Politik

Brisante Akten aufgetaucht Adenauer ließ jahrelang die SPD ausspionieren

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Konrad Adenauer mit seinem umstrittenen Staatssekretär Hans Globke. Der Jurist war während der NS-Zeit Kommentator der "Nürnberger Rassegesetze".

(Foto: picture-alliance / dpa)

Vertrauliche Dokumente aus dem SPD-Parteivorstand landeten regelmäßig auf dem Schreibtisch von Konrad Adenauer. Der erste deutsche Kanzler soll sie ausgiebig studiert haben. Sogar Klagen der Genossen, dass ihre Wahlkampf-Blätter unsexy seien, übermittelten Spione an die CDU.

Der erste Kanzler der Bundesrepublik, Konrad Adenauer, hat nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" fast zehn Jahre lang die SPD ausspionieren lassen. Dies sei mithilfe eines Informanten in der Parteispitze geschehen, berichtete die Zeitung. Fast 500 vertrauliche Berichte aus dem SPD-Parteivorstand seien so in das Kanzleramt gelangt. Adenauer, der von 1949 bis 1963 regierte, sei über den Spitzel des Bundesnachrichtendienstes (BND) oft noch am selben Tag über Gespräche und Vorhaben der SPD informiert worden. Dies gehe aus Akten der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung hervor, die der Historiker Klaus-Dietmar Henke ausgewertet habe und die die "Süddeutsche Zeitung" einsehen konnte. Henke ist Sprecher der unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des BND.

Bekannt war bereits, dass Adenauer über seinen Staatssekretär Hans Globke innenpolitische Gegner überwachen und belastendes Material über sie sammeln ließ. Auch Reinhard Gehlen, der Leiter der nach ihm benannten Organisation Gehlen, aus der der BND hervorging, war einer seiner Zuträger. Die nun ausgewerteten Dokumente legen laut "SZ" jedoch eine neue Dimension der illegalen innenpolitischen Geheimdienstarbeit von Adenauers Regierung gegen die politische Konkurrenz offen. Im Mittelpunkt der jahrelangen Spionage gegen die SPD-Führung standen demnach Siegfried Ortloff und Siegfried Ziegler.

Ortloff habe für den SPD-Vorstand gearbeitet und sei dort für die Abwehr kommunistischer Unterwanderung zuständig gewesen. Ziegler war laut Bericht Mitglied der Organisation Gehlen und zugleich SPD-Kreisvorsitzender in Starnberg, er habe den Kontakt zwischen Gehlen und Ortloff hergestellt. Beide hätten die vertraulichen Informationen aus den Spitzenrunden der Genossen an Gehlen geliefert, die ihren Weg zu Adenauer über dessen Staatssekretär Globke fanden.

Fehlt am unumgänglichen "Schuss Sex"

Die zahlreichen Anmerkungen des Kanzlers in den Akten zeigten, wie intensiv dieser sich mit den von Globke aufbereiteten Berichten befasst habe, schreibt die Zeitung. So erfuhr Adenauer beispielsweise, was im SPD-Vorstand besprochen wurde über den damals erwogenen Wechsel zum Mehrheitswahlrecht, wer als SPD-Kandidat bei der Wahl des Bundespräsidenten antreten würde oder dass die Sozialdemokraten 1957 ihre eigene Wahlkampf-Illustrierte kritisierten, unter anderem, weil es dieser "an dem heute unumgänglichen 'Schuss Sex'" fehle, wie es in dem Bericht hieß. Auch die vertrauliche Mitteilung, dass der damalige Parteivorsitzende Erich Ollenhauer bei der Bundestagswahl 1961 nicht erneut als Kanzlerkandidat kandidieren wolle, hatte der Kanzler zeitnah auf seinem Schreibtisch liegen.

Staatssekretär Globke war eine der umstrittensten Figuren in Adenauers Regierung, der Jurist verfasste während der Zeit des Nationalsozialismus den Kommentar zu den "Nürnberger Rassegesetzen". Der frühere Wehrmachtsgeneral Gehlen baute nach dem Krieg den westdeutschen Auslandsgeheimdienst auf, der allerdings auch widerrechtlich im Inland spionierte.

Adenauers Überwachung der SPD fällt in die Zeit eines weitverbreiteten Antikommunismus in der Bundesrepublik, der vom Kanzler ausdauernd befördert wurde. Die Angst vor kommunistischer Infiltration war groß, nicht zufällig hatte die SPD in Ortloff einen eigenen Mitarbeiter zu dessen Abwehr. Die Verdächtigungen machten auch vor der SPD nicht halt, Adenauer warf den Sozialdemokraten schon mal vor, sich durch die DDR finanzieren zu lassen, was er nach der Wahl 1953 zurücknehmen musste.

Quelle: ntv.de, mau

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