CDU kritisiert Kanzler Scholz Boris Pistorius wird neuer Verteidigungsminister
17.01.2023, 09:54 Uhr Artikel anhören
Boris Pistorius wird neuer Verteidigungsminister.
(Foto: picture alliance/dpa)
Boris Pistorius wird künftig das Verteidigungsministerium führen. Niedersachsens Innenminister übernimmt das Ressort von Christine Lambrecht. Bundeskanzler Olaf Scholz nennt Pistorius einen "herausragenden Politiker". Der Reservistenverband der Bundeswehr begrüßt die Entscheidung. Kritik kommt aus der CDU.
Nach dem Rücktritt von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht wird der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius ihr Nachfolger. Er soll am Donnerstag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine Ernennungsurkunde erhalten und im Bundestag seinen Amtseid leisten, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit mitteilte.
Pistorius sei ein "herausragender Politiker", erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz. "Pistorius ist ein äußerst erfahrener Politiker, der verwaltungserprobt ist, sich seit Jahren mit Sicherheitspolitik beschäftigt und mit seiner Kompetenz, seiner Durchsetzungsfähigkeit und seinem großen Herz genau die richtige Person ist, um die Bundeswehr durch diese Zeitenwende zu führen", erklärte er weiter.
Lambrecht hatte am Montag nach gut einem Jahr im Amt ihren Rücktritt erklärt. In den vergangenen Tagen waren mehrere Personen als mögliche Nachfolger genannt worden, darunter Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt, SPD-Chef Lars Klingbeil und die Wehrbeauftragte Eva Högl.
Überraschungs-Minister Pistorius
Pistorius war nun eine Überraschung. Der niedersächsische Innenminister gilt als erfahrener Polit-Manager. Im Kreis der Innenminister von Bund und Ländern hat sich Pistorius in den vergangenen Jahren einen Ruf als kenntnisreicher Fachpolitiker erworben. Auch wenn er stets in Niedersachsen blieb, war er auch an der innenpolitischen Positionierung der Bundes-SPD in Wahlkämpfen und an Koalitionsverhandlungen beteiligt. Bei den Innenministerkonferenzen machte es dem als pragmatisch geltenden Pistorius immer sichtlich Freude, sich mit Konservativen wie dem früheren Bundesinnenminister Horst Seehofer auf offener Bühne zu streiten, schlagfertig, mit spitzen Bemerkungen, aber nie respektlos.
Die Partner der SPD in der Ampel-Koalition lobten die Personalie. Finanzminister Christian Lindner gratulierte Pistorius umgehend. In einem Tweet sprach der FDP-Chef von seinem "neuen Kabinettskollegen Boris Pistorius". "Vor allem mit der Umsetzung des Sondervermögens liegt eine große Aufgabe vor uns", schrieb er. Er freue sich auf eine gute Zusammenarbeit von Finanz- und Verteidigungsministerium. FDP-Fraktionschef Christian Dürr lobte die Entscheidung ebenfalls. "Ich bin davon überzeugt, dass er der richtige Mann für das Amt des Verteidigungsministers ist", sagte er t-online. Er kenne ihn aus seiner Zeit im niedersächsischen Landtag und habe ihn als Innenminister dort stets geschätzt. "Herr Pistorius hat langjährige Erfahrung mit der Struktur unserer Sicherheitsbehörden, zudem war er selbst bei der Bundeswehr. Ich bin davon überzeugt, dass er der richtige Mann für das Amt des Verteidigungsministers ist und die Zeitenwende mit Leben füllen kann", sagte Dürr.
Auch Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck begrüßte die Ernennung des Niedersachsen: "Boris Pistorius ist ein sehr erfahrener Politiker, der in schwierigen Situationen über die nötige Nervenstärke verfügt." Pistorius übernehme das Verteidigungsressort "in sehr entscheidenden Zeiten". "Es sind auch kurzfristig wichtige Entscheidungen zu treffen, insbesondere die drängende Frage, wie wir die Ukraine in ihrem Recht auf Selbstverteidigung weiter unterstützen. Deutschland trägt hier eine Verantwortung und muss große Aufgaben bewältigen", erklärte Habeck.
CDU kritisiert "Besetzung aus der B-Mannschaft"
Aus der Union wiederum kam Kritik an der Personalie. "Der Bundeskanzler zeigt damit, dass er seine eigene Zeitenwende nicht ernst nimmt", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Johann Wadephul. "Erneut spielen Sachkompetenz und Erfahrung mit der Bundeswehr keine Rolle", kritisierte Wadephul. Bei der Personalie handle es sich um eine "Besetzung aus der B-Mannschaft". Damit sei Kanzler Scholz "eine echte Überraschung gelungen. Nur leider keine gute." Um die Bundeswehr voranzubringen, brauche man nicht nur Geld, sondern auch Sachverstand. "Angesichts der Lage wird Boris Pistorius keine 100 Tage Einarbeitung haben können", betonte Wadephul. Lambrecht hinterlässt Pistorius eine ganze Reihe von Baustellen.
So steht die Modernisierung der Bundeswehr unter anderem mithilfe des 100 Milliarden Euro umfassenden Sondervermögens erst am Beginn. Bisher wurden erst Verträge über gut 10 Milliarden Euro geschlossen. Die Aufrüstung hatte Kanzler Scholz nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 verkündet. Unklar ist auch noch, wie es mit den Waffenlieferungen an die Ukraine weitergeht. Nachdem die Bundesregierung zuletzt die Lieferung von "Marder"-Schützenpanzern beschlossen hatte, drehen sich die aktuellen Debatten darum, dem angegriffenen Land "Leopard"-Kampfpanzer bereitzustellen. Bereits am Freitag steht für den neuen Minister ein Treffen mit den westlichen Verbündeten der Ukraine auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz an, bei dem es um die weitere Unterstützung für Kiew gehen soll.
Pistorius wurden immer wieder Ambitionen für ein politisches Amt auf Bundesebene nachgesagt. Es gab beispielsweise Gerüchte, er könnte Bundesinnenminister werden, falls Nancy Faeser bei der Landtagswahl in Hessen als Spitzenkandidatin für die SPD antreten sollte. Mit der Entscheidung für Pistorius hebelt Scholz seinen eigenen Anspruch aus, seine Ministerriege paritätisch zu besetzen. Bisher waren es acht Männer und acht Frauen, nun werden es neun Männer und sieben Frauen sein, den Kanzler selbst nicht mitgezählt.
Quelle: ntv.de, als/dpa