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Geywitz gegen EU- und Ampel-Plan Bauministerin will geplante Klimastandards kippen

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Ämter und Turnhallen zuerst: Geywitz will zunächst öffentliche Gebäude sanieren und dort CO2 einsparen, bevor Eigentümern von Wohngebäuden neue Vorschriften gemacht werden.

Ämter und Turnhallen zuerst: Geywitz will zunächst öffentliche Gebäude sanieren und dort CO2 einsparen, bevor Eigentümern von Wohngebäuden neue Vorschriften gemacht werden.

(Foto: picture alliance / Uwe Zucchi)

Aufgrund hoher Zinsen und gestiegener Baukosten ist der Wohnungsbau eingebrochen. Durch geplante Verschärfungen der Energieeffizienz-Standards steht bald ein neuer Kostenschock bevor. Bauministerin Geywitz will die Pläne der eigenen Koalition daher durch eine "flexible" Lösung ersetzen.

Bauministerin Klara Geywitz fordert eine Abkehr von geplanten Energiesparvorschriften für neue Wohnhäuser und für unsanierte ältere Gebäude. Statt bei Privathäusern solle zuerst mit der Sanierung öffentlicher Gebäude Kohlendioxid für den Klimaschutz eingespart werden, sagte die SPD-Politikerin vor dem für Montag angesetzten Treffen von Bundesregierung und Wohnungswirtschaft im Kanzleramt. "Ich bin dagegen, mit verpflichtenden Mindest-Effizienzstandards bei Gebäuden Eigentümern von unsanierten Häusern Angst zu machen, dass sie Zehntausende von Euro investieren müssen", sagte Geywitz auch mit Blick auf EU-Pläne. In Brüssel wird eine Gebäudeeffizienzrichtlinie beraten, die vor allem für Häuser mit den schlechtesten Energiewerten Verbesserungen fordern würde.

"Wir sollten erstmal bei den öffentlichen Gebäuden mit gutem Beispiel vorangehen, bei den Schulen unserer Kinder, bei Sporthallen, bei den Rathäusern, den Feuerwachen und Pflegeeinrichtungen", sagte Geywitz. "Damit haben wir schon ziemlich viel CO2 gespart. Und wenn wir später feststellen, dass es noch zu viele unsanierte Einfamilienhäuser gibt, haben wir dann sicherlich auch eine Antwort darauf." Mit Blick auf Neubauten ging Geywitz klar auf Distanz zu dem Energiesparstandard EH40, den die Ampel im Koalitionsvertrag für 2025 vereinbart hat. "Die jetzigen Kategorien, der Effizienzstandard EH40 zum Beispiel, konzentrieren sich zu sehr auf die Dämmung und die benötigte Heizwärme", sagte Geywitz. "Wir sollten ein einfaches System entwickeln, das energieeffizientes Bauen, die Nutzung umweltgerechter und recycelter Baumaterialien und flächensparendes Bauen fördert. Das wäre eine Alternative zu EH40."

Die Festlegung im Koalitionsvertrag stamme aus einer Zeit mit niedrigeren Finanzierungs- und Baukosten, argumentierte Geywitz. "Wir müssen dringend die Baukosten senken. Der Baukostenunterschied zwischen dem jetzt gültigen Standard EH55 und EH40 kann mehrere Hundert Euro pro Quadratmeter betragen." Nötig sei ein flexibles System. "Das gilt für ältere Gebäude, aber auch für den Neubau", sagte Geywitz. "Holz und andere natürliche Baustoffe speichern Kohlendioxid für lange Zeit. Da brauchen wir die technische Freiheit zu sagen: Wenn du beim Bau des Hauses viel CO2 speicherst oder sparst, indem du Recycling-Material verwendest, dann kannst du später in der Betriebsphase im Hinblick auf den Energieverbrauch flexibler sein."

Hilferufe aus der Baubranche

Der "Wohnungsbaugipfel" im Kanzleramt soll am Montag beraten, wie schnell und preiswert mehr Wohnungen gebaut werden können. Die Zahlen gehen momentan wegen hoher Zinsen und Baukosten zurück. Im laufenden Jahr wird nur noch mit der Fertigstellung von etwa 250.000 statt der von der Bundesregierung angepeilten 400.000 Wohnungen gerechnet.

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Vertreter der Bau- und Immobilienbranche sowie die Gewerkschaft IG BAU richteten vor dem "Wohnungsbaugipfel" eindringliche Hilfsappelle an die Regierung. "Was wir jetzt brauchen, ist ein echter Schub, damit der Wohnungsbau nicht kollabiert", sagte IG-BAU-Gewerkschaftschef Robert Feiger der "Augsburger Allgemeinen" Zeitung. "Wir brauchen beispielsweise ein Sondervermögen in Höhe von 50 Milliarden Euro, um genügend Sozialwohnungen bis zum Jahr 2025 zu bauen", forderte der Gewerkschafter. Weitere 22 Milliarden Euro seien noch in dieser Legislaturperiode notwendig, um auch Wohnungen zu erstellen, die für Menschen mit mittleren Einkommen bezahlbar seien.

Der Hauptverband der deutschen Bauindustrie fordert von der Regierung unter anderem, die Grunderwerbssteuer zu senken oder zeitweise auszusetzen. Energiestandards für neue Wohngebäude sollen lockerer gehandhabt werden als geplant. Die finanzielle Neubauförderung müsse deutlich ausgebaut werden. "Ohne ein Bau-Paket kommt der Wohnungsbau kurzfristig nicht wieder in Schwung", heißt es in einem Papier des Verbands, das ntv vorliegt. Der Bundesverband Deutscher Fertigbau fordert zudem eine höhere Einkommensgrenze für die Neubauförderung für Familien. "Die Einkommensgrenze für die Neubauförderung muss deshalb umgehend von 60.000 Euro auf mindestens 90.000 Euro für Familien erhöht werden", sagte Verbandspräsident Mathias Schäfer. Die Durchschnittsfamilie müsse wieder in die Lage versetzt werden, Wohneigentum zu finanzieren.

Quelle: ntv.de, mbo/dpa/rts

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