Politik

Bodenfrost hilft auch nicht Dauerfeuer im Donbass verhindert Winteroffensive

Ukrainische Soldaten verladen Feuerholz: Immer mehr westliche Länder kündigen Hilfe in Form von Panzerlieferungen an.

Ukrainische Soldaten sammeln Brennholz in ihrer Stellung an der Donbass-Front.

(Foto: picture alliance / AA)

Das Schlachtfeld im Osten der Ukraine hat sich verändert. Weniger Schlamm, mehr gefrorene Böden. In der Theorie sind das gute Voraussetzungen für eine Winteroffensive. Doch dazu wird es wohl nicht mehr kommen, weil Ukrainer und Russen sich gegenseitig zermürben.

Mitte Januar sind die Temperaturen im Donbass auf bis zu minus 20 Grad gesunken. Auch tagsüber zeigten die Thermometer in dieser Zeit höchstens minus 5 Grad an. Die Bedingungen machen das ohnehin lebensfeindliche Leben an der Kriegsfront noch lebensfeindlicher. Sie eröffnen aber auch neue Möglichkeiten für größere Truppenbewegungen und Winteroffensiven: Schweres Kriegsgerät kann sich auf dem harten, gefrorenen Untergrund viel besser und schneller bewegen als im herbstlichen Matsch.

Und konstante Plusgerade sind im Osten der Ukraine in den nächsten Wochen nicht zu erwarten. "Das bedeutet, nachts gibt es sowieso durchweg Frost. Tagsüber bleibt es auch immer wieder unter null Grad. Insofern bleiben die Böden gefroren", prognostiziert ntv-Meteorologe Björn Alexander im Podcast "Wieder was gelernt".

Trotzdem sind größere Offensivoperationen im Osten der Ukraine in den verbleibenden Wintermonaten unwahrscheinlich. Denn die Soldaten beider Seiten gehen mittlerweile auf dem Zahnfleisch. Seit Monaten schon liefern sie sich vor allem im Donbass einen blutigen Abnutzungskampf, ohne größere Verschiebungen an der Front.

Reserven werden im Donbass verschlungen

Die Russen haben zuletzt die kleine Stadt Soledar eingenommen und versuchen nach wie vor, auch das größere Bachmut zu erobern. Eine größere Offensive sei darüber hinaus aber derzeit nicht zu erwarten, analysiert Sicherheitsexperte Nico Lange bei ntv. "Russland hat jetzt fünf Monate benötigt, um eine Kleinstadt mit vorher 10.000 Einwohnern zu erobern. Wir dürfen nicht so eine mythologische Gefahr aufbauen, dass Russland irgendwelche riesigen Kräfte zurückgehalten hätte, um damit noch weiter zu eskalieren."

Lange attestiert den Russen im Donbass "große Schwierigkeiten". Umso wichtiger sei es, "die Ukraine zu unterstützen, damit sie diesen Krieg beenden kann, bevor Russland sich neu aufstellt".

Für die Ukraine scheinen jedoch ebenfalls nur kleinere Offensiven möglich. Kiews Armee versucht derzeit, die Kontrolle über die von Russland besetzten Frontstädte Swatowe und Kreminna in der Region Luhansk zurückzugewinnen. Das könnte der Ukraine dabei helfen, eine wichtige russische Logistikroute abzuschneiden. Für mehr reicht es derzeit aber nicht. Dazu verschlingt der Abnutzungskampf im Donbass einfach zu viele Reserven.

In Bachmut ist der Krieg am blutigsten

Allein an der Soledar-Bachmut-Front sind sehr wahrscheinlich mehrere Tausend Soldaten beider Nationen gestorben. Vor allem auf russischer Seite sollen hohe Verluste Teil der Kriegsstrategie sein: Die für Russland kämpfenden Wagner-Söldner sollen Tausende Kämpfer opfern, um die Ukraine zu überfordern. Für die Ukrainer gehe es wiederum darum, dass Russland bei seinen Angriffen so viele Soldaten und so viel Material wie möglich verbrauche, erklärt Oberst Markus Reisner vom österreichischen Bundesheer bei ntv. "Die Rekrutierung von Wagner inkludiert auch Häftlinge. Das ist Kanonenfutter. Das klingt sehr menschenverachtend, und das ist es auch."

"Wieder was gelernt"-Podcast

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Nirgendwo sonst ist der Ukraine-Krieg so blutig wie bei Bachmut. Doch im Abnutzungskampf fordert jeder noch so kleine Erfolg einen hohen Preis. Das musste selbst Dennis Puschilin zugeben, der Chef der selbsternannten und von Russland völkerrechtswidrig annektierten Volksrepublik Donezk: Bei der Einnahme von Soledar wurden Tausende Soldaten für eine vergleichsweise kleine Stadt verheizt.

Das schränkt die Offensivmöglichkeiten ein. Ganz egal, ob der Boden gefroren ist oder nicht. "Der Faktor Mensch ist viel wichtiger als die Fahrzeuge, die sie im Winter bewegen können", hatte Ed Arnold zuletzt bei Bloomberg erklärt. Je eisiger das Wetter, desto eher könnten Moral, Mobilität und Logistik auf der Strecke bleiben, sagte der ehemalige britische Offizier.

Und die Wetterbedingungen im Osten der Ukraine sind mit denen in Deutschland nicht zu vergleichen, macht ntv-Meteorologe Björn Alexander deutlich. "Es gab diesen Winter schon viele extrem kalte Phasen, auch mit zweistelligen Minusgraden, vor allem nachts. Die Bedingungen und die Temperaturen sind härter als in Mitteleuropa oder in Deutschland."

Verteidiger bei Minusgraden im Vorteil

Sehr niedrige Temperaturen machen Offensivoperationen nur theoretisch einfacher. In Wahrheit hätten die Verteidiger einen Vorteil, sagt Ed Arnold. Wer in der Defensive ist, könne sich leichter einen Lebensmittelvorrat zulegen, weil man sich nicht oder kaum bewege. Bei einer vorrückenden Truppe sei das anders. Soldaten in der Offensive müssten laufend an sich ändernden Orten versorgt werden, das erschwert die Logistik.

Vor dem Frühjahr ist also keine größere Offensive zu erwarten. Bis dahin werden sich Ukrainer und Russen an der Hunderte Kilometer langen Front im Donbass weiterhin aufreiben - auch bei eisigen Temperaturen. "Die Prognosen des amerikanischen Wetterdienstes sagen einen deutlich zu milden Februar voraus, allerdings auch mit wirklich eisigen Phasen", berichtet Alexander bei "Wieder was gelernt". Das europäische Wettermodell zeige dagegen bereits im Februar Dauerfrost mit teils kräftigen Schneefällen an. "Es werden noch sehr eisige Wochen kommen."

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Beide Seiten können derzeit aber ohnehin keine größeren Offensiven starten. Die Ukrainer hoffen darauf, mit den westlichen Kampfpanzern neue Durchschlagskraft gewinnen zu können. Die Russen spielen nach Ansicht von Militärstrategen auf Zeit, um neue Soldaten mobilisieren und im Frühjahr einen größeren Angriff starten zu können.

Quelle: ntv.de

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