Eskalation: "Die Proteste folgen auf eine Wahl, bei der die Rechtsextremen erhebliche Zugewinne verzeichnen konnten und bei der die etablierte Rechte um die Konservativen selbst kurz davor stand, eine rechtsextreme Partei zu werden." Es gebe eine "deutliche Ähnlichkeit zwischen den Forderungen der Demonstranten und der Rhetorik der Elite in den letzten Monaten."
Lager stehen sich in Weymouth gegenüber
Trotz allem gibt es auch Menschen, die sich trauen, vor die Tür zu gehen und Schilder mit Aufschriften wie "Refugees welcome" hochzuhalten. Im südenglischen Küstenort sollen sich laut BBC Hunderte Demonstranten verschiedener politischer Lager gegenübergestanden haben. Die einen hätten "Weymouth and Portland welcome refugees" skandiert, die anderen Union-Jack-Fahnen geschwenkt und "Tommy Robinson" gerufen, den Namen des rechtsradikalen Ex-Chefs der Gruppierung English Defense League.
Die britischen Behörden wollen hart gegen Gewalttäter vorgehen. Der neue britische Regierungschef Keir Starmer sagte in einem Statement, diese müssten "mit der vollen Härte des Gesetzes rechnen. [... ] Verbrechen ist Verbrechen. Und diese Regierung wird es bekämpfen." In einer Sitzung des nationalen Krisenstabs "Cobra" wird am Montag über das weitere Vorgehen beraten.
Quelle: ntv.de