Politik

Evakuierungen aus Kabul beendet Der letzte Flieger ist weg, die Schande bleibt

Ein startendes Flugzeug über Kabul.

Ein startendes Flugzeug über Kabul.

(Foto: picture alliance / AA)

Die Bundeswehrsoldaten haben Afghanistan verlassen. Sie haben Leben riskiert, um Leben zu retten - und doch so viele Menschen zurücklassen müssen. Für die Bundesregierung, allen voran die Kanzlerin, ist dieses Desaster ein bleibender Tiefpunkt.

Diese Bilder werden lange hängen bleiben. Schwer bewaffnete US-Soldaten auf der Mauer des Kabuler Flughafens, Männer und Frauen im Wassergraben, die ihre Ausweispapiere in die Luft recken. Flugzeuge, die in die Freiheit entschwinden. Tote und blutende Afghanen, die nach einem Selbstmordattentat am Kabuler Flughafen im Schmutz liegen.

Zeitgleich stellt die Bundeswehr ihre Rettungsflüge aus Kabul ein, Hals über Kopf - genauso, wie sie sie begonnen hat. Als der letzte deutsche Flieger abhebt, ist es nicht mehr und nicht weniger als eine Flucht. Zurück bleiben Hunderte, wenn nicht Tausende von Afghanen und ihre Angehörigen, die für Deutschland gearbeitet haben und allein deswegen um ihr Leben unter den Taliban fürchten müssen.

Die Soldaten vor Ort trifft keine Schuld. Im Gegenteil: Sie haben ihr Leben riskiert, um das anderer zu retten. Aber sie hingen von der ersten bis zur letzten Minute von den Amerikanern ab, die den Flughafen weitgehend allein gegen die Taliban schützen und darum das Sagen dort haben. Dass die Europäer trotz jahrzehntelanger Bemühungen um eine eigenständige Militärstärke das nicht leisten können - auch das ist ein grelles Zeichen der Ohnmacht.

Frivole Verteidigung der Kanzlerin

Bald werden wir die Geschichten der deutschen Soldaten von Kabul hören und sie werden sich immer auf dieselben Worte reimen: Ohnmacht. Scham. Wut. Ohnmacht im Angesicht einer schier unlösbaren Aufgabe. Scham ob der eigenen Grenzen. Und Wut auf die Politiker und Behörden, die ihnen und vor allem den afghanischen Helfern diesen Einsatz und dieses Ende eingebrockt haben.

Die Bundeskanzlerin verteidigte sich gestern mit den Worten, dass hinterher schlauer zu sein ein Leichtes sei. Das ist von geradezu frivoler Ermattung, das ist eine ziemlich billige Ausflucht, weil man schon vor vier Monaten schlau genug war, öffentlich wie intern auf die Lage der Ortskräfte hinzuweisen - nur richtig gekümmert haben sich die wenigsten in der Bundesregierung. Für dieses Versäumnis, für diese Verantwortungsvergessenheit zahlen die, die nun zurückbleiben. Der letzte deutsche Flieger war ihre vorerst letzte Hoffnung.

Nach dem Ende des Afghanistan-Einsatzes stellen sich viele grundsätzliche Fragen an die deutsche Außenpolitik und ihre Ansprüche, Ziele oder Fähigkeiten. Keine von ihnen ist aus dem Stand zu beantworten. Aber ein Punkt lässt sich heute festhalten: Das kläglich hastige Ende der Rettung all derer, die gerettet zu werden so sehr verdient hätten, markiert einen der schwärzesten Punkte in der Bilanz dieser Bundesregierung.

Quelle: ntv.de

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