Alle wälzten sich im Schlamm Das Ende von Trumps erstem Prozess ist nah
27.05.2024, 20:25 Uhr Artikel anhören
Verbrachte in den vergangenen Wochen viel Zeit auf der Anklagebank: Donald Trump.
(Foto: AP)
Nur noch die Schlussplädoyers fehlen im Schweigegeldprozess gegen Ex-US-Präsident Trump. Die Anklage muss sämtliche Geschworenen überzeugen. Trumps Verteidigung hat es einfacher.
Länger als vier Wochen schon verhandeln die Anwälte in einem Gerichtssaal in Manhattan über ihn: Donald Trump. Kommt er davon? Am Dienstag haben die klagende Staatsanwaltschaft und die Verteidiger des designierten Präsidentschaftskandidaten der Republikaner noch eine Kugel im Lauf: die Schlussplädoyers. Darin will die Anklage die Jury endgültig überzeugen, dass Trump rund um die Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels Dutzende Straftaten in den Jahren 2016 und 2017 begangen hat. Trump hingegen gibt sich komplett unschuldig.
Werden die Geschworenen den Ex-Präsidenten bei ihren folgenden Beratungen für schuldig befinden? Sollten sie Zweifel an der Argumentation der Staatsanwaltschaft haben, müssen sie ihn freisprechen. Auch wenn sie sich nicht einig werden, wäre das wie ein Sieg für Trump. Der Prozess würde schließlich ergebnislos enden. Klar ist jedoch: Es spricht mehr gegen den Ex-Präsidenten als für ihn.
Gesamtbild ist entscheidend

Trumps früherer persönlicher Anwalt Michael Cohen verlässt das Gericht. Wie glaubwürdig ist der Kronzeuge der Anklage?
(Foto: REUTERS)
Die Fakten und Begleitumstände sind deutlich. Trumps Sex mit Stormy Daniels ist so gut wie sicher, auch wenn er ihn leugnet. Auch seine Zusammenarbeit mit dem Verleger des Supermarkt-Magazins "National Enquirer" bestreitet niemand ernsthaft. Die Zeitschrift hatte im Wahlkampf 2016 die Rechte an unliebsamen Geschichten gekauft, um sie dann in der Schublade verschwinden zu lassen. So wurde Stormy Daniels vor der Wahl ruhig gestellt. Kontaktmann war Trumps persönlicher Anwalt Michael Cohen, der Kronzeuge der Anklage. Er zahlte der Darstellerin 130.000 US-Dollar. Trump erstattete ihm das Geld später, deklarierte dies jedoch als Anwaltskosten.
Wusste Trump auch über Einzelheiten Bescheid und tat er all dies wirklich in der Absicht, seine Wahlchancen nicht zu schmälern? Davon müssten die Geschworenen überzeugt sein, wenn sie ihn schuldig sprechen. In diesem Fall wäre die Schweigegeldzahlung eine nicht deklarierte und damit illegale Wahlkampffinanzierung, die er verschleiern wollte. Dafür müssen die Geschworenen nicht einmal jedes Detail von Cohens Aussage glauben - etwa über den rund eineinhalbminütigen Anruf, auf dem die Verteidigung im Kreuzverhör mit dem Kronzeugen so emotional herumritt.
Es gibt darüber hinaus viele andere Hinweise. Schließlich laufen alle Fäden bei Trump zusammen. Er war als Präsidentschaftskandidat bei dem Planungstreffen mit dem Verleger, er unterzeichnete fast alle Dokumente, er wurde von Cohen bei den Verhandlungen mit Daniels vertreten und er ist der Chef des Unternehmens, über das die Zahlungen an Cohen geleistet wurden. Die Anklage wird in ihrem Schlussplädoyer aller Voraussicht nach noch einmal diese Umstände und eine direkte Linie von Trumps Schreibtischen in seinen Büros und im Oval Office zu Cohen und Daniels nachzeichnen.
Verteidigung sät Zweifel
Trump und seine Anwälte plädieren auf unschuldig. Warum auch nicht? Warum sollte der vielbeschäftigte Präsidentschaftskandidat und Unternehmer jede Einzelheit davon abgesegnet haben, wie Cohen die Schweigegeldzahlungen an Stormy Daniels organisierte? Der Chef habe nicht alles gewusst, was Cohen hinter dessen Rücken so getrieben habe, suggerierte die Verteidigung schon mit ihren Fragen an die Zeugen. Auch können die Anwälte Cohen - nicht grundlos - vorwerfen, er lüge aus Gier und Rachelust über Trumps Verwicklungen.
Die Verteidigung versuchte drei Verhandlungstage lang, den Kronzeugen zu diskreditieren. Trumps Anwalt Todd Blanche drängte ihn mehrfach so in die Enge, dass er frühere Lügen unter Eid zugeben musste, und ebenso, Trumps Unternehmen in einem Fall bestohlen zu haben. Cohen rechtfertigte sich: Die Wahrheit hätte negative persönliche Folgen für ihn gehabt, er habe keinen anderen Ausweg gesehen. Blanche fragte provokativ, ob der aktuelle Prozess gegen Trump auch persönliche Folgen für ihn habe. Cohen blieb nichts anderes übrig, als mit Ja zu antworten. Seine Selbstdarstellung, nach der er inzwischen ein reuiger, ehrlicher Sünder sei, der für alle seine Verfehlungen gebüßt habe und noch immer büße, hat deutliche Risse bekommen.
Zu Beginn des Prozesses hatte die Staatsanwaltschaft angekündigt, sie werde Trump illegale Wahlbeeinflussung vorwerfen, die er versucht habe, mit Dokumentenfälschung zu verheimlichen. Trumps Anwalt Todd Blanche entgegnete da schon: "Es ist nichts falsch daran, eine Wahl zu beeinflussen. Es heißt Demokratie." Fragt sich nur, welche und wessen Mittel dafür erlaubt sind. Darüber werden die Geschworenen nach den Plädoyers am Dienstag entscheiden.
Quelle: ntv.de