Ukraine-Talk bei Caren Miosga "Dann wird Trump als Marionette Putins in die Geschichte eingehen"
17.02.2025, 00:45 Uhr Artikel anhören
Bei Caren Miosga (m.) diskutierten Carlo Masala, Oleksii Makeiev, Norbert Röttgen und Constanze Stelzenmüller (v. l.).
(Foto: IMAGO/HMB-Media)
Donald Trump ist heiß auf einen schnellen Deal mit Wladimir Putin und droht dafür die Ukraine und Europa zu opfern. In der ARD-Talkshow "Caren Miosga" wird vor einer Flucht in Floskeln gewarnt - und einem neuen Krieg mit "schlaflosen Nächten" in Berlin.
Die vergangene Woche habe "das Wort Zeitenwende neu definiert", beginnt Caren Miosga ihre ARD-Talkshow am Sonntagabend. Was die Moderatorin meint, sind die historischen Tage vor und während der Münchener Sicherheitskonferenz, als US-Präsident Donald Trump eine Vereinbarung mit Russlands Präsident Wladimir Putin über die schnelle Aufnahme von Friedensgesprächen zur Beendigung des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine verkündete und US-Vizepräsident J.D. Vance in der bayerischen Landeshauptstadt Europa das Demokratieverständnis abspricht.
"Dieser Angriff von Vance war nicht zu erwarten", sagt Norbert Röttgen bei "Caren Miosga". "Er drückt die neue, gegensätzliche Wertebasis aus, die aggressiv gegen uns in Stellung gebracht wird." Der Außenpolitiker der CDU, der auch stellvertretender Vorsitzender der Transatlantikbrücke ist, sieht "keine außenpolitische Linie und keinen Plan" in der Trump-Administration.
Constanze Stelzenmüller, Direktorin des "Center on The United States and Europe" in Washington D.C., erkennt in Vances Rede gar eine "ungeheure Beleidigung". Bezüglich der Friedensgespräche glaubt die Expertin für transatlantische Beziehungen, dass Trump einen schnellen Deal wolle, weil in den USA die Angst vorherrsche, dass Russland und China sich verbünden: "Nun hat man die Hoffnung, Russland an die USA zu binden. Dafür werden möglicherweise die Ukraine und Europa geopfert."
Putin habe seit 20 Jahren immer wieder deutlich gezeigt, so Stelzenmüller, dass er Europa als russische Einflusssphäre und die Sicherheitsverhältnisse zurück auf die Situation von nach dem Fall der Berliner Mauer stufen wolle. "Trump respektiert diese Stärke", sagt die Expertin, doch schlussfolgert aufgrund eines am Ende möglicherweise sehr guten Deals für Putin: "Wenn Trump weiter solche Zugeständnisse macht, wird Trump als Marionette Putins in die Geschichte eingehen."
"Putin ist der Gewinner der letzten Tage", erklärt auch Carlo Masala. Der Militär- und Sicherheitsexperte kritisiert, dass man über die kommenden Friedensgespräche nichts darüber höre, was Trump von Putin fordere, sondern nur, was Russland bekommen könnte. "Das Risiko für Putin ist gering, wenn er an Verhandlungen teilnimmt", sagt Masala. Entweder bekomme der russische Präsident das, was er wolle, oder er führe einfach weiter Krieg. "Dass Putin an den Tisch geholt wird, ist schon eine erste Konzession", findet Röttgen. Und Stelzenmüller beanstandet, dass "der Täter" zu Gesprächen geladen wird.
Röttgen: "Wir sind am Abgrund"
Nach jetzigem Stand wird ein Deal ohne Europäer am Tisch ausgehandelt und die USA entfernen sich immer mehr vom alten Kontinent. Ganz so, wie Putin das will. Um die eigenen autokratischen Fühler immer stärker auszustrecken. "Russland mischt sich seit Jahren in europäische und deutsche Politik ein", merkt Stelzenmüller an. "Mit Desinformation, Propaganda bis hin zu Sabotage. Das ist ungeheuerlich. Damit sollen wir buchstäblich weichgekocht werden."
Röttgen hält fest: "Europäische Sicherheit ist seit dem Wochenende eine allein europäische Aufgabe." Wie man diesen riesigen Haufen Arbeit aber angehen und der Gefahr Russland entgegentreten soll, darüber gibt es keine Einigkeit in der Talkrunde. "Wir reagieren in Deutschland wieder mit Floskeln", klagt Masala. "Da ist von der 'Stunde Europas' die Rede, das habe ich erstmals 1991 gehört." Röttgen findet jedoch, dass genau das die aktuelle Situation beschreibt. Masala kontert: "Aber es ist nie etwas passiert." Röttgen: "Das ist auch richtig, aber jetzt haben wir keine andere Wahl mehr. Wir sind am Abgrund. Wenn wir jetzt nicht übernehmen, fallen wir in den Abgrund hinein."
Die Übernahme des Steuerknüppels, so überhaupt möglich, kostet. "US-Außenminister Marco Rubio hat recht, wenn er sagt, dass Deutschland mehr für Verteidigung ausgeben muss", meint Röttgen. Als Miosga wissen will, wie viel vom Bruttoinlandsprodukt für Streitkräfte und Co. ausgegeben werden sollten, gerät der CDU-Mann ins Stottern. Konkret will er aber russisches, bisher eingefrorenes Kapitalvermögen, etwa 300 Milliarden Euro, konfiszieren und für Sicherheitsmaßnahmen einsetzen.
Und würde eine von der Union geführte Regierung im Falle eines Waffenstillstands sich an einer Friedenstruppe mit deutschen Soldaten beteiligen? Erneut schwimmt Röttgen, diese Frage sei "nicht zu beantworten", man wisse schließlich noch überhaupt nicht, was die Aufgaben einer solchen Truppe wären. Masala glaubt nicht, dass Europa ausreichend Soldaten und die nötige Ausstattung hat und weist darauf hin, dass solch ein Plan nur mit den USA als Unterstützer im Hintergrund funktioniere. Dann allerdings, so der Politikwissenschaftler, sei es völlig klar, "dass der Staat, der von sich immer behauptet, der größte Unterstützer der Ukraine zu sein, dort anwesend sein muss. Punkt."
Botschafter: Keine Gespräche über die Ukraine ohne die Ukraine
"Wir sind die, die die europäischen Werte mit Waffen verteidigen", meldet sich dann Oleksii Makeiev zu Wort. Der Botschafter der Ukraine in Deutschland fordert, dass es "keine Gespräche über die Ukraine ohne die Ukraine und keine Gespräche über Europa ohne Europa" geben soll. Die Europäer hätten nun endlich begriffen, dass sehr viel in ihren eigenen Händen liegt und die Ukrainer, die sich wie niemand sonst nach Frieden sehnen würden, auch für die Sicherheit von ganz Europa kämpfen. "Seit mehr als 1000 Tagen haben wir schlaflose Nächte, in Berlin schläft man noch gut."
Die Betonung liegt in den Tagen der Zeitenwende auf noch. US-Präsident Trump wird Europa möglicherweise bald einen Deal vor die Füße werfen, ohne dass Deutschland und Co. daran mitarbeiten konnten. "Wenn sich bewahrheitet, was sich abzeichnet, dann stehen wir in Europa vor einem neuen Krieg - und das wird nicht mehr lange dauern", sagt Masala über die Gespräche Trumps mit Russland. "Wenn wir Putin alles geben, was er will, wird er dadurch ermutigt, weiterzugehen." Russland bereite sich schon lange darauf vor, eine große Bedrohung für Europa zu sein und man dürfe nicht den gleichen Fehler begehen wie 1938, als den Nazis das Sudetenland gegeben wurde.
Quelle: ntv.de