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Energietalk bei "Anne Will" Göring-Eckardt deutet längere Laufzeit eines AKW an

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Vor der Sommerpause geht es bei "Anne Will" um die drohende Energiekrise.

(Foto: Bild: NDR/Wolfgang Borrs)

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In ihrer letzten Sendung vor der Sommerpause diskutiert Anne Will mit ihren Gästen über die drohende Energiekrise. Grünen-Politikerin Göring-Eckardt schließt dabei einen Streckbetrieb des bayerischen AKWs Isar 2 nicht mehr völlig aus.

Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt hat am Sonntagabend bei Anne Will all jene aufhorchen lassen, die sich für eine längere Laufzeit der noch verbliebenen deutschen Atomkraftwerke einsetzen. Sie deutete an, dass der bayerische Meiler Isar 2 länger am Netz bleiben könnte. Mit Blick auf Bayern sprach sie von einem "Sonderproblem". Es gebe zu wenig Windkraftwerke, im Falle einer Gasnotlage sei die Energieversorgung im Freistaat möglicherweise nicht gesichert. Darum werde das Atomkraftwerk Isar 2 in Niederbayern einem Stresstest unterzogen. Das Sonderproblem könne dazu führen, "dass die Brennstäbe ausgebrannt werden müssen, damit man in Bayern über die Runden kommt". Darüber müsse man reden, wenn es dort zu einer wirklichen Notsituation käme. Göring-Eckardt schwieg, als die "Zeit"-Journalistin Petra Pinzler in der Sendung sagte: "Von den drei Kraftwerken werden (Ende 2022) zwei abgestellt, Isar 2 wird weiterlaufen."

Damit lieferte die Grünen-Politikerin zum Ende der Sendung die Schlagzeile und überraschte auch die anderen Gäste - zum Beispiel Alexander Graf Lambsdorff von der FDP. "Ich sehe es bei den Partnern so, dass eine Offenheit da ist, die Dinge zu kontrollieren", sagt er. Und weiter: "Wenn es nötig sein sollte, entnehme ich den Äußerungen, dass da der Streckbetrieb vermutlich möglich gemacht werden würde, was politisch betrachtet keine leichte Sache ist, aber für die Energieversorgung dieses Landes richtig ist." In Bayern setzen sich mittlerweile alle demokratischen Parteien für einen kurzfristigen Weiterbetrieb des AKW in der Nähe von Landshut ein.

In der letzten Sendung vor der Sommerpause diskutiert die Runde weitere Aspekte der drohenden Energiekrise. Erst am Freitag hatte Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigt, der Bund werde dem angeschlagenen Energiekonzern Uniper unter die Arme greifen. Gleichzeitig hatte er erklärt, niemand werde in dieser Energie- und Preiskrise allein gelassen, die der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ausgelöst hat. "You'll never walk alone", zitierte er die legendäre Fußballhymne des FC Liverpool, die seit fast sechzig Jahren immer wieder aus den Mündern bierseliger Stadionbesucher schallt.

Dieses Zitat habe der Kanzler bewusst gewählt, erklärt FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff im ARD-Talk. Scholz habe damit sagen wollen, nicht nur der Staat, sondern wir alle müssten zusammenstehen, um die Krise zu bewältigen. Die staatliche Unterstützung von Uniper sei bei der FDP nicht populär, aber sie bedeute eine konkrete Stabilisierung des Marktes. Deswegen sei sie zwingend und richtig. Doch Graf Lambsdorff räumt auch ein: "Die weitere Entwicklung auf der Strecke wird durch Energiesparen, die Mobilisierung weiterer Energieressourcen und durch Entlastung nötig sein."

"Da können wir durchaus auch mehr Anreize schaffen"

Scholz habe die Balance zwischen Regierungshandlung, auf den Weg zu bringenden Maßnahmen und der Eigenverantwortlichkeit durch die Bürger im Blick, sagt die energiepolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Nina Scheer. Aktuell müsse es um massives Energiesparen gehen. "Da können wir durchaus auch noch mehr Anreize schaffen."

Der Staat könne unmöglich alles ausgleichen, was auf die Menschen jetzt zukomme, sagt auch Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt. "Ich finde, man muss ehrlich sein und klar sagen: Das machen wir als Mann- oder Frauschaft", erklärt die stellvertretende Bundestagspräsidentin politisch korrekt. "Denen, die es besonders schwer haben, müssen wir dringend helfen. Bei anderen muss man sagen: Du kannst Dir selbst helfen und sogar noch was dazugeben."

Journalistin Petra Pinzler von der "Zeit" ist bei dem Thema noch skeptisch. Sie habe genau diesen Aufruf an das Volk bisher vermisst. Scholz habe nie wirklich zum Ausdruck gebracht, dass er die Probleme nicht allein schultern könne.

"Es ist nichts passiert"

Scholz' Worte hätten keinen Effekt in der Gesellschaft ausgelöst, will CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen erkannt haben. Der Kanzler habe gleichzeitig zu viel und zu wenig versprochen. Man müsse über den Krieg reden, den der russische Präsident Wladimir Putin führe: "Er führt einen Energiekrieg und einen Hungerkrieg." Deutschland habe versäumt, zu einer Zeit aktiv zu werden, als Putin noch schwach gewesen sei, also in den ersten Monaten des Krieges. "Ein sozialstaatlicher Ansatz, diesem Krieg zu begegnen, wird nicht ausreichen. Da verspricht Scholz mehr, als er halten kann."

An anderer Stelle seien die Versprechen des Kanzlers zu dünn gewesen. Es gebe keine Einsparstrategie der Regierung, kritisiert Röttgen. "Wir müssten unseren Strommarkt und unsere Stromproduktion anpassen, und wir müssten aus dem Gas raus. Und es ist nichts passiert." Die Bundesregierung habe ein halbes Jahr vertrödelt.

Das können die drei Ampelkoalitionäre nicht auf sich sitzen lassen. In der 16-jährigen Regierungszeit von Angela Merkel, in der auch Röttgen von 2009 bis Mai 2012 Umweltminister war, habe man bereits versäumt, sich von Putins Gas unabhängig zu machen und man habe zu wenig auf erneuerbare Energien gesetzt. Die jetzige Regierung kläre Einsparmöglichkeiten, sorge für fossile Energien, wolle erneuerbare Energien ausbauen. Röttgen lenkt ein: "Es gab Fehler in der Vergangenheit", um dann hinzuzufügen: "Aber es gibt Fehler in der Gegenwart, und dafür sind sie verantwortlich."

Nun mischt sich auch FDP-Politiker Graf Lambsdorff ein: "Die Behauptung, wir sitzen alle nur herum und tun nichts, die stimmt einfach nicht." So hätten viele Menschen ihren Stromverbrauch schon lange umgestellt. "Die Menschen wissen, was die Stunde geschlagen hat." Es seien Gesetze beschlossen worden, die jetzt in der Umsetzung seien, erklärt auch die SPD-Umweltpolitikerin Scheer.

Graf Lambsdorff lobt Esken

Dann geht es Schlag auf Schlag. Graf Lambsdorff lobt den Vorschlag von SPD-Chefin Saskia Esken, die Pendlerpauschale bereits ab dem ersten Kilometer zu zahlen. Sie gelte schließlich nicht nur für Autofahrer, sondern auch für Menschen, die mit dem Bus zur Arbeit fuhren, sogar für Fußgänger. "Das ist eine Entlastung in der Breite der Gesellschaft." Und weil grade gute Stimmung herrscht, spricht sich der FDP-Politiker noch für Preissenkungen im öffentlichen Nahverkehr aus, wofür allerdings die Länder zuständig seien. Nur ein Tempolimit lehnt er ab: Symbolpolitik.


(Dieser Artikel wurde am Montag, 25. Juli 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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