Bald Vorratsdatenspeicherung? BKA-Chef will Zugriff auf Daten
08.08.2018, 16:51 Uhr
Die Bundesnetzagentur hatte die Vorratsdatenspeicherung 2017 ausgesetzt.
(Foto: picture alliance / dpa)
Nach Ansicht von BKA-Präsident Münch sind die Ermittlungen in Kinderpornografie und -missbrauch ohne die Vorratsdatenspeicherung schwierig. In Deutschland wird sie zurzeit nicht umgesetzt. Doch noch dieses Jahr will das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden.
Der Staufener Missbrauchsfall hat die Debatte neu entfacht, ob Ermittler im Kampf gegen Kindesmissbrauch die Möglichkeit der Vorratsdatenspeicherung brauchen. Der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, sagte in der "Berliner Zeitung", die Speicherung sei bei der Bekämpfung von Kinderpornografie und von sexuellem Missbrauch dringend geboten. Er kritisierte, dass den Ermittlern oft die Hände gebunden seien.
In den nächsten Monaten wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung erwartet. Es werde beabsichtigt, in diesem Jahr über entsprechende Verfassungsbeschwerden zu entscheiden, sagte ein Gerichtssprecher in Karlsruhe. Es liegen demnach sechs Beschwerden vor.
Beim BKA gingen täglich Hinweise auf sexuellen Missbrauch von Kindern ein, sagte Münch. In vielen Fällen sei der einzige Hinweis auf den Täter eine IP-Adresse des Computers. Doch seien den Ermittlern wegen der nicht umgesetzten Vorratsdatenspeicherung oft die Hände gebunden. "Allein im Jahr 2017 konnten über 8000 Hinweise auf Kinderpornografie nicht weiter ermittelt werden", sagte Münch.
Rechtslage unklar
Der Staufener Missbrauchsfall hatte in den vergangenen Wochen bundesweit für Entsetzen gesorgt. In dem Fall war ein Junge aus dem badischen Staufen im Darknet, dem anonymen Teil des Internets, zum sexuellen Missbrauch verkauft worden. Seine Mutter wurde am Dienstag vom Landgericht Freiburg zu zwölfeinhalb Jahren Haft verurteilt, ihr Lebensgefährte zu zwölf Jahren Haft und anschließender Sicherungsverwahrung. Zuvor waren in Freiburg bereits vier Männer wegen Missbrauchs zu bis zu zehn Jahren Haft verurteilt worden.
Über die Vorratsdatenspeicherung wird immer wieder auch im Zusammenhang mit dem Kampf gegen Kindesmissbrauch diskutiert. Die Rechtslage in Deutschland ist derzeit unklar. Nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster, das die Regelung für unvereinbar mit europäischen Vorgaben erklärte, setzte die Bundesnetzagentur die Regelungen 2017 aus. Anbieter müssen aktuell keine Verkehrs- und Standortdaten von Kunden speichern.
Verständnis und Kritik
Das strittige Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung war Ende 2015 in Kraft getreten. Es sieht vor, dass Unternehmen Telefon- und Internetverbindungsdaten ihrer Kunden zehn Wochen lang speichern. Gespeichert werden soll unter anderem die IP-Adresse von Computern. Im Dezember 2016 wertete der Europäische Gerichtshof (EuGH) die anlasslose Vorratsdatenspeicherung jedenfalls in Großbritannien und Schweden als Verstoß gegen den in der EU-Grundrechtecharta garantierten Schutz des Privatlebens.
Der erneute Vorstoß von BKA-Chef Münch stieß auf ein geteiltes Echo. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer, sagte der "Mitteldeutschen Zeitung", er habe "sehr viel Verständnis für diesen sehr eindringlichen Appell". Gerade zur Aufklärung "so verachtenswerter Straftaten wie Kindesmissbrauch und Kinderpornografie" sei die IP-Adresse oft der einzige Ermittlungsansatz, sagte der CSU-Politiker.
Der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle, kritisierte die Forderung dagegen. "Eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung ist mit dem Grundgesetz und mit europäischem Recht unvereinbar", sagte Kuhle der "Frankfurter Rundschau". Wenn Union und SPD das einsehen würden, "könnten wir längst eine wirksame Regelung zur anlassbezogenen Speicherung haben", zeigte sich der FDP-Politiker überzeugt.
Quelle: ntv.de, cam/AFP