Abschieben mit Geert Wilders Der Uganda-Plan der Niederlande steht ganz am Anfang
21.10.2024, 20:37 Uhr Artikel anhören
Geert Wilders führt die größte Fraktion im Parlament an, Dick Schoof die Regierung der Niederlande.
(Foto: picture alliance / ANP)
Albanien, Ruanda und nun Uganda: Auch die niederländische Regierung prüft, Asylbewerber in einen Drittstaat abzuschieben. Hinter dem Plan steckt vor allem die Partei des Rechtsaußen-Politikers Geert Wilders. Der bestimmt nun die Migrationspolitik mit - und will tiefgreifende Veränderungen durchsetzen.
Während ihrer Uganda-Reise hat die niederländische Ministerin für Entwicklungszusammenarbeit, Reinette Klever, überraschende Pläne zur Migrationspolitik vorgestellt. "Abgelehnte Asylsuchende sollen nach Uganda", verkündete die Ministerin in der vergangenen Woche im öffentlichen Fernsehen. Die Menschen würden dort "ein Stück Land bekommen, um ein Haus zu bauen", sagte Klever. Die Politikerin der Freiheitspartei PVV des Rechtspopulisten Geert Wilders hatte das Entwicklungshilfeministerium eigentlich abschaffen wollen. Dann aber wurde die PVV stärkste Kraft im Parlament, gelangte unter Premierminister Dick Schoof erstmals in die Regierung - und Klever übernahm das Ministerium.
Seit seinem Sieg bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im vergangenen Herbst bestimmt Wilders die Geschicke der Niederlande faktisch mit. Er ist das einzige Parteimitglied der PVV, deren Abgeordnete und Minister von Wilders handverlesen sind. Der langjährige Regierungschef Mark Rutte hatte eine Kooperation seiner liberal-konservativen Partei VVD mit Wilders noch ausgeschlossen. Rutte ist inzwischen NATO-Generalsekretär. Seine Nachfolgerin bei den Liberalen, Parteichefin Dilan Yesilgöz, ermöglichte eine Regierungsbildung unter Einbeziehung der PVV. Die in der Türkei geborene Yesilgöz kam als Flüchtling ins Königreich an der Nordsee und verantwortet nun die von Wilders verlangte Wende in der Asylpolitik mit.
Wachsende Bevölkerung, knappen Wohnraum
Die neue Regierung mit dem parteilosen Ex-Geheimdienstchef Dick Schoof an der Spitze hat die Migration als wichtigste Baustelle ausgemacht. Mit 38.000 Erstanträgen auf Asyl war der Andrang im vergangenen Jahr deutlich niedriger als in Deutschland, wo auf ein fünfmal so große Bevölkerung fast zehnmal so viele Erstanträge (330.000) kamen. Dabei gehen die mit der Zuwanderung verbundenen Problemlagen nicht allein auf die Gruppe der Flüchtlinge zurück.
Die Bevölkerung der Niederlande wächst und wächst. Inzwischen leben im deutschen Nachbarland 18 Millionen Menschen. In großen Städten wie Amsterdam bekommen Normalverdiener kaum mehr eine Wohnung. Sie konkurrieren um Wohnraum mit hochqualifizierten ausländischen Arbeitskräften, für die Großkonzerne mehrere tausend Euro Monatsmiete zahlen.
Um den knappen Wohnraum buhlen auch einfache ausländische Arbeitnehmer. Arbeiter aus Osteuropa haben in den letzten Jahren auf den Baustellen geschuftet, in den vielen Gewächshäusern geerntet. Ohne Polinnen und Polen hätten die Fabriken, Krankenhäuser und Pflegeheime der Niederlande ein Problem. Trotzdem machte Wilders schon vor Jahren Stimmung gegen polnische Arbeitnehmer und richtete gar eine 'Meldestelle' ein für Menschen, die ihren Job an einen Osteuropäer verloren haben.
Deutsche Studierende
Ein weiterer Dorn im Auge sind der neuen Haager Regierung die gut 300.000 ausländischen Studenten. Die kommen mit einem Anteil von 25.000 Personen oft aus Deutschland, schätzen die englischsprachigen Studiengänge und bringen den Universitäten viele Studiengebühren. Allerdings verknappen sie zusätzlich den begrenzten Wohnraum. Der Koalitionsvertrag fordert deshalb eine Obergrenze für ausländische Studierende.
Zudem will Ministerpräsident Schoof Grenzkontrollen einführen, um gegen die irreguläre Migration vorzugehen. Dabei geht die Haager Regierung noch weiter als die Ampelkoalition in Berlin: Sie möchte - wie auch Polens Ministerpräsident Donald Tusk - aus dem EU-Asylsystem aussteigen. Vor kurzem hatte Schoof eine so genannte 'opt-out'-Ausnahmeregelung in Brüssel beantragt.
Umstritten ist, wie selbstbestimmt Schoof tatsächlich regiert und wie sehr Geert Wilders in Wahrheit die Fäden in der Hand hält. Schließlich war es Wilders, der bei den Koalitionsgesprächen den Namen Schoof ins Spiel gebracht hatte . Bei der ersten Parlamentsdebatte im Juli aber kam es zum Eklat: Den Vorwurf, im Kabinett säßen Rassisten, war Schoof aus Wilders Sicht nicht entschieden genug entgegengetreten. Er stellte daraufhin Schoof im Parlament als Weichei dar.
Radikalisierung
Wilders und seine Ministerinnen fachen die die öffentliche Debatte zum Thema Migration regelmäßig immer weiter an. Die von der PVV entsandte Asylministerin Marjolein Faber sagte etwas, sie wolle auf Asylheimen "Abschiebe-Plakate" sehen mit Aufschriften wie "Hier wird an Ihrer Rückkehr gearbeitet". Solche Schriftzüge habe sie angeblich bei einem Arbeitsbesuch in Dänemark an dortigen Asylunterkünften hängen sehen. Allerdings war das eine Lüge, die Plakate gibt es so nicht in Dänemark.
Auch der Uganda-Vorschlag ist mehr Provokation als wirklicher Plan: Premier Schoof bezeichnete die Ausweisung von abgelehnten Asylsuchenden nach Uganda zwar als "innovative Lösung", ist von dem Vorstoß der PVV-Ministerin Klever aber überrascht worden. Womit Schoof nicht allein ist: Der Außenminister von Uganda erklärte, nicht mit der niederländischen Ministerin Klever über diesen ominösen Plan gesprochen zu haben. Auf Nachfrage der Nachrichtenagentur AFP sprach ein Sprecher von Klever von "einem frühen Stadium", in dem sich die Idee befände. Doch die Parallelen zum - gescheiterten - Ruanda-Plan der britischen Konservativen oder dem italienischen Flüchtlingslager in Albanien sind offensichtlich.
Die Eignung Ugandas für ein derartiges Vorhaben ist aber besonders fraglich: In die pro-russische Diktatur von Machthaber Yoweri Museveni sind bereits fast zwei Millionen Flüchtlinge aus den Bürgerkriegsländern Sudan und Kongo geflohen. Homosexuelle Menschen werden staatlich verfolgt, ihnen droht die Todesstrafe. Niederländische Experten werten daher Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber nach Uganda als Verstoß gegen europäisches Recht.
Klevers Vorpreschen ist auf Linie mit ihrer bisherigen Karriere: Vor ihrer Amtszeit war sie bei dem ultrarechten Sender ON angestellt, der öffentlich-rechtlich finanziert ist und allerhand Verschwörungstheorien über Corona und Ukraine verbreitet. In einer parlamentarischen Anhörung weigerte sich Klever, sich von der verschwörungsideologischen Erzählung einer 'Umvolkung' zu distanzieren. Diese besagt, dass eine angebliche Elite die einheimische Bevölkerung insgeheim durch Migranten ersetzen wolle. Klever hatte vor ihrem Amtsantritt entsprechende Behauptungen verbreitet.
Notgesetze gegen Migration
Den harten Migrationskurs soll die Regierung nach Vorstellung von Wilders nun per Notgesetzgebung durchboxen - so wie der ungarische Premier Viktor Orban, Wilders autoritärer Freund. Das Parlament wäre dann erstmal außen vor. Noch geht die Regierungskoalition diesen Schritt nicht mit. Niederländische Verfassungsrechtler warnen eindringlich. Wilders ist der erfahrenste Fraktionschef im Parlament, führt die größte Fraktion an, findet aber bislang keinen Weg, mit einer stabilen Regierung die Migration zu begrenzen.
Seit Jahrzehnten ist Wilders prägende Stimme der niederländischen Politik. (Mit-)Regiert haben er und die ultrarechte PVV aber bisher nie. Kabinettspläne schickt Wilders wie sein amerikanisches Vorbild Donald Trump per Social Media in die Welt. Neulich rief er die Amsterdamer Bürgermeisterin Femke Halsema explizit "zur Ausreise" auf wegen der propalästinensischen Demonstrationen in der Stadt. Deren Teilnehmer bezeichnete Wilders als "Gesindel". Der Mann, der früher Journalisten "Abschaum" nannte, von "Fake-Richtern" und einem "Fake-Parlament" sprach, ist sich treu geblieben.
Quelle: ntv.de