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"Wladimir Putin ist schuldig" Anwälte werfen Kreml gezieltes Aushungern von Mariupol vor

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Sie haben noch Glück gehabt: Anwohner aus Mariupol, die nach wochenlanger Belagerung im Mai 2022 die weitgehend zerstörte Stadt verlassen können.

Sie haben noch Glück gehabt: Anwohner aus Mariupol, die nach wochenlanger Belagerung im Mai 2022 die weitgehend zerstörte Stadt verlassen können.

(Foto: dpa)

Ihr Tod war offenbar kein Zufall: Bei der Belagerung und Einnahme Mariupols starben Tausende Ukrainer. Laut einem Bericht für den Internationalen Strafgerichtshof zeigte Russland keine Gnade und ließ bewusst die Zivilbevölkerung aushungern - was einem Kriegsverbrechen gleichkommt.

Russland soll während der 85-tägigen Belagerung von Mariupol Anfang 2022 die ukrainische Stadt offenbar gezielt ausgehungert haben. Dies geht aus einer Analyse hervor, die dem Internationalen Strafgerichtshof vorgelegt wurde und über die der britische "Guardian" schreibt. Dies komme einem Kriegsverbrechen gleich, heißt es weiter.

Die Analyse steht dem Bericht zufolge im Mittelpunkt eines Dossiers, das die Anwaltskanzlei Global Rights Compliance in Zusammenarbeit mit der ukrainischen Regierung derzeit beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag einreicht. Darin heißt es, dass Russland und seine Führer beabsichtigten, eine große Zahl von Zivilisten zu schädigen und zu töten. Bei der Einkesselung und Einnahme der Stadt Mariupol zu Beginn des russischen Großangriffs 2022 wurden Tausende Menschen getötet. Die Zivilbevölkerung war während der Belagerung, in der die Temperaturen unter minus 10 Grad fielen, tagelang ohne Wasser, Gas und Strom.

Laut Catriona Murdoch, Partnerin bei Global Rights Compliance, war es das Ziel der Untersuchung, "herauszufinden, ob es ein breiteres Narrativ gibt", das auf eine absichtliche Verweigerung von Lebensmitteln und anderen lebensnotwendigen Gütern durch das russische Militär und seine Führung hinausläuft. Eine solche Strategie des Aushungerns kommt einem Kriegsverbrechen gleich.

Russischer Angriff in vier Phasen

"Wir konnten feststellen, dass der russische Angriff in vier Phasen ablief, beginnend mit Angriffen auf die zivile Infrastruktur und der Unterbrechung der Strom-, Heizungs- und Wasserversorgung. Dann wurden humanitäre Evakuierungen verweigert und sogar angegriffen, während Hilfsgüter am Durchkommen gehindert wurden", so Murdoch.

"In der dritten Phase wurde die verbleibende kritische Infrastruktur ins Visier genommen, die Zivilbevölkerung wurde terrorisiert, indem Hilfsgüter und Wasserstellen bombardiert wurden. In der vierten Phase schließlich führte Russland strategische Angriffe durch, um die verbliebene Infrastruktur zu zerstören oder zu erobern", sagte sie.

Der schrittweise Angriff auf Mariupol zeige, dass Russland eine Einnahme der Stadt geplant habe, ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung. Das Dossier kommt zu dem Schluss, dass schätzungsweise 90 Prozent der Gesundheitseinrichtungen und Häuser in der Stadt während der Belagerung zerstört oder beschädigt und Lebensmittelverteilungsstellen sowie humanitäre Evakuierungsrouten bombardiert wurden.

Verantwortlicher sitzt im Kreml

Angesichts der Zentralisierung Russlands kommen die Ermittler zu dem Schluss, dass die Spitze des russischen Staates für das massenhafte Sterben verantwortlich ist: "Wladimir Putin ist schuldig", sagte Murdoch, "und auch die höheren Ränge der russischen Militärführung", obwohl sie keine Namen von Kommandeuren nannte.

Wie der "Guardian" weiter schreibt, akzeptiert der Internationale Strafgerichtshof die Eingaben Dritter, wird aber nicht unbedingt tätig. Das Aushungern und die Verweigerung von Gütern, die für das zivile Leben notwendig sind, gelten als Kriegsverbrechen. Bislang wurde aber noch kein mutmaßlicher Täter strafrechtlich verfolgt.

Quelle: ntv.de, ghö

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