
Chrupalla garnierte seine Rede mit Lügen und Unterstellungen.
(Foto: REUTERS)
Politiker spitzen Sachverhalte zu, bringen sie plakativ auf den Punkt - und das ist auch gut so. Das tun auch die AfD-Spitzen, gehen aber weit darüber hinaus. Sie passen die Fakten an ihr Weltbild an und am Ende bleiben schlicht Lügen übrig.
Nichts gegen gut gemachte Polemik! Politiker dürfen gerne mal ein wenig auf den Putz hauen, denn es ist nun mal ihr Job, durchzudringen zu den Menschen da draußen. Demokratie ist und soll vor allem eine Massenveranstaltung sein. Da braucht es neben den Fachpolitikern und Parteistrategen auch jene, die Menschen erreichen können. Da gehört es dazu, zu überspitzen und zu verkürzen - nur Neuerfindungen und Lügen sollten bitteschön in der Schublade bleiben.
Ausgerechnet in der Partei, die immer gegen die "Lügenpresse" wettert, nehmen sie das nicht so genau. Das zeigte sich an diesem Wochenende auf dem AfD-Parteitag in Magdeburg. Bei Spitzen wie Tino Chrupalla oder Björn Höcke verschwimmen die Grenzen zwischen Meinung und Fakten.
Chrupalla begann seine Rede am Freitag mit Attacken gegen CDU und die Grünen, so weit, so normal. Dann ging es langsam los mit den Behauptungen: "Die Grünen sind die gefährlichste Partei Deutschlands", sagte er. "Sie wollen aus einer Industrienation ein Trümmerfeld machen." Oder: "Die Grünen wollen Krieg mit Russland und China." Und schließlich: "Tatsache ist für mich auch, dass wir nicht mehr günstiges Gas aus Russland importieren, ist eben keine Reaktion auf den Ukraine-Krieg. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat den Krieg zum Anlass genommen, um die Importe zu stoppen."
"Was ist da eigentlich los bei euch?", möchte man der AfD zurufen. Man kann die Industriepolitik der Grünen kritisieren. Aber mitnichten wollen Wirtschaftsminister Robert Habeck und seine Partei "die Industrie zertrümmern". Man könnte jetzt die Debatte um den Industriestrompreis anführen, aber das Wesentliche ist doch, dass die Grünen und im Übrigen auch SPD und FDP die Industrie CO2-frei machen wollen und dafür massiv Fördermittel bereitstellen. Das kann man natürlich nur dann als Riesenproblem ansehen, wenn man glaubt, der Klimawandel sei sowieso nicht veränderbar.
Wer stoppte die Gaslieferungen wirklich?
Durch den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien wird der Strom außerdem günstiger werden - mit neu gebauten Atomkraftwerken, wie die AfD sie fordert, wird das nicht gehen. Denn die sind, wie FDP-Chef Christian Lindner zu Recht argumentiert, so teuer, dass niemand bereit ist, sie zu versichern. Zudem dauert der Bau viele Jahre. Das Problem an diesen Vorwürfen ist nicht nur das Ignorieren der Fakten, sondern auch das Unterstellen bösester Absichten.
Das gipfelte in der Behauptung, die Grünen wollten Krieg mit Russland und China. Man lehnt sich nicht aus dem Fenster, wenn man sagt: Nein, das tun sie nicht. Sie wollen, wie übrigens die meisten anderen Parteien auch, die Ukraine nicht Russland zum Fraß vorwerfen. Genau das möchte aber die AfD, wenn man Chrupalla glauben darf: "Multipolarität bedeutet: Nicht mehr eine einzige Weltmacht beherrscht die Welt mit ihren Werten, sondern mehrere gleichberechtigte Mächte setzen in ihren Regionen ihre Vorstellungen von Recht und Ordnung durch." Was das konkret bedeutet, führt Russlands Präsident Wladimir Putin gerade in der Ukraine vor.
Zur glatten Lüge verstieg sich Chrupalla, als er behauptete, Habeck habe die Gaslieferungen aus Russland gestoppt. Da muss man schon fragen, ob der AfD-Chef das vergangene Jahr verschlafen hat. Tatsächlich wurde Kanzler Olaf Scholz mitsamt Habeck und Lindner dafür kritisiert, dass Deutschland nicht sofort von sich aus auf russisches Gas verzichtet hat. Tatsächlich war es Putin, der die Gaslieferungen an Deutschland schließlich eingestellt hat. Insofern war es fast schon komisch, als der thüringische Landesvorsitzende Björn Höcke im Phoenix-Interview sagte, die Russen hätten immer zuverlässig geliefert, auch im Kalten Krieg.
Chrupalla stellte es sogar so dar, als ob Habeck diesen Krieg gewollt habe, um die Gaslieferungen abzubestellen - weil sonst die Menschen den Gas-Stopp nicht hingenommen hätten. Sicher ist er auch, dass die USA, Norwegen oder die Ukraine die Pipeline Nord Stream 2 gesprengt hätten. Sagt er einfach so. Willkommen in der wunderbaren Verschwörungswelt der AfD.
Am Ende sind immer die Amerikaner schuld
Höcke ging subtiler vor. Seine Behauptungen hatten es aber ebenfalls in sich. So sagte er etwa, die Revolutionen in Osteuropa seien von außen induziert worden - und schloss sich damit Putin an, der beispielsweise verbreitet, die Maidan-Aufstände 2014 in der Ukraine seien vom Westen gesteuert gewesen. Hauptsache, Russland steht als Opfer da. Insofern ist es fast schon folgerichtig zu sagen, dass "der Schlüssel für das Ende des Krieges in Washington" liegt, wie es Höcke tat.
Das ist nicht einmal ganz falsch: Wenn die US-Regierung die Ukraine fallen ließe, hätte Putin plötzlich wieder richtig gute Karten, um "seine Vorstellungen von Recht und Ordnung" in der Ukraine durchzusetzen.
Dass die Amerikaner nun Streubomben lieferten, sei auch ein "Kriegsverbrechen", so Höcke. Das kann man natürlich kritisieren. Aber natürlich lässt Höcke unerwähnt, dass die Russen schon lange Streubomben einsetzen. Und was ist mit Butscha? Den Tausenden verschleppten Kindern? Den Angriffen auf die Zivilbevölkerung - gerade erst wieder auf die Kathedrale von Odessa?
So ist es eben, wenn am Ende immer die Grünen und die Amis die Bösen und die AfD-Wähler die Opfer sein müssen. Passen die Fakten nicht dazu, werden sie eben passend gemacht.
Quelle: ntv.de