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Lanz-Talk zum Wagner-Chef "Auch in der Hölle wird er der Beste sein"

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Der ehemalige deutsche Botschafter in Moskau, Rüdiger von Fritsch, spekuliert über die Hintergründe des Flugzeugabsturzes.

Der ehemalige deutsche Botschafter in Moskau, Rüdiger von Fritsch, spekuliert über die Hintergründe des Flugzeugabsturzes.

(Foto: picture alliance / Eibner-Pressefoto)

Der Chef der Wagner-Armee Jewgeni Prigoschin soll bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen sein. Am Abend ändert Markus Lanz kurzfristig das Thema seiner ZDF-Talkshow und spricht darüber mit dem ehemaligen deutschen Botschafter in Russland, Rüdiger von Fritsch.

Die Eilmeldung ist eine Überraschung. Der Chef der berüchtigten russischen Wagner-Armee, Jewgeni Prigoschin, soll bei einem Flugzeugabsturz getötet worden sein. Spärlich sind die Informationen zunächst, ntv und ntv.de berichten ausführlich. Zu Anfang bestehen Zweifel an den Meldungen. Immerhin ist die Quelle, die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS, nicht immer ein Garant der Wahrheit. Inzwischen sind auf der Social-Media-Plattform Telegram erste Bilder aufgetaucht, die zeigen, dass Prigoschin das fragliche Flugzeug betreten hat - Quelle und Wahrheitsgehalt unklar. Doch auch Angehörige der Wagner-Truppe gehen von Prigoschins mutmaßlichem Tod aus, sprechen von dem Verräter Putin und nennen Prigoschin einen Helden. Auf Telegram schreibt ein Anhänger: "Selbst in der Hölle wird ER der Beste sein."

Auch Markus Lanz reagiert am Mittwochabend beeindruckend schnell und wirft sein ursprüngliches Sendungskonzept um. Er lädt vier neue Gäste zu einer sehr späten Talkshow ein. Einer von ihnen: der ehemalige deutsche Botschafter in Moskau, Rüdiger von Fritsch. Der versucht, trotz der wenigen gesicherten Informationen, die Lage in Russland so gut wie möglich einzuordnen.

"Bereich der Spekulation"

"Wir bewegen uns im Bereich der Spekulation", sagt der Diplomat. Allerdings stellt er klar: Nachdem Prigoschin mit mehreren hundert Soldaten vor zwei Monaten seinen "Marsch auf Moskau" unternommen hatte, war sein Leben in Gefahr. Von Fritsch: "Man sagte ja schon damals, er solle in keinem Haus mehr auf den Balkon im dritten Stock gehen." Trotzdem ist sich auch von Fritsch zum Zeitpunkt der Markus-Lanz-Show nicht sicher. "Was ungewöhnlich erscheint ist, dass sich diese Sache in Russland ereignet hat."

Den Wahrheitsgehalt der russischen Meldungen scheint er zu diesem Zeitpunkt für fragwürdig zu halten. Von Fritsch erläutert: "Wir müssen sehen, dass die russische Führung immer alles erklären wollen wird, also dass es Gründe für das geben muss, was passiert ist. Wenn sie also tatsächlich innerhalb des Staatsgebiets eine russische Maschine möglicherweise sogar mit Luftabwehr vom Himmel holt, dann muss die ja einen terroristischen Akt vorgehabt haben oder ähnliches mehr. Und man will auch alles erklären – Russland ist ja ein "'Rechtsstaat', wie wir wissen." Ein Ermittlungskomitee soll nun herausfinden, wie die Maschine abgestützt ist. Von Fritsch glaubt, dass das "Ergebnis" am Ende ein technischer Defekt sein wird.

Unklar sei auch, ob der Gründer der Wagner-Truppe, Dmitri Utkin, zu den Toten gehöre. Bei Utkin handelt es sich um einen Neonazi und bekennenden Hitler-Verehrer, dessen Lieblingskomponist Richard Wagner der Namensgeber der Armee ist. Utkin war militärischer Führer der Truppe. "Sein Tod wäre ein schwerer Schlag für die Wagner-Truppen", sagt von Fritsch. Zudem weist er darauf hin: "Sollte der Kreml zu dem Schluss gekommen sein, dass man die Soldateska-Führung ausräumen muss, dann muss vorher noch etwas anderes geschehen sein: Dass man sichergestellt hat, dass die unverändert sehr hilfreichen Dienste, die die Truppen und Prigoschin für die russische Führung geleistet haben, sicher in andere Länder gegangen sind."

Russlands Führung müsse nun Angst haben vor dem "Kompromat", mit dem sie selber auch arbeitet: "Gegen jeden hat der hohe Herr im Kreml etwas in der Schublade, womit er ihn unter Druck setzen kann. Und mit der gleichen Methode wird natürlich auch Jewgeni Prigoschin operiert haben, der ja ein verurteilter Krimineller war, das darf man auch nicht vergessen." Das Kompromat ist ein Mittel, das vor allem bei Nachrichtendiensten wie dem KGB oder der Stasi eingesetzt wurde, wenn auch selten. Die Dienste sammelten Informationen über Menschen, um sie notfalls damit zu "kompromittieren" und ihnen so zu schaden.

Rache der Wagner-Soldaten

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Dass die übrigen Soldaten der Wagner-Truppe den mutmaßlichen Tod ihres "Helden" rächen wollen, hält von Fritsch für unwahrscheinlich. "Die Verbände sind nach Weißrussland gebracht oder – falls sie das wollten – ins russische Militär integriert worden", gibt er zu bedenken.

Nachdem vor kurzem ein bekannter Vertreter der rechtsextremistischen Putin-Opposition verhaftet wurde, glaubt von Fritsch, dass der russische Präsident fest im Sattel sitzt. Auch das Volk werde momentan nichts gegen Putin unternehmen, ist er sich sicher. Er erklärt, "dass die vermeintliche Unterstützung Putins letztendlich nur eine mangelnde Bereitschaft zum Widerspruch ist." Das könnte sich ändern, wenn es zu Versorgungsengpässen in Russland käme. "Putin fürchtet nicht Nawalny, den hat er hinter Gittern. Er fürchtet den Menschen im Volk, den noch niemand kennt, so wie 1979 Lech Walesa in Polen, der innerhalb eines Jahres die größte Gewerkschaft der Welt auf die Beine gestellt hat."

Quelle: ntv.de

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