Werbeverbot für Abtreibungen Bundestag beschließt Streichung von Paragraf 219a
24.06.2022, 10:38 UhrSeit Jahren debattiert der Bundestag über den Strafrechtsparagrafen 219a. Er regelte das Verbot, für Schwangerschaftsabbrüche zu werben. Allerdings mussten Ärzte auch bei ausführlichen Informationen Ermittlungen gegen sie befürchten. Die Ampel beendet die Praxis nun.
Der Bundestag hat die Abschaffung des sogenannten Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche beschlossen. Für die Streichung des Strafrechtsparagrafen 219a stimmten die Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und FDP sowie die Linksfraktion. Dagegen votierten Union und AfD. Der Paragraf untersagte Arztpraxen und Kliniken, ausführlich darüber zu informieren, welche unterschiedlichen Methoden es für den Abbruch gibt.
Die Abschaffung des Paragrafen ist das erste Projekt von Bundesjustizminister Marco Buschmann in seiner Amtszeit. "Es ist höchste Zeit", sagte der FDP-Politiker in der abschließenden Debatte im Bundestag. Jede Verurteilung nach dem Strafrechtsparagrafen 219a sei "eine Verurteilung zu viel". Wenn eine Frau sich mit der schwierigen Frage eines möglichen Schwangerschaftsabbruchs befasse, suche sie heutzutage "in aller Regel" zunächst im Internet nach Informationen, erläuterte Buschmann. Dort könne "jeder Troll und jeder Verschwörungstheoretiker" Dinge zu dem Thema verbreiten - hoch qualifizierten Ärztinnen und Ärzten hingegen sei es verboten. "Das ist absurd, das ist aus der Zeit gefallen, das ist ungerecht und deshalb beenden wir diesen Zustand."
Bedenken, dass die Streichung des Paragrafen 219a an den Schutz des ungeborenen Lebens rühre, wies Buschmann zurück. Dieser Schutz sei im Strafrechtsparagrafen 218 verankert - die beiden Paragrafen müsse man "streng auseinanderhalten". "Kommerzialisierende und banalisierende Werbung" für Abtreibungen werde es auch weiterhin nicht geben, betonte der Justizminister. Dem stehe das ärztliche Berufsrecht entgegen. "Es ist Zeit für mehr Vertrauen in Ärztinnen und Ärzte und es ist Zeit für mehr Informationsfreiheit für Frauen", resümierte Buschmann.
CDU: "Wir denken auch an das Lebensrecht des Kindes"
Scharfe Kritik kam aus der Unionsfraktion. Es gehe der Ampel-Koalition vor allem darum, "ein Erfolgserlebnis zusammen zu produzieren" aus Gründen der "Gruppendynamik", sagte die Vorsitzende des Rechtsausschusses, Elisabeth Winkelmeier-Becker. Zwar könne jeder die schwierige Lage einer ungewollt schwangeren Frau nachvollziehen. "Aber wir denken eben auch an das Lebensrecht des Kindes - und das ist der maßgebliche Unterschied, den ich sehe zwischen uns", sagte Winkelmeier-Becker an die Koalitionsfraktionen gerichtet. Die Union wolle daher an der geltenden Reglung festhalten. Die Streichung von 219a ermögliche "proaktive Werbung im Internet", warnte die CDU-Politikerin. Damit werde suggeriert, dass es bei einer Abtreibung "um eine ganz normale ärztliche Behandlung geht", was nicht der Fall sei.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus hatte am Morgen das geplante Ende des sogenannten Werbeverbots als einen "Triumph" bezeichnet. Auf diese Weise werde die Selbstbestimmung von Frauen in Deutschland gestärkt, sagte die Grünen-Politikerin. "Endlich können Ärztinnen und Ärzte sachlich über einen Schwangerschaftsabbruch informieren, ohne Strafverfolgung oder Stigmatisierung befürchten zu müssen", sagte Paus. "Heute ist ein guter Tag für die Ärztinnen und Ärzte in Deutschland - und erst recht für die Frauen in unserem Land."
Paragraf 219a regelte das Verbot, für Schwangerschaftsabbrüche zu werben. Zugleich führte er aber auch dazu, dass Ärztinnen und Ärzte keine ausführlichen Informationen über Schwangerschaftsabbrüche öffentlich anbieten können, ohne Strafverfolgung befürchten zu müssen. Die SPD hatte den Passus schon in der vorherigen Legislaturperiode streichen wollen. Wegen Widerstands der Union war er aber nur überarbeitet worden. Danach wurden weiter Ärztinnen und Ärzte deswegen verurteilt.
Quelle: ntv.de, jwu/AFP/dpa