"Schuld ist Vergütungssystem"Ärztepräsident beklagt hohe Zahl von Arztbesuchen

Die Deutschen gehen deutlich öfter zum Arzt als andere Europäer. Ärztepräsident Reinhardt sieht die Ursache dafür allerdings nicht bei den Patienten, sondern beim Vergütungssystem. "Wer Fälle bezahlt, bekommt Fälle", kritisiert der Mediziner und verlangt Reformen.
Die hohe Zahl der Arztbesuche in Deutschland liegt nach Ansicht von Ärztepräsident Klaus Reinhardt nicht allein an den Patienten, sondern auch am Vergütungssystem für Praxen und Kliniken. "Die hohe Zahl der Arztkontakte kann nicht allein mit dem Verhalten der Patientinnen und Patienten erklärt werden", sagte Reinhardt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Eine Ursache sei auch das Vergütungssystem für Praxen und Kliniken. "Ich sage mal salopp: Wer Fälle bezahlt, bekommt Fälle. Das ist Ökonomie, ganz einfach."
Der Mediziner betonte: "Darum müssen wir uns Gedanken machen, wie wir die Honorierung so umbauen, dass falsche Anreize und ein Missbrauchspotenzial so weit wie möglich vermieden werden." Mit einer Reform des Vergütungssystems müssten sich auch Experten beschäftigen, die sich mit strategischem Verhalten und Anreizwirkungen befassten. "Das ist ein großes Rad, an dem wir drehen müssen. Aber es ist überfällig."
Strafgebühren für Missbrauch der Notaufnahme
Die Deutschen sind im internationalen Vergleich recht häufig beim Arzt. Wie OECD-Daten zeigen, besuchen Deutsche knapp zehnmal im Jahr einen Arzt, wobei Zahnarztbesuche nicht mitgerechnet sind. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 6,6 Besuchen. Im EU-Vergleich gehört Deutschland zu den Spitzenreitern bei der Frequenz der Arztkontakte.
Der Präsident der Bundesärztekammer plädierte zugleich dafür, nach der geplanten Einführung eines Primärarztsystems und der vorgesehenen Notfallreform Strafgebühren für jene einzuführen, die sich nicht an die Behandlungspfade halten. "Wer sich nicht an die Regeln hält und zum Beispiel bei nicht lebensbedrohlichen Notfällen ohne Konsultation mit der 116117 direkt in die Notaufnahme kommt, missbraucht letztlich das solidarisch finanzierte Gesundheitssystem", sagte Reinhardt. "Er verursacht zusätzliche Kosten und sollte dafür auch finanziell in die Verantwortung genommen werden, etwa durch einen von den Kassen abzurechnenden Eigenanteil." Dieser Eigenanteil solle "spürbar" sein. "Sonst wirkt es nicht", so der Ärztepräsident.