"Sind schon Melkkühe der Nation"Patientenvertreter lehnen Gebühr für Praxisbesuche ab

Um die Milliardenkosten für die medizinische Versorgung zu dämpfen, schlagen Ärzte und Kliniken mehr finanzielle Eigenbeteiligung vor. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen sieht im Vorschlag der Ärztevertreter ein Ablenkungsmanöver.
Patientenvertreter und Krankenkassen weisen Rufe nach neuen oder höheren Gebühren für Praxisbesuche und Klinikaufenthalte scharf zurück. "Patienten und gesetzlich Krankenversicherte sind schon jetzt die Melkkühe der Nation", sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. Zusatzbeiträge, Zuzahlungen, Eigenbeteiligungen und Selbstzahlerleistungen spülten jährlich mehrere zehn Milliarden Euro in die Kassen auch der ambulant-ärztlichen Versorgung.
"Die Kosten steigen, weil allein die Praxen in diesem Jahr ein Einnahmen-Plus von fast zehn Prozent zu verzeichnen haben", sagte Brysch. Doch Qualität spiele dabei keine Rolle. "Weiterhin wird für gute oder schlechte Leistung das gleiche Geld bezahlt." Der Sozialverband Deutschland nannte Forderungen nach einer "Kontaktgebühr" für Arztbesuche unsolidarisch und sozial ungerecht. "Sie würde besonders chronisch kranke Menschen und Menschen mit geringem Einkommen treffen, die auf eine verlässliche medizinische Versorgung angewiesen sind", sagte Vorstandschefin Michaela Engelmeier.
Auch Fachpolitiker der SPD und der Linkspartei sprachen von "unsozialen" Vorschlägen, die das Finanzierungsproblem der Krankenkassen nicht lösen würden. Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sagte der Rheinischen Post, die Patienten dürften "nicht zu Sündenböcken für politische Versäumnisse einer überforderten Gesundheitsministerin gemacht werden".
"Offenkundiges Ablenkungsmanöver"
Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, hatte sich in der "Bild"-Zeitung für eine Kontaktgebühr für Praxisbesuche ausgesprochen, die bei drei oder vier Euro liegen könnte. Die Klinikbranche brachte eine Verdoppelung der Zuzahlungen für Krankenhausaufenthalte ins Gespräch.
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen kritisierte, der stete Ruf aus der Ärzteschaft nach einer Extra-Gebühr nur dafür, dass man überhaupt Kontakt zu einem Arzt oder einer Ärztin habe, sei ein offenkundiges Ablenkungsmanöver. "Statt über Reformen zu sprechen, die dann auch die Ärzteschaft betreffen würden, wird auf die Patientinnen und Patienten verwiesen", sagte Sprecher Florian Lanz. Das Gesundheitssystem gebe pro Tag mehr als eine Milliarde Euro aus. Da brauche es keine zusätzlichen Einnahmen, sondern Reformen, die den extremen Ausgabenanstieg sinnvoll bremsten.
Auch in der Ärzteschaft traf der Vorstoß auf Ablehnung. Laut Hausärzteverband wäre eine Kontaktgebühr unsozial, weil sie besonders chronisch Kranke stark treffen würde. "Zum anderen verleitet sie gerade die sozial Schwachen dazu, dringend notwendige Termine aus Angst vor Kosten aufzuschieben", sagte die Co-Bundesvorsitzende des Verbands, Nicola Buhlinger-Göpfarth, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.