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Parallel zu Islamisten-Offensive Aktivisten: Protürkische Miliz erobert syrische Stadt

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Der Bürgerkrieg in Syrien nimmt kein Ende. Ein islamistisches Bündnis übernimmt am Wochenende die Kontrolle über Aleppo.

Der Bürgerkrieg in Syrien nimmt kein Ende. Ein islamistisches Bündnis übernimmt am Wochenende die Kontrolle über Aleppo.

(Foto: dpa)

Die Lage in Syrien spitzt sich weiter zu. Machthaber Assad kündigt an, er werde die Dschihadistengruppen zerschlagen, die größere Gebiete im Nordwesten des Landes einnehmen. Einem Bericht zufolge geht jedoch noch eine andere Gruppierung zum Angriff über - nur wenige Kilometer von der Türkei entfernt.

Während Dschihadisten in Syrien eine Großoffensive gestartet haben, gibt es Berichte über Angriffe durch eine weitere Gruppierung. Nach Angaben von Aktivisten haben protürkische Kämpfer im Norden des Landes kurdischen Verbänden die Kontrolle über eine strategisch wichtige Stadt entrissen. Die von der Türkei unterstützten Milizen hätten am Sonntag die Stadt Tal Rifaat sowie einige umliegende Dörfer unter ihre Kontrolle gebracht, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit.

Tal Rifaat liegt rund 20 Kilometer südlich der Grenze zur Türkei. Rund um die Stadt hat es in der Vergangenheit immer wieder Kämpfe zwischen den protürkischen Milizen und kurdischen Kämpfern gegeben. Laut dem Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman, hatten die protürkischen Milizen am Samstag ihre eigene Offensive gestartet. Eines der Ziele dieser Offensive sei es, Versorgungslinien der kurdischen Kämpfer zu kappen.

Die Aktivisten-Organisation zeigte sich besorgt über die Lage der kurdischen Bevölkerung im Norden Syriens. Rund 200.000 syrische Kurden in der Provinz Aleppo würden von protürkischen Kämpfern "belagert". Die Kommunikationsverbindungen seien abgeschnitten. Die Beobachtungsstelle äußerte die Befürchtung, dass "Massaker" an Kurden verübt werden könnten.

Milizen sollen Assads Soldaten getötet haben

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan betrachtet die im Norden Syriens operierende Kurden-Miliz YPG als einen Zweig der in der Türkei als Terrororganisation eingestuften und verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Die türkische Armee hatte ab 2016 drei Offensiven gegen kurdische Kämpfer in Nordsyrien geführt. Die dabei besetzten Gebiete werden seither von protürkischen Milizen kontrolliert.

Im Zuge ihrer jüngsten Vorstöße hätten die protürkischen Verbände auch Regierungstruppen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad attackiert, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte an diesem Sonntag auch mit. Dabei seien neun Soldaten der Regierungsarmee getötet worden. Die von Ankara unterstützten Milizen eroberten demnach auch die Orte Safireh und Chanasser südöstlich der zweitgrößten syrischen Stadt Aleppo und nahmen den Militärflughafen Kweyris ein.

Großoffensive von Dschihadisten läuft seit Tagen

Bereits seit Mittwoch gibt es im Norden Syriens eine Großoffensive der Dschihadistengruppe HTS, eines Ablegers des Extremistennetzwerkes Al-Kaida, und von mit ihr verbündeten Kämpfern. Dabei gelang ihnen laut der Beobachtungsstelle die Einnahme von Aleppo. Demnach verlor die syrische Regierung also erstmals seit Beginn des Bürgerkriegs im Jahr 2011 vollständig die Kontrolle über die zweitgrößte Stadt des Landes.

Bei der Großoffensive der HTS wurden nach Angaben der Beobachtungsstelle bis Sonntag mehr als 400 Menschen getötet. Die Organisation mit Sitz in Großbritannien bezieht ihre Informationen aus einem Netzwerk verschiedener Quellen in Syrien. Ihre Angaben sind von unabhängiger Seite kaum zu überprüfen.

Der türkische Außenminister Hakan Fidan sprach am Sonntag mit seinem US-Kollegen Anthony Blinken am Telefon über die raschen Gebietsgewinne der Dschihadisten in Nordsyrien. Dabei habe Fidan gesagt, dass sich die Türkei gegen alle Entwicklungen wende, "die die Instabilität in der Region erhöhen", verlautete aus dem Außenministerium in Ankara. Die Türkei unterstütze "Schritte zum Abbau der Spannungen in Syrien", wurde der Chefdiplomat zitiert.

Assad sagt Kampf an, Bericht über Tote

Nach der Einnahme Aleppos durch Rebellen sagte Syriens Machthaber Assad den von Islamisten angeführten Kräften den Kampf an. Die "Zerschlagung des Terrorismus" diene der Stabilität und Sicherheit der gesamten Region, sagte Assad nach Angaben der syrischen Präsidentschaft bei einem Treffen mit dem iranischen Außenminister Abbas Araghtschi in Damaskus.

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Irans Außenminister sagte Syrien derweil weiterhin Unterstützung dabei zu. Er warf Israel und den USA vor, hinter dem Vormarsch der islamistischen Rebellen zu stecken. Der Iran ist neben Russland der wichtigste Verbündete von Assad.

Derweil gab es bei russischen und syrischen Luftangriffen nahe Aleppo syrischen Angaben zufolge Opfer unter oppositionellen Kämpfern. Dutzende seien "getötet und verletzt" worden, meldete die Staatsagentur Sana unter Berufung auf syrische Armeekreise am Abend. Damaskus habe die Angriffe auf den Stadtrand eines Ortes südöstlich von Aleppo zusammen mit Moskau ausgeführt. Die genaue Opferzahl ist unklar. Bereits in der Nacht zuvor und am Sonntagmorgen hatte die russische Luftwaffe Kämpfer im Nordwesten Syriens angegriffen.

Quelle: ntv.de, hul/AFP/dpa

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