Politik

Berlin-Wahl bei Anne Will "Da sehe ich noch eine Chance für die SPD"

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"Pioneer"-Chefredakteur Michael Bröcker (r.) hat die SPD noch nicht abgeschrieben.

(Foto: NDR/Wolfgang Borrs )

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Die CDU gewinnt die Abgeordnetenhauswahlen in Berlin. Doch ob ihr Spitzenkandidat Kai Wegner neuer Regierender Bürgermeister der Hauptstadt wird, ist nicht klar. Anne Will versucht mit ihren Gästen zu klären, wie es nach der Wahl weitergehen kann.

Es war ein Wahlkrimi am Sonntagabend. Die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Kai Wegner hat die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus klar gewonnen. Die SPD belegt den zweiten Platz - mit 105 Stimmen Vorsprung vor den Grünen. Die FDP ist nicht mehr im Abgeordnetenhaus vertreten.

Hart hat es auch die rot-grün-rote Koalition getroffen, die in Berlin regiert. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey verliert ihr Direktmandat, die drei Koalitionsparteien büßen mehr als fünf Prozentpunkte ein. Dennoch könnten sie mit einer komfortablen Mehrheit im Abgeordnetenhaus weiter regieren. Erste vorsichtige Äußerungen Giffeys können so verstanden werden.

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Kai Wegner, der Spitzenkandidat der CDU, habe die Wahl gewonnen, "aber die Wähler haben es möglich gemacht, dass Rot-Grün-Rot weiter regieren kann"", analysiert "Pioneer"-Chefredakteur Michael Bröcker denn auch das Ergebnis in der ARD-Talkshow "Anne Will". Dort diskutieren die Gäste bisweilen recht munter darüber, wie es in der Hauptstadt nach den Abgeordnetenhauswahlen weitergehen kann. Nun müssten Sondierungsgespräche geführt werden. Dabei komme es darauf an, wer in den nächsten Wochen am klügsten kommuniziere und möglichst viele Wahlgeschenke auf den Verhandlungstisch lege. "Da sehe ich noch eine Chance für die SPD", sagt Bröcker.

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Auch wenn die CDU die Wahl gewonnen hat: Auch die zweitplatzierte Partei könne Sondierungsgespräche führen, findet SPD-Chefin Saskia Esken. Sie ist dafür, das Wahlergebnis erst einmal zu analysieren. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Regierung, dem Staat, der Verwaltung habe bei der Wahlentscheidung der Bürger eine Rolle gespielt, erklärt sie. "Jetzt muss man überlegen, wie man die Projekte, die die Regierung in den letzten 13 Monaten angepackt hat, weiterführt." Berlin habe eine "Koalition der Zusammenarbeit" verdient, und dass Rot-Grün-Rot das könne, haben die Koalitionäre laut Esken in den letzten Monaten gezeigt.

"Jetziger Senat ohne Legitimation"

"Was gibt es da noch zu analysieren?", fragt Jens Spahn von der CDU. "Der Senat wurde abgewählt, die Regierungschefin hat kein Vertrauen bei den Bürgern, alle Regierungsparteien haben verloren", ist seine Analyse. Eine politische Legitimation für die Fortsetzung dieses Senats gebe es nicht.

Ein Regierungsauftrag des Wahlgewinners sei nirgends festgeschrieben, erklärt dagegen Politikwissenschaftlerin Ursula Münch. "Man kann sich schon beauftragt fühlen, aber das nützt einem nichts, wenn nicht andere Koalitionspartner zu tatsächlichen werden", sagt sie. Grundsätzlich spreche nichts dagegen, "mit der alten Truppe weiterzumachen". Fraglich sei jedoch, wie sich so etwas in der öffentlichen Wahrnehmung auswirke.

Das sieht auch Grünen-Chef Omid Nouripour so. Wer regieren wolle, müsse in der Lage sein, Mehrheiten zu bilden. Und deswegen werde Wahlgewinner Kai Wegner als erster Gespräche führen. "Und wer danach regiert, muss dafür sorgen, dass die Akzeptanz des Senats steigt, damit nicht die Wahlbeteiligung in den Keller geht, wie wir es heute erlebt haben." Nouripour ist der einzige, der Wegner in der Sendung zu dessen Wahlerfolg gratuliert.

Berlin "dramatisch unterregiert"

Für den Vertrauensverlust der Wähler machen die Gäste bei Anne Will vor allem die schlecht arbeitende Verwaltung und die innere Sicherheit verantwortlich. "Die Stadt ist dramatisch unterregiert", so Bröcker. So habe 2021 die Aufklärungsquote von Straftaten bei gerade mal 45 Prozent gelegen.

Ein besonderes Desaster seien die Krawalle zu Silvester gewesen, weiß Nouripour. "Wir erleben hier einen lokalen Tiefpunkt der Ausschreitungen", betont er. Das Problem müsse gelöst werden. Dazu sei es nötig, in Problemvierteln das Freizeitangebot für Jugendliche zu erhöhen oder nach Problemen in den Schulen zu forschen. Das habe Giffey nach den Silvesterkrawallen mit ihrem Migrationsgipfel angestoßen, sagt Esken. "Warum habt Ihr es denn in den letzten zwanzig Jahren nicht in die Hand genommen?", fragt Spahn. Eine Antwort bekommt er nicht. Allerdings weist Esken auf einen Rückgang der Jugendkriminalität in den letzten Jahren hin.

"Ein Gipfel zur Jugendgewalt reicht nicht, wenn ich die Polizei und die Justiz nicht ausstatte", sagt auch Bröcker. Er fordert, Berliner Polizisten müssten wie in den meisten anderen Bundesländern mit Bodycams ausgerüstet werden.

Spahn sorgt sich um FDP

Durch den Wahlverlust der FDP werde es keine neuen Probleme in der Ampelkoalition geben, beantwortet Nouripour eine Frage der Moderatorin - und fügt hinzu: "Wir haben schon genug." In Wahrheit sei aber das vertrauensvolle Zusammenarbeiten der Koalitionäre nicht zu beanstanden.

Das sieht Spahn ganz anders: "Die FDP muss sich die Frage stellen, ob die sogenannte Fortschrittskoalition in der Ampel für sie nicht eher eine Rückschrittskoalition ist." Im Gegensatz zu Nouripour sieht Spahn zu viel Streitpotential in der Ampelkoalition, bei dem die FDP ständig den Kürzeren ziehe.

Am Ende fragt Will Politikwissenschaftlerin Münch über die Lehren, die sie aus der Wahl in Berlin ziehe. "Es hat sich gezeigt, dass es Themen gibt, die jenseits der großen Krisen nahe bei den Menschen sind: Die innere Sicherheit, die Probleme in der Verwaltung, das spürt man täglich. Da ist eine gewisse Unsicherheit. Und das Blöde ist, dass das viel Zeit braucht, um es in den Griff zu bekommen." Zeit, die die neue Regierung in Berlin jetzt hätte.

Quelle: ntv.de

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