"Händler des Todes" ist zurück Bout und Wagner - eine unheilige Allianz in Afrika?
11.08.2023, 18:10 Uhr Artikel anhören
Viktor Bout alias "Händler des Todes", im Dezember 2022 in Russland
(Foto: AP)
Im vergangenen Jahr kommt der berüchtigte Waffenhändler Viktor Bout auf Betreiben von Russlands Präsident Putin frei. Er geht in die Politik - und will offenbar auch in seinem früheren Geschäft wieder Fuß fassen. Ein Schlüssel könnte Wagner-Chef Prigoschin sein.
In Jeans und Hemd stehen die beiden Russen vor einem Werbebanner, ohne zu lächeln blicken sie in die Kamera. Es ist ein Foto, das derzeit in den russischen Medien sowie in den Online-Kanälen des Nachrichtendienstes Telegram die Runde macht und in Afrika mit großer Besorgnis betrachtet wird.
Bei den beiden Männern handelt es sich um zwei Russen, die Afrika-weit berüchtigt sind: Links steht Jewgeni Prigoschin, Chef der russischen Söldnerfirma Wagner, die Tausende Kämpfer in afrikanischen Bürgerkriegsregionen stationiert hat und dort für Menschenrechtsverbrechen verantwortlich gemacht wird. Rechts zu sehen ist der berüchtigte russische Waffenhändler Victor Bout, in Afrika auch als "Händler des Todes" bekannt und nach dem gleichnamigen Spielfilm mit Schauspieler Nicolas Cage benannt, der das Leben von Victor Bout nachzeichnet. Bout hat nach dem Zerfall der Sowjetunion für fast jeden Bürgerkrieg des Kontinents das Kriegsgerät geliefert.
Prigoschin und Bout haben sich in den vergangenen Wochen mehrfach in Russland getroffen. Offenbar auch, um sich bei ihren Geschäften in Zukunft gegenseitig unter die Arme zu greifen. In Afrika betrachtet man die Zusammenarbeit mit großen Bedenken. Vieles deutet darauf hin, dass Bouts Erfahrungen im Transport von Militärausrüstung innerhalb des afrikanischen Kontinents nun Wagner zugutekommen könnten. Die Söldnergruppe will ihr Einsatzgebiet erweitern. Erst vergangene Woche bot Prigoschin den Putschisten im Niger seine "Unterstützung" an.
Freier Mann von Putins Gnaden
Waffenhändler Bout ist erst seit rund acht Monaten wieder auf freiem Fuß. Zuvor saß er in den USA in Haft, wo er 2012 unter anderem wegen Terrorismus zu 25 Jahren Haft verurteilt worden war. Im Dezember 2022 wurde er durch einen Gefangenenaustausch nach Russland überstellt. Er war 2008 in Thailand verhaftet worden, als er versuchte, Waffen an kolumbianische Rebellen und Drogenkartelle zu verkaufen. Russlands Präsident Wladimir Putin ließ Bout umgehend laufen. Die beiden teilen eine gemeinsame Vergangenheit beim sowjetischen Geheimdienst KGB. Daraufhin trat Bout in Russlands ultranationalistische "liberaldemokratische" Partei ein, die Putins Ukraine-Krieg lautstark unterstützt. Nun will er für einen Sitz im Regionalparlament des Verwaltungsbezirks Uljanowsk im Herzen Russlands kandidieren.
Dort könnte er Wagner nützlich werden. In der Region Uljanowsk werden seit Sowjetzeiten in der Firma Aviatar Militärgeländewagen vom Typ UAZ sowie Transportflugzeuge wie die Iljushin-76 gebaut, die Wagner-Chef Prigoschin dringend für seine Einsätze in Afrika benötigt. Mehrfach hatte dieser sich vor seinem gescheiterten Aufstand im Juni beschwert, dass Russlands Verteidigungsministerium ihm nicht die nötige Ausrüstung zukommen ließe. Transportmaschinen, die Kriegsgerät und Truppen durch die Gegend fliegen können, sind da ganz entscheidend.
Womöglich kann der gestandene Waffenhändler und erfahrene Pilot mit seinen Beziehungen helfen. Bout war in Afrika in erster Linie für seine Transportflugzeuge bekannt. Zu Beginn der Nullerjahre, als zahlreiche Bürgerkriege auf dem Kontinent tobten - in der Demokratischen Republik Kongo, in Liberia, in Sierra Leone - unterhielt Bout zeitweilig die größte Flugzeugflotte der Welt. Er lieferte mit seinen Transportmaschinen Sturmgewehre in den Dschungel, wo er wiederum Gold, Diamanten und Mineralien wie Coltan einsammelte. Für die Vereinten Nationen flog er sogar Lebensmittel für Vertriebene in abgelegene Bürgerkriegsregionen. Seine Piloten waren bekannt dafür, mitten im dichten Urwald auf einem Fußballplatz landen zu können.
Wahlkampfleiter für Bout
Als den "schlausten und meistgebildeten Menschen" bezeichnet der Wagner-Chef seinen neuen Freund Bout in einer Sprachnachricht auf Telegram nach ihrem "gemeinsamen Besuch in Uljanowsk". Die Amerikaner hätten einen "großen Fehler" begangen, ihn an Russland zu übergeben, so Prigoschin: "Diese Person wird eine enorme Leistung für die Zukunft Russlands erbringen." Für Bouts Wahlkampagne hat der Wagner-Chef ihm einen seiner engsten Mitarbeiter zur Seite gestellt: Maksim Shugalei, Chef der Organisation "Stiftung zur Verteidigung der Nationalen Werte", die als Propaganda-Organ von Wagner fungiert und weltweit für zahlreiche Fake-News und PR-Kampagnen verantwortlich gemacht wird. Shugalei und seine Stiftung stehen auf internationalen Sanktionslisten.
Shugaleis Engagement als Wahlkampfleiter wurde offenbar auf dem Russland-Afrika-Gipfel in St. Petersburg Ende Juli vereinbart, wo sowohl Prigoschin als auch Bout anwesend waren. "Auf dem Gipfel traf ich Viktor Bout", teilte Shugalei über seinen Telegram-Kanal mit. "Wir haben auch darüber gesprochen, dass UAZs aus Uljanowsk in Afrika höher geschätzt werden als lokale Diamanten. Gleiches gilt für IL-Flugzeuge - Fracht- und Tankflugzeuge, die bei Aviastar in Uljanowsk produziert werden", so Shugalei. Besonders gut habe ihm gefallen, dass Bout einen "sehr klaren Plan" habe, "wie man das alles in die Tat umsetzt", erklärte der Chefpropagandist und pries Bout als eine "sehr sachkundige Person". Für August kündigt er ein weiteres Treffen mit dem Waffenhändler an.
Welche praktische Bedeutung diese Allianz am Ende hat, darüber gibt es unterschiedliche Ansichten. Bout sei ein großer strategischer Gewinn für den Kreml, argumentiert etwa Samuel Ramani, Experte für Russlands Außenpolitik an der Universität von Oxford. Insbesondere in Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo, wo Wagner jüngst vergeblich versucht hat, Einfluss zu gewinnen. Douglas Farah hingegen, der ein umfassend recherchiertes Buch über Bout geschrieben hat, argumentiert: "Er war von allem sehr lange abgeschnitten", so der Sicherheitsanalyst. Bouts Beziehungen in Afrika seien in der Vergangenheit sehr persönlich gewesen. Insofern sei es zweifelhaft, dass er diese so einfach nach 15 Jahren in Haft wieder reaktivieren könne. Dass er sich nun wieder in Afrika engagiere, sei laut Farah "nicht sehr wahrscheinlich". Doch andererseits, so lenkt der Bout-Experte ein, "hatte er eine bemerkenswerte Karriere, und nichts davon war wahrscheinlich."
Quelle: ntv.de