Politik

Die FDP und die Verlockungen Das Dilemma des Christian Lindner

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Noch hat Lindner seine Mission nicht vollendet.

(Foto: imago/Christian Thiel)

Der eigentliche Sieger der NRW-Wahl heißt Christian Lindner. Der FDP-Chef hat alle seine Ziele bisher erreicht. Nur: Wie gut verkauft er seine Partei in möglichen Koalitionsgesprächen mit der CDU? Und wie geht es weiter?

Es sind triumphale Stunden für Christian Lindner, den eigentlichen Wahlsieger von Nordrhein-Westfalen. "Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin", sangen seine Anhänger bei der Wahlpartei am Sonntagabend. Sie feiern die 12,6 Prozent, die die FDP in NRW eingefahren hat - ihr historisch bestes Ergebnis in dem Bundesland. Es sind Werte, die die einst totgeglaubten Liberalen dort wieder in die Regierungsverantwortung bringen könnten - gemeinsam mit der CDU, die mit ihrem Spitzenkandidaten Armin Laschet stärkste Kraft in Düsseldorf wurde.

So triumphal das Ergebnis ist, so birgt es doch ein Problem für Lindner: "Das Ergebnis ist so gut, dass es jetzt nicht ganz leicht ist, mit ihm umzugehen", benennt der FDP-Chef gleich zu Beginn seines Auftritts in der Bundespressekonferenz das Dilemma. Wenn man die Eigenständigkeit der FDP betone, heiße es wieder: "Wie arrogant treten die auf?" Betone man nicht die Eigenständigkeit, heiße es dagegen: "Jetzt treten sie ganz bescheiden auf, weil die Dienstwagenschlüssel in Reichweite sind."

Einmal mehr wiederholt Lindner sein Credo aus dem Wahlkampf: Sollte es einen "echten Politikwechsel" geben, sei man selbstverständlich bereit, in die Regierungsverantwortung zu gehen. Schließlich sei man keine Protestpartei. Noch allerdings will er nicht inhaltlich auf mögliche Knackpunkte in Koalitionsverhandlungen mit der CDU eingehen und diese Bedingungen diktieren. Noch habe er gar keinen Anruf von Herrn Laschet erhalten, so Lindner. Der designierte Ministerpräsident hatte bereits angekündigt, dass er mit verschiedenen Parteien reden werde und es durchaus Übereinstimmungen mit der FDP gebe. Dass es allerdings Probleme beim Thema Innere Sicherheit geben könnte, hatte CDU-Sieger Laschet auch schon gesagt.

So schön es für die FDP ist, nach Jahren in der Versenkung wieder als Koalitionspartner umworben zu werden, weiß Lindner doch um die Schwierigkeiten: Schließlich war seine Partei 2013 auch aus dem Bundestag geflogen, weil sie sich an die Union gebunden hatte und nicht mehr als eigenständige Partei wahrgenommen wurde, die für ihre eigenen Ziele kämpft.

Lehre aus der Vergangenheit

Nach den Erfahrungen von 2009 seien die Hürden für Koalitionsverhandlungen natürlich höher, sagt der FDP-Chef nun. Fast 200.000 Wähler von SPD und Grünen hatten die Liberalen diesmal gewonnen. "Wir wurden gewählt, weil sie uns gemeint haben", so Lindner und nicht, um irgendeinen Koalitionspartner zu stärken. Und: Es seien andere Wähler, die heute FDP wählten, schließlich habe sich auch die FDP verändert.

Zumindest zeigt sich die FDP derzeit koalitionstechnisch flexibel. In Rheinland-Pfalz regiert sie in einer Ampel-Koalition mit SPD und Grünen, in Schleswig-Holstein starten die Liberalen nun Sondierungsgespräche mit den Grünen. Mit der CDU, da macht Lindner keinen Hehl daraus, sieht er die meisten inhaltlichen Überschneidungen, auch wenn er dieser in NRW vorwirft: "Die CDU hat massiv gegen uns Wahlkampf gemacht."

Sollte es tatsächlich einen Entwurf eines Koalitionsvertrags geben, muss ein solcher aber diesmal noch durch die FDP-Mitglieder gebilligt werden. Die FDP ganz basisnah - es ist eine Zäsur zu früheren Phasen der Parteigeschichte. Früher entschied ein kleiner Kreis von Führungskräften alleine.

Rückenwind aus Nordrhein-Westfalen

Aber Lindner macht auch klar, dass der FDP eine mögliche schwarz-gelbe Regierung in Düsseldorf durchaus nützen kann: "Für den Bundestagswahlkampf gäbe es keinen besseren Rückenwind als ein erfolgreicher Politikwechsel in Nordrhein-Westfalen." Schließlich beginnt ab diesem Montag für Lindner der Bundestagswahlkampf, die letzte und wichtigste Phase seines Projekts "Wiederauferstehung der FDP". Am 24. September muss es ihm gelingen, die Partei aus der außerparlamentarischen Opposition wieder in den Bundestag zu führen. Andernfalls dürfte es auf Dauer sehr schwierig werden für die Liberalen.

Wie wichtig dieses Ziel ist, zeigt alleine, dass fast alle FDP-Politiker von Rang und Namen im September für ihre Partei antreten werden. So wie Lindner, der dann neben seinen diversen Posten als Fraktionschef und Spitzenkandidat in NRW sowie Parteichef auch bundesweit als Spitzenkandidat antreten wird. Selbst wenn er jetzt noch mögliche Koalitionsgespräche der FDP führt, bleibt sein Ziel Berlin. "In jedem Fall ziehe ich es vor, einflussloser Abgeordneter der Opposition im Bundestag zu sein, als stellvertretender Ministerpräsident in Düsseldorf."

Zurzeit sind die Chancen, dass er mit seiner Partei in den Bundestag zieht, zumindest allen Umfragen zufolge gut. Bei 7 bis 8 Prozent liegt seine Partei derzeit. Dass er darauf allerdings nicht bauen kann, dürfte auch Lindner wissen. Schließlich hat gerade die Wahl in NRW, wo die SPD lange vorne lag, gezeigt, wie schnell Stimmungen kippen können.

Und was macht Lindner dann, wenn die FDP im September nur 4,9 Prozent erreichen sollte? Darüber will er offenbar noch nicht nachdenken. Er werde keine Energie in Plan-B-Szenarien stecken, sagt er sichtlich unwirsch auf entsprechende Fragen. Vor ein paar Jahren klang er noch anders. Da sagte er in einem Interview mit der "Zeit": "Wenn ich die FDP 2017 zurück in den Bundestag führe, bleibe ich Politiker. Sonst nicht." Jetzt ärgert er sich, dass aus dem langen Interview vor allem dieses Zitat hängen geblieben ist.

Quelle: ntv.de

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