
Bewohner der selbsternannten "Volksrepublik Donezk" feiern in der Nacht auf Dienstag die Anerkennung durch Russland.
(Foto: dpa)
Russlands Präsident Putin hat seine Drohungen wahr gemacht und Truppen in die selbst ernannten "Volksrepubliken" in der Ostukraine entsandt. Diese umfassen aber nicht die gesamten Regionen Donezk und Luhansk. Wo verläuft also die Grenze? Die Aussagen sind widersprüchlich.
Wladimir Putin hat am Montagabend nicht nur die beiden selbsternannten "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk anerkannt. Der russische Präsident entsandte auch Soldaten in die abtrünnigen Gebiete in der Ostukraine - als "Friedenstruppen", wie es im entsprechenden Dekret heißt.
Doch welches Gebiet genau ist hier mit den "Volksrepubliken" gemeint? Die Separatisten in Luhansk und Donezk halten nur einen kleinen Teil der eigentlichen Oblaste, wie die Verwaltungsbezirke in der Ukraine heißen. Die sogenannte Kontaktlinie zwischen den Kämpfern der abtrünnigen Gebiete und den Soldaten der ukrainischen Armee verläuft mitten durch die beiden ukrainischen Regionen.
Auch westliche Beobachter rätselten, wie der Kreml die "Volksrepubliken" definiert. Zumal das Abkommen, das Putin kurz nach der Anerkennung der abtrünnigen ukrainischen Gebiete mit diesen unterzeichnete, keine konkreten Angaben dazu macht.
Der Kreml selbst äußerte sich unklar. Die "Volksrepubliken" seien anerkannt "innerhalb der Grenzen, in denen sie ausgerufen wurden", sagte Sprecher Dmitri Peskow laut Agentur Interfax. Später ergänze er, es gehe um Grenzen, "innerhalb derer sie existieren". Näher wollte er sich aber nicht äußern.
Das russische Außenministerium erklärte in der Nacht, dass es zu früh für Diskussionen über Grenzen sei. Bevor über die genauen Grenzen der für unabhängig erklärten ostukrainischen Gebiete diskutiert werde, müssten Freundschaftsverträge mit Luhansk und Donezk unterzeichnet werden, hieß es laut der Nachrichtenagentur RIA. Am Dienstagvormittag teilte das Ministerium laut Agentur Interfax mit, dass Russland die beiden ostukrainischen Gebiete in den Grenzen anerkenne, die die Separatisten gegenwärtig kontrollieren. Russland wolle die Beziehungen zur Ukraine nicht kappen, hieß es weiter.
Kalaschnikow: Komplette Regionen werden anerkannt
Ist das der letztgültige Stand? Die Aussagen sind widersprüchlich. Nach Aussagen des Vorsitzenden des Ausschusses für innere Staatsangelegenheiten im Unterhaus, Leonid Kalaschnikow, plant Russland, die kompletten Regionen Donezk und Luhansk als eigenständig anzuerkennen. Das sagte er am Dienstagmorgen der Nachrichtenagentur RIA. Er denke, dass das Abkommen auf Grundlage der Staatlichkeit getroffen worden ist, die in einem alten und einzigen Referendum angenommen wurde, das in anderen Grenzen stattfand, sagte Kalaschnikow in Anspielung auf die größere Ausdehnung der "Volksrepubliken" zu Beginn des Konflikts. Später ruderte er zurück und sagte, dass eine genaue Festlegung noch nicht erfolgt sei. Der Abgeordnete Andrei Klimov sagte in der Nacht, dass Russland die De-facto-Grenzen der beiden selbsternannten "Volksrepubliken" anerkennen werde, so wie sie derzeit bestünden. Dann wären sie durch die Kontaktlinie begrenzt.
Für die Ukraine macht diese Frage einen Unterschied. Erkennt Russland lediglich die Gebiete an, die derzeit von den Separatisten gehalten werden, bleibt die sogenannte Kontaktlinie zumindest vorerst bestehen. Definiert der Kreml die "Volksrepubliken" jedoch in den Grenzen der Regionen, dann würde es hier wahrscheinlich zu Kämpfen kommen. Das beträfe auch die wirtschaftlich wichtige Stadt Mariupol am Asowschen Meer, die zur Region Donezk gehört, jedoch von der Ukraine kontrolliert wird.
"Wie diese Grenzen wiederhergestellt werden sollen, ist in diesem Abkommen nicht festgelegt", sagte dazu Kalaschnikow. "Was die LNR ("Luhansker Volksrepublik") und die DPR ("Donezker Volksrepublik") tun werden, um dies zu erreichen, liegt nicht in unserer Zuständigkeit." Nach dieser Aussage schiebt Moskau die Verantwortung über die Grenzen auf die Separatisten, die für sich die kompletten Regionen beanspruchen.
Gut möglich, dass Russlands Präsident Putin diese Frage bewusst offengelassen hat. Denn damit würde er seine wahren Absichten weiter verschleiern und die ukrainische Seite im Unklaren lassen. Fest steht, dass Russland seine Präsenz im Osten der Ukraine schnell ausbauen könnte. Laut neuen Verträgen mit den selbsternannten "Volksrepubliken" darf der Kreml eigene Militärstützpunkte in der Ostukraine errichten. Zudem ist ein gemeinsamer Grenzschutz vorgesehen. Vorerst seien keine Militärstützpunkte vorgesehen, teilte dazu das Außenministerium in Moskau mit. Russland könnte aber diese Schritte unternehmen, sollten sie notwendig sein.
Quelle: ntv.de