"Das ist inakzeptabel" Bauernchef befürchtet "Sterben auf Raten"
08.01.2024, 09:59 Uhr Artikel anhören
Trotz eines Kompromisses der Bundesregierung laufen die Bauern Sturm. "Die nehmen der Landwirtschaft die Zukunftsfähigkeit", sagt der Chef des Bauernverbandes Rukwied. Die Preise seien zuletzt massiv gefallen, dazu kämen die höheren Energiepreise.
Bauernpräsident Joachim Rukwied hat die nur teilweise Rücknahme der Subventionskürzungen für die Landwirte abgelehnt und den völligen Verzicht darauf verlangt. "Das heißt ja am Ende Sterben auf Raten", sagte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes bei der Klausurtagung der CSU-Bundestagsabgeordneten im Kloster Seeon zu den Zugeständnissen der Bundesregierung. "Das ist inakzeptabel. Das muss zurückgenommen werden." Den Bauern werde dadurch die Zukunftsfähigkeit genommen, die Ernährungssicherheit werde gefährdet, sagte Rukwied.
Rukwied warf der Bundesregierung zudem vor, mit den Kürzungen ein "Abwicklungsszenario" auf den Weg zu bringen, welches ebenfalls absolut inakzeptabel sei. Die Kürzungen seien "ein Turbo für den Strukturwandel", sagte er. Das werde dazu führen, dass weitere Betriebe aufhören müssten. Der Bauernpräsident betonte, dass die Landwirte "diszipliniert demonstrieren". Der Protest verlaufe friedlich, das zeigten die Rückmeldungen, die er erhalte.
Zuvor hatte Rukwied bereits im RBB beklagt, dass die Einkünfte der Bauern sich massiv reduzieren würden. Das vergangene Jahr sei das erste seit Jahrzehnten gewesen, in dem die Unternehmensergebnisse etwa durch gestiegene Preise für Milch, Getreide und Fleisch "gepasst" hätten, sagte Rukwied im RBB. "Die Milchpreise sind mittlerweile eingebrochen. Wir hatten in der Spitze 60 Cent, jetzt sind wir wieder bei rund 40 Cent. Die Schweinepreise sind rückläufig. Insbesondere bei Getreide, bei Raps sind die Preise eingebrochen", sagte der Präsident des Bauernverbands.
In Kombination mit höheren Energiepreisen und den jetzt vorgeschlagenen Subventionskürzungen führe das zu einem Einbruch der Einkünfte bei den Landwirten um mindestens ein Drittel. "Und das ist nicht hinnehmbar", sagte Rukwied weiter im RBB. Eine Abschaffung der Schuldenbremse lehnt er ab. Es gebe beim Bund kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Man müsse sich daher die Ausgaben genauer anschauen - Sparpotenzial sehe er beispielsweise beim Erweiterungsbau des Bundeskanzleramtes und beim Luftverkehr.
Bundesweit gibt es derzeit zahlreiche Bauernproteste. Vielerorts wurden am Morgen Autobahnauffahrten oder wichtige Straßen mit Traktoren blockiert. Entzündet hatte sich die Wut der Landwirte an geplanten Kürzungen der Subventionen im Zuge der Haushaltskrise. Die Bundesregierung hat die Pläne zwar mittlerweile wieder weitgehend einkassiert, der Deutsche Bauernverband hielt aber an den angekündigten Aktionen fest.
Weil appelliert an Ampel, Esken an die Bauern
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt stellt sich mit seiner Partei hinter die Bauern. Der Protest sei legitim und berechtigt. Auch sei er die Folge der Politik der Ampelkoalition. Sie habe das gesellschaftliche Klima an einen Kipppunkt gebracht. Die Bauern "sollen die Zeche für das Ampelchaos bezahlen. Sie sollen es zu einem erheblichen Teil ausbaden", sagte Dobrindt im Frühstart von ntv. Die Belastungen der Landwirte führten zu einer "vollkommenen finanziellen Überforderung", das sei "offensichtlich". Dass die Bauern dagegen auf die Straße gingen, sei vollkommen in Ordnung, solange es sich im rechtsstaatlichen Rahmen verhalte. "Die Bauern haben unsere Unterstützung für diesen Protest", so Dobrindt.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil forderte ebenfalls die Ampel-Regierung in Berlin auf, ihre geplanten Subventionskürzungen für die Landwirtschaft zurückzunehmen. Die Bundesregierung solle reinen Tisch machen und den Konflikt beenden, sagte der SPD-Regierungschef im ZDF. "Ich glaube, dass die beiden Vorschläge eine Branche doch stärker treffen als andere", sagte Weil.
Auch die SPD-Regierungschefin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, von Bundeskanzler Olaf Scholz die komplette Rücknahme der Kürzungspläne für die Landwirte in Deutschland. "Die Bauern sind stinksauer und das zu Recht", sagte Schwesig der "Süddeutschen Zeitung". "Man kann nicht über Nacht zwei Finanzierungsgrundlagen streichen, ohne vorher miteinander zu reden. Deshalb müssen die Maßnahmen zurückgenommen werden." Ihre saarländische Amtskollegin Anke Rehlinger forderte ebenfalls von der Bundesregierung, auf die geplanten Subventionskürzungen beim Agrardiesel zu verzichten. "Es ist gut, dass die Ampel das in Teilen zurückgenommen hat. Es muss ganz vom Tisch oder Alternativen her, wie die zusätzlichen Belastungen nicht zur finanziellen Überforderung führen", sagte die SPS-Politikerin der "Rheinischen Post".
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken appellierte dagegen an die Bauern, die politischen Kompromisse zu akzeptieren. "Ich will dafür werben, dass man auch nachvollzieht, dass jetzt eben hier ein Kompromiss gefunden worden ist", sagte Esken am Montag im Bayerischen Rundfunk. "Der Kompromiss ist der Kern der Politik, ist auch die Königsdisziplin der Politik." Es sei nötig, "dass man am Ende dann auch Kompromisse akzeptieren muss".
Quelle: ntv.de, ghö/dpa/AFP