"DAS - WAR - EINE - LÜGE!" Trumps Verteidiger unterstellt Kronzeuge Cohen reine Rachelust


Todd Blanche (stehend) verschärfte den Ton.
(Foto: REUTERS)
Hat Kronzeuge Cohen im Schweigegeldprozess gegen Trump ein Telefongespräch erfunden, damit sein ehemaliger Chef ins Gefängnis muss? Dies wirft ihm die Verteidigung im Kreuzverhör in allen Details vor. Cohen muss noch einiges mehr über sich ergehen lassen.
Als er den ersten Teil überstanden hat, ist Michael Cohen sichtlich angegriffen. "DAS - WAR - EINE - LÜGE!" hat Donald Trumps Anwalt ihm da kurz zuvor entgegengeschrien. Todd Blanche unterstellt dem Kronzeugen der Anklage damit, den Inhalt eines Telefonats mit Trump erfunden zu haben, um diesen zu belasten. Im Schweigegeldprozess gegen den Ex-Präsidenten kristallisiert sich immer mehr heraus, worauf seine Verteidiger aus sind. Sie wollen Cohen diskreditieren, ihm unterstellen, immer dann zu lügen, wenn es für ihn opportun ist - so auch im aktuellen Prozess, wo er zuvor Beweise der Staatsanwaltschaft mit seinen Aussagen bereitwillig unterfüttert hat.
Der Donnerstag ist bereits der dritte Tag von Trumps ehemaligem Anwalt alias "Fixer" alias "Pitbull" im Zeugenstand des Strafprozesses in Manhattan. Hat Trump bewusst und wegen der bevorstehenden Präsidentschaftswahl 2016 die Schweigegeldzahlung an die Pornodarstellerin Stormy Daniels vertuscht? Falls die Anklage dies belegen kann, hätte Trump versucht, illegale Wahlkampffinanzierung mit gefälschten Unterlagen in 34 Fällen zu verstecken. Dafür könnte der Ex-Präsident ins Gefängnis wandern.
Daniels behauptet schon lange, sie habe Sex mit Trump gehabt und drohte vor acht Jahren, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Es ist der Kronzeuge Cohen, der sagt, er habe daraufhin auf Geheiß seines damaligen Chefs gehandelt: Daniels aus seinem Privatvermögen 130.000 US-Dollar bezahlt und als Trump Präsident war, das Geld von ihm per regelmäßiger Schecks erstattet bekommen. Die Dokumente an sich kann die Verteidigung kaum anzweifeln, sie tragen Trumps Unterschrift. Sie sind als Anwaltskosten deklariert, was Cohen als Tarnung bezeichnet. Dies sei alles im Detail mit Trump abgesprochen gewesen. Der damalige Kandidat der Republikaner habe kurz vor der Präsidentschaftswahl 2016 seine Siegchancen nicht schmälern wollen.
"Sie haben also unter Eid gelogen?"
Am ersten Tag des Kreuzverhörs hatte die Verteidigung zunächst konfrontativ versucht, Cohen aus der Reserve zu locken. Als dies nicht verfing, verlor sich Blanche in vielen Details, ohne dass klar wurde, warum sie wichtig für Trumps Entlastung sein sollten. Ähnlich ging es am zweiten Tag zunächst weiter. Er fragt ihn, ob der Schwur vor Gericht, die Wahrheit zu sagen, immer derselbe sei? "Richtig." Dann nimmt ihn Blanche unter Dauerfeuer. Frage um Frage, Detail um Detail über Cohens Verurteilung, seine falschen Angaben und Gründe dafür. "Sie haben also unter Eid gelogen?" - "Korrekt", gibt Cohen zu.
Der Kronzeuge hält an seinen Aussagen fest, es gebe ein Vor August 2018 und ein Danach: Unverbrüchliche Loyalität gegenüber Trump habe sich in Reue, Buße und Loyalität seiner Familie gegenüber gewandelt. Blanche findet zunächst scheinbar keine nachvollziehbare Lücke in Cohens Darlegung, er übernehme seit Ende 2018 die Verantwortung für seine Vorgehensweisen als Teil von "Trumps Kult". Doch dann leitet er ihn zur Aussage, dass er bei seiner Verurteilung unter Eid log, um persönliche Folgen abzuwenden. Nach vielen zähen Minuten offenbart sich die Strategie von Trumps Verteidigung: Die Geschworenen sollen an Cohens Aussagen zweifeln.
Ob Cohen denke, dass auch der Trump-Prozess persönliche Folgen für ihn haben werde? "Ja", antwortet dieser. Blanche kann ihm damit vor den Geschworenen als jemand hinstellen, der auch dieses Mal unter Eid lügen könnte, da er doppelmoralisch und keinesfalls geläutert, sondern auf seinen eigenen Vorteil hin handelt. Am ersten Tag des Kreuzverhörs hatte Blanche ausführlich Cohen zu seinen Büchern, Podcasts und Fernsehauftritten befragt sowie den finanziellen Profit, den er aus der gerichtlichen Auseinandersetzung um sein früheres Idol schlägt.
Alles nur Rache?
"Sie wollten unbedingt im Weißen Haus arbeiten, oder?", fragt Blanche. "Nein", erwidert Cohen. "Hofften Sie, Stabschef zu werden?" - "Nein." Blanche macht weiter mit verschiedenen Personen, mit denen Cohen eben darüber geredet haben soll. Cohen wehrt sich ausführlich. Er habe immer persönlicher Anwalt des Präsidenten sein wollen, von Anfang an. Blanche versucht detailreich zu belegen, dass Cohen eine wichtigere Rolle wollte und reitet darauf herum. Seit Jahren schon unterstellt ihm Trump, dass Cohen sich enttäuscht und mit Rachegelüsten gegen ihn gewandt hat.
Blanches Ton wird von Frage zu Frage lauter, er gräbt sich jetzt zum Kern der Anklage vor. Demnach habe Trump sich wegen seines großen Interesses am Schweigegeld für Stormy Daniels regelmäßig von Cohen informieren lassen und jeden Schritt abgesegnet. Doch mit Textnachrichten vor einem entscheidenden Anruf zeichnet die Verteidigung eine andere Situation nach: Cohen habe seine Aussage über ein Telefongespräch mit Trump im Oktober 2016 erfunden. Blanches Fragen bleiben äußerst intensiv und angriffslustig, es ist womöglich der entscheidende Moment, um Cohens Aussage über Trumps Wissen um die Zahlungen auseinanderzunehmen. Doch der Richter unterbricht: "Ich glaube, jetzt ist ein guter Moment für die Mittagspause."
Danach versucht die Verteidigung, Cohen als jemanden darzustellen, der eigenständig vorging, wie er wollte, und sich mitnichten immer Trumps Zustimmung einholte, wie er es über die Schweigegeldzahlung an Stormy Daniels sagt. Auch als jemand, der sich unmöglich an einen kurzen Anruf bei Trump von vor sechs Jahren erinnern könne, da er rund 50 Telefonate täglich geführt habe. Cohen wehrt sich - er rede schließlich seit Jahren darüber und die Gespräche mit Trump über Stormy Daniels hätten immense Bedeutung für ihn. Blanche versucht, Trump aus der Verantwortung zu nehmen. Die 130.000 Dollar, die Cohen zahlte, bot auch ein US-Fernsehsender für die Geschichte um Stormy Daniels. "In ihrem Kopf - in ihrem Kopf - ging es darum, dass es eine Einigung gibt und die Geschichte nicht veröffentlicht, oder dass sie veröffentlicht wird", wirft er dem Zeugen vor.
Trumps Verteidigung hat nicht genug
Kurz danach entscheidet der Richter, die Verhandlung in der kommenden Woche fortzusetzen. Merchan erinnert die Geschworenen daran, bis dahin weder über den Fall zu sprechen, noch sich darüber aus anderen Quellen zu informieren. Cohen saß nun schon mehrere Tage im Zeugenstand, zunächst für die Anklage, danach insgesamt sieben Stunden im Kreuzverhör der Verteidigung, die am Montag fortgesetzt wird. Und so ist Trumps früherer Fixer eine Hauptfigur in zwei unterschiedlichen Geschichten.
In der einen Darstellung ist er der Kronzeuge der Anklage und ehemalige Anwalt Trumps, der alles für diesen tat, 2018 seinen "moralischen Kompass" und Loyalität zu seiner Familie wiederfand, seine Taten jedoch bereut und deshalb nun ehrlich auspackt. In der anderen führt Cohen einen persönlichen Rachefeldzug mithilfe der Staatsanwaltschaft gegen Trump; darin lügt der frühere Jurist, wie es ihm gefällt, wenn er davon profitiert und deshalb sein Ex-Chef ins Gefängnis wandert. Die Wahrheit, die liegt womöglich irgendwo dazwischen.
Quelle: ntv.de