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Staatsanwalt ermittelt Der SPD-Mann und der gefälschte Parkausweis

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Weiß leitet den Untersuchungsausschuss zu den Anschlägen in Hanau.

Weiß leitet den Untersuchungsausschuss zu den Anschlägen in Hanau.

(Foto: picture alliance/dpa)

Der Sozialdemokrat Marius Weiß steht im Verdacht, eine Plakette für die kostenfreie Nutzung der Tiefgarage des hessischen Landtags nachgeahmt und seiner Frau überlassen zu haben. Er fordert die Einstellung der Ermittlungen, schweigt aber ansonsten eisern - was die CDU "extrem erstaunt".

Als die hessische Polizei vergangenen Sommer einmal mehr negative Schlagzeilen produzierte - es ging um Drogenvorwürfe gegen Beamte - tat die SPD im Landtag das, was Oppositionsparteien tun. Sie verlangte von Innenminister Peter Beuth von der CDU "auch in diesem Fall vollumfängliche Aufklärung, eine neue Fehler- und Führungs- sowie eine transparente Informationskultur".

Dieser Tage haben die in Hessen gemeinsam mit den Grünen regierenden Christdemokraten den Spieß umgedreht und fordern von der SPD volle Aufklärung sowie eine nachvollziehbare Fehler- und offensive Informationskultur. Der Grund: der sozialdemokratische Abgeordnete Marius Weiß, Vorsitzender des Untersuchungsausschusses zu den rassistisch motivierten Morden von Hanau, steht im Verdacht der Urkundenfälschung - und zwar in Komplizenschaft mit seiner Ehefrau, die als Justiziarin für die SPD-Fraktion arbeitet. Damit ist sie Landesbeamtin.

Weiß, der vor dem Einstieg in die Berufspolitik als Rechtsanwalt tätig war, soll einen unentgeltlichen Parkausweis nachgeahmt haben, damit seine Gattin auch in der Zeit in die Tiefgarage des Landtages fahren kann, in dem dieser zusammenkommt. Das ist nämlich in Sitzungswochen allein den Abgeordneten vorbehalten. Mitarbeiter des Landtages, die nicht schwerbehindert sind, müssen dann kostenpflichtig in andere Parkhäuser ausweichen oder mit den Öffentlichen zur Arbeit fahren. Die Plaketten, die das Abstellen des Autos in dem Parlamentskomplex gestatten, sind personengebunden. Kontrolleuren sei die Fälschung aufgefallen, heißt es im Landtag. Mehrere Hinweise, dass der mutmaßliche Schwindel aufgeflogen sei, hätten Weiß und seine Ehefrau ignoriert.

Was bedeutet "zügige Aufklärung"?

Für Verwunderung sorgt, dass sich weder Weiß noch dessen Fraktion und die hessische SPD-Landesvorsitzende, Bundesinnenministerin Nancy Faeser, in irgendeiner Form inhaltlich zu den Vorwürfen äußern. Der Sozialdemokrat und Faeser reagierten nicht auf eine Anfrage. Ein Fraktionssprecher teilte Ende April mit, Weiß habe seine Kollegen in den letzten März-Tagen über das Ermittlungsverfahren informiert. Solange das nicht beendet sei, "können wir uns dazu nicht weiter äußern". Auch der Beschuldigte werde sich "in der Sache bis auf Weiteres nicht öffentlich einlassen".

Allerdings erklärte der Sprecher auch: "Die Fraktion hat Herrn Weiß gebeten, zu einer zügigen Aufklärung des Sachverhalts beizutragen." Unklar ist, was die hessischen Sozialdemokraten unter "zügig" verstehen. Denn schon einen Monat zuvor hatte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", die den Fall offenlegte, einen Sprecher der Fraktion mit den Worten wiedergegeben, "dass die im Raum stehenden Vorwürfe schnell aufgeklärt werden und dass der betreffende Abgeordnete diesen Klärungsprozess aktiv unterstützt".

Just an dem Tag, an dem der Fraktionssprecher auf Anfrage von ntv.de reagierte, zitierte die "Frankfurter Rundschau" Weiß mit den Worten, sein Anwalt habe die Einstellung des Verfahrens beantragt. Der Abgeordnete, immerhin stellvertretender Vorsitzender seiner Fraktion, machte keine Angaben, wie der Jurist das Ansinnen begründet.

Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden bestätigt, dass gegen zwei Beschuldigte wegen "Kopierens und Gebrauchmachen eines Parkausweises für das Parkhaus des Hessischen Landtages, somit Urkundenfälschung, vorgeworfen" werde, ohne den Namen zu nennen. Auf Anfrage erklärte sie zu der Forderung des Anwalts, "dass das betreffende Verfahren bislang keiner Abschlussverfügung zugeführt worden ist". Heißt: Einstellung ist nicht in Sicht. Ein Antrag auf Aufhebung der Immunität von Weiß war nicht notwendig. Im Januar 2019 hatte der Landtag nach Angaben der Anklagebehörde beschlossen, für die gesamte Wahlperiode pauschal auf Schutz der Parlamentarier vor staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu verzichten.

Im Oktober ist Landtagswahl, die SPD kommt in Umfragen auf maximal 21 Prozent, während die CDU auf bis zu 32 Prozent davongezogen ist. Am 17. Juni vergibt ein Landesparteitag die Listenplätze der Sozialdemokraten, Weiß dürfte sich wieder um ein Mandat bewerben. Vor der Basis bemühte er sich um Schadensbegrenzung. Nach immer neuer Berichterstattung über den Fall bat Weiß einem FAZ-Bericht zufolge "unter Tränen und mit brechender Stimme" den SPD-Unterbezirk Rheingau-Taunus um Verständnis für sein Schweigen, ohne die Vorwürfe zu bestreiten. Er deutete demnach dunkle Machenschaften gegen ihn an. "Ich will jetzt nicht über Hintergründe, Zeitpunkt und Motivation der ganzen Debatte spekulieren", zitierte ihn die Zeitung. Die Situation sei "für meine ganze Familie extrem belastend", aber auch die SPD. "Das weiß ich und das tut mir von Herzen leid."

CDU "extrem erstaunt"

Für Kopfschütteln im Parlament sorgt, dass der Sozialdemokrat mit seinem Schweigen den eher skurrilen Fall zum medialen Aufreger macht. Die CDU ist "extrem erstaunt" über das Verhalten des Sozialdemokraten und seiner Frau, zumal beide Volljuristen sind, wie der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Holger Bellino, auf Anfrage sagte. Schließlich sei Weiß "mit hochsensiblen Akten" von mehr als einem Dutzend Behörden, darunter des Generalbundesanwalts, zu den Attentaten von Hanau betraut. Gerade hier dürfe und müsse man "Integrität und Pflichtbewusstsein voraussetzen können", damit der SPD-Abgeordnete den Vorsitz des Ausschusses "mit der gebotenen Souveränität und Autorität" ausüben könne.

Das Schweigen der SPD zu den "erschütternden Vorgängen" sei sehr verwunderlich, sagte Bellino. "Faeser kann nicht immer abtauchen, wenn es kritisch wird." Dies habe sie schon in ihrer Zeit in Hessen so gemacht. Vorwürfe müssten schnell aufgeklärt und ausgeräumt werden. "Andernfalls bedarf es umgehender Konsequenzen." Der Antrag auf Verfahrenseinstellung sei nicht nachvollziehbar. "Wenn eine Urkundenfälschung vorlag, dann muss diese auch strafrechtlich verfolgt werden."

Torsten Felstehausen, Parlamentarischer Geschäftsführer der Linken-Fraktion, erklärte, unter den "vielen Privilegien" der Abgeordneten gehöre der Parkplatz im Landtagskomplex zu den "unbedeutendsten". Sollte sich der Vorwurf bestätigen, hätte seine Partei von Weiß erwartet, dass er sich all der Vorzüge "bewusst ist und diese nicht für einen vermeidlichen persönlichen Vorteil missbraucht". Es sei sein gutes Recht, sich nicht zu äußern. Allerdings riet er der SPD-Fraktion, "den Mut zu haben, öffentlich ihre Haltung zu Herrn Weiß zu erklären. Für Klarheit muss bis spätestens zur Aufstellung der SPD-Landesliste gesorgt werden."

Quelle: ntv.de

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