Politik

Wer will lockern, wer nicht? Corona-Lockdown: Das planen die Länder

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Schulen und Kitas müssen als Erstes öffnen - da sind sich die Länder einig. Die Frage bleibt nur, wann das ist.

(Foto: picture alliance / SvenSimon)

Am Mittwoch treffen sich Bund und Länder erneut zum Corona-Krisengipfel. Im Fokus steht die Frage: Wird der Lockdown noch einmal verlängert? Einige Ministerpräsident*innen sind sich da sicher, andere denken bereits an Öffnungen.

Kurz vor den Beratungen der Länderchef*innen über die Corona-Maßnahmen ab Mitte Februar werden die Wünsche nach etwas Planbarkeit, vor allem in den Schulen, dem Einzelhandel und der Gastronomie, noch einmal lauter. Die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten wollen den Menschen nach dem Bund-Länder-Gipfel am Mittwoch eine Perspektive geben. Lothar Wieler, Chef des Robert-Koch-Instituts, betont jedoch: "Die Situation ist noch lange nicht unter Kontrolle." Durch die Mutationen habe das Virus noch einmal einen "Boost" bekommen.

Gleichzeitig zeigen die seit dem 16. Dezember 2020 bundesweit geltenden Schließungen ihre Wirkung. Seit Tagen sinken die Infektionszahlen; in den meisten Bundesländern liegt die 7-Tage-Inzidenz mittlerweile unter 100. Das ist für Bundeskanzlerin Angela Merkel zwar "ein Licht am Ende des Tunnels", wie sie ntv und RTL im Interview sagte, jedoch kein Grund für frühe Lockerungen. Für Schulen und Kitas möchte die Kanzlerin am Mittwoch eine längerfristige Strategie erarbeiten, grundsätzlich bitte sie aber alle Menschen, "noch eine Weile durchzuhalten". Ihr Parteikollege und Wirtschaftsminister Peter Altmaier spricht von möglichen größeren Öffnungen ab Ostern.

Doch viele haben Zweifel, ob die Geduld der Menschen noch so lange anhält. Die FDP fordert daher eine rasche Öffnungsperspektive mit verlässlichen "Wenn-dann-Regeln". Wenn die Infektionszahlen es zuließen, dann müssten Schulen, Kitas und Handel - regional differenziert und mit Hygienekonzept - geöffnet werden. Mehr Berechenbarkeit wollen auch die Grünen. Sie haben die Diskussion um einen Stufenplan für den 12. Februar auf die Tagesordnung im Bundestag gesetzt.

Dass der Druck nach fast einem Jahr mit langen Phasen von Homeoffice und Homeschooling steigt, weiß auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Zwar nennt er keine konkrete Lockerungsstrategie, erklärt aber, dass "wir nicht den ganzen Winter in diesem harten Lockdown bleiben" können. Er setze auf Augenmaß, um den richtigen Zeitpunkt, die richtige Geschwindigkeit und den richtigen Weg aus dem Stillstand zu finden.

Hoffnung für Friseursalons

Auch die Landesregierungen haben sich Gedanken um Schutzmaßnahmen und mögliche Öffnungen nach dem 14. Februar gemacht. Dabei gibt es allenfalls im Kern Einigkeit: Gelockert wird erst, wenn die Gesundheitsämter und Kliniken die Situation unter Kontrolle haben und behalten. Dann sollten Schulen und Kitas als Erstes wieder öffnen. Doch schon bei der Frage, wann das passieren könnte, klaffen die Meinungen weit auseinander.

In Sachsen könnten zuerst Bildungseinrichtungen, dann Friseur- und Kosmetiksalons schon sehr bald wieder öffnen. "Wir werden am 15. Februar Lockerungen haben, wenn wir den jetzigen Weg beibehalten", so Ministerpräsident Michael Kretschmer in einem Online-Forum. Das Land war Anfang des Jahres besonders stark von dem Virus betroffen; die Sieben-Tage Inzidenz liegt derzeit bei knapp unter 100. Kretschmer betont, es würden nicht alle Lockerungen auf einmal kommen, da es sonst zu viel Mobilität gebe, aber die Menschen bräuchten "eine Perspektive, um den Alltag zu ertragen".

Ähnlich sieht es Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans. Zur "Rheinischen Post" sagte er: "Wir können nicht ewig im Lockdown verbleiben, das ist eine zu große Belastung, besonders für unsere Familien." Allerdings betont er auch, dass Lockerungen nicht an ein Datum geknüpft und zum jetzigen Zeitpunkt "völlig unmöglich" seien, besonders wegen der ansteckenderen Mutationen.

In Sachsen-Anhalt liegt die Inzidenz derzeit noch bei 114 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen. Regierungschef Reiner Haseloff spricht sich dennoch dafür aus, neben Schulen und Kitas auch Friseursalons wieder zu öffnen. Es sei besser, körpernahe Dienstleistungen einem strengen Hygienekonzept und der Kontrolle zu unterwerfen, als wenn sich diese "in die Illegalität hinein entwickeln und damit noch eine größere Gefahr darstellen". Wenn sich die Lage weiter entspanne, wären unter strengen Voraussetzungen auch Reisen und Hotelübernachtungen an Ostern möglich, so der Landeschef zum "Tagesspiegel".

Mehrere Länder wollen Stufenpläne

Im Mittelpunkt der Beratungen am Mittwoch dürfte das sogenannte Stufenmodell stehen, für das immer mehr Länderchef*innen plädieren. Niedersachsen hat als eines der ersten Länder einen umfassenden Sechs-Stufen-Plan vorgelegt, der "beschreibt, wie es sein kann, wenn es besser wird und wenn es schlechter wird", so Ministerpräsident Stephan Weil. Anhand der Sieben-Tage-Inzidenz und dem R-Wert sollen sechs Stufen von Lockerungen die Maßnahmen planbarer machen, anstatt nur auf die starre Inzidenzmarke von 50 zu achten.

Nach Niedersachsens Modell wären etwa Wechselunterricht in Schulen und uneingeschränkte Trauerfeiern ab einer Inzidenz unter 100 möglich; Theater, Kinos und Co. dürften ab einer Inzidenz unter 25 wieder öffnen. Mit Blick auf die derzeitigen Fallzahlen betont Weil beim Portal "t-online", dass baldige Lockerungen nicht in Sicht seien, Niedersachsen aber notfalls einen Sonderweg gehe, falls Bund und Länder nicht bald einen gemeinsamen Stufenplan beschließen. Hessens Regierungschef Volker Bouffier kündigte ebenfalls ein Stufenmodell für Lockerungen an, dies sei derzeit in Arbeit. Baldige Öffnungen kann er sich aber nicht vorstellen, die Inzidenzwerte müssten sich dazu weiter verringern, möglichst unter 50.

Starke Befürwortung eines Stufenplans kommt auch aus Schleswig-Holstein, das mit derzeit 64 einen der bundesweit niedrigsten Inzidenzwerte hat. Landeschef Daniel Günther sagt im Deutschlandfunk: "Die Menschen wollen wissen, wofür es sich lohnt, momentan die Regeln einzuhalten." Der Perspektivplan des Landes sieht die Inzidenzen unter 100, 50 und 35 als Stufen für Lockerungen vor. Wechselunterricht und eingeschränkter Kita-Regelbetrieb könnten in Schleswig-Holstein somit schon bald möglich sein. Die Lockerungen würden je nach Fallzahlen regional variieren, sagt Günther. Das schaffe Transparenz und Anreiz.

Auch Ministerpräsidentin Manuela Schwesig schlägt ein regionales Vorgehen mit Stufenplan vor: "Wo die Zahlen niedrig sind, kann man früher lockern." In Mecklenburg-Vorpommern variieren die Fallzahlen mit Inzidenzen von 40 an der Ostsee bis 200 an der deutsch-polnischen Grenze besonders stark. Größeren Öffnungen in naher Zukunft steht die Landeschefin allerdings kritisch gegenüber. Mit Sorge wegen der sich schnell verbreitenden Mutationen spricht sie im NDR "eher über Verschärfungen als über Lockerungen".

In Thüringen könnten Friseur- und Kosmetiksalons schon sehr zeitnah wieder öffnen. Das Land ist mit einer Inzidenz von 135 zwar am stärksten vom Virus betroffen, allerdings sind laut dem kürzlich vorgelegten Stufenplan der Landesregierung erste Öffnungen ab einer Inzidenz zwischen 100 und 200 möglich. Das Konzept nennt fünf Stufen, abhängig von Infektionszahlen und der Anzahl von geimpften Menschen, zu denen es unterschiedliche Lockerungen gebe. Landeschef Bodo Ramelow möchte das Konzept beim Bund-Länder-Gipfel als bundeseinheitlichen Plan vorschlagen.

Bayern und Bremen wollen "auf Sicht fahren"

Malu Dreyer, die Regierungschefin von Rheinland-Pfalz, reagiert auf die Stufenmodelle ihrer Amtskolleg*innen mit der Forderung nach bundesweit einheitlichen Regeln für Lockerungen. "Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir uns in Deutschland auf die gleichen 'Wenn-dann-Regeln' einigen", sagte Dreyer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Wenig überzeugt von Stufenplänen generell sind Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sowie Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte. Auch halten sie eine Verlängerung des Lockdowns für zwingend notwendig. "Auf Sicht fahren ist das Einzige, was wirklich hilft", betont Söder in der ARD. Über eine Perspektive müsse zwar gesprochen werden, von "durchexerzierten" Plänen, "die möglicherweise auf den Tag terminiert sind" hält Bayerns Landeschef allerdings nichts.

Auch die Regierungschefs aus Nordrhein-Westfalen und Brandenburg, Armin Laschet und Dietmar Woidke, sind gegen vorschnelle Öffnungen im Februar. Beide mahnen jedoch, zunächst an die Schulen zu denken, sollte es zu Lockerungen kommen. Auf dem CDU-Parteitag in Hildesheim sagte der neue CDU-Parteivorsitzende Laschet: "Ehe wir irgendein Geschäft oder etwas anderes öffnen, muss die Bildung für unsere Kinder wieder in Gang gesetzt werden, denn wir richten mit dem Lockdown auch Schäden an."

In Berlin, Hamburg und Baden-Württemberg bleibt der Lockdown

Berlins Bürgermeister Michael Müller hält eine Debatte über Lockerungen trotz sinkender Zahlen für verfrüht. Der Senat erarbeite zwar einen Ausstiegsplan, ein Datum für Öffnungen könne man auch wegen der Gefahr der Mutationen allerdings nicht nennen, sagt Müller. Die Sieben-Tage-Inzidenz in Berlin liegt derzeit bei 69, die Hauptstadt habe allerdings eine Warnlinie von 30 beschlossen. Hamburgs Regierungschef Peter Tschentscher ist ähnlicher Meinung. Man solle bei dem Inzidenzwert von 50 nicht automatisch lockern, sagte der Bürgermeister der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Wir brauchen eine Einschätzung der Gesamtlage."

Schnelle Lockerungen wird es auch in Baden-Württemberg nicht geben. Die Infektionszahlen sind mit einer Inzidenz von 61 zwar vergleichsweise gering, Ministerpräsident Winfried Kretschmann betont im "Tagesspiegel" aber, dass ein Inzidenzwert von 50, besser 25 nötig sei, um "alles im Griff zu haben". Dass sich die Menschen mehr Planbarkeit wünschen, hält er für eine "berechtigte Anforderung an die Politik", findet aber zugleich klare Worte: "Jetzt können wir die nicht erfüllen." So klaffen die Meinungen zum weiteren Vorgehen bei den 16 Länderchefs weit auseinander. Mit Blick auf die Konferenz am Mittwoch spricht das für eine lange, kontroverse Debatte. Dass an deren Ende ein einheitlicher Weg präsentiert werden kann - derzeit spricht wenig dafür.

Quelle: ntv.de

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