Politik

Oligarch und Steuerparadies Der mutmaßliche neue Schalke-Sponsor wirft Fragen auf

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Die nächste Saison wird Schalke in der 2. Bundesliga spielen.

Die nächste Saison wird Schalke in der 2. Bundesliga spielen.

(Foto: picture alliance/dpa)

Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine trennte sich der FC Schalke 04 von seinem Sponsor Gazprom. In der kommenden Saison soll es einen neuen Unterstützer geben. Doch auch dessen Spuren führen nach Russland.

Sponsorengelder in Millionenhöhe durch modernen Wasserstoff. Nach dem Abstieg aus der Bundesliga soll der FC Schalke 04 einen neuen Trikotsponsor bekommen. Ein junges Unternehmen aus Hamm soll das unrühmliche Gazprom-Kapitel verblassen lassen und Schalke ab der kommenden Saison finanziell unterstützen, berichtet der Fernsehsender Sky. Nach Informationen von RTL und ntv lässt sich bestätigen, dass es Kontakt zwischen Schalke und der Firma gibt.

Recherchen von RTL und ntv werfen jedoch Fragen an dem Unternehmen und seinen Geschäftsführern auf. Denn die Verbindungen der Männer hinter der Hydrogen Deutschland GmbH führen bis nach Moskau zu einem einflussreichen Freund Wladimir Putins und in ein karibisches Steuerparadies.

Wer einen Blick auf die Homepage der Hydrogen Deutschland GmbH wirft, findet nicht viel. Die Firma will nach eigenen Angaben in ein Wasserstoff-Ökosystem in Deutschland investieren. Immerhin eine konkrete Zahl wird auf der Website genannt: 550 Millionen Euro plant das Unternehmen zu investieren. Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform bewertet das Unternehmen allerdings skeptisch. Creditreform begrenzt das Kreditlimit von Hydrogen Deutschland auf maximal 1500 Euro. Selbst für ein kleines Unternehmen wäre das eine sehr schlechte Bewertung.

Ein Anwalt und zwei Russen

Für das Management der Firma ist laut Impressum Alexander Schulz zuständig, ein Rechtsanwalt aus Hamm in Westfalen. Schulz ist Fußball- und Schalke-Fan, es gibt Fotos von ihm aus sportlich erfolgreicheren Schalker Zeiten mit dem ehemaligen Stürmerstar Klaas-Jan Huntelaar. Aber auch vor der Südtribüne im Dortmunder Signal Iduna Park hat er sich bereits ablichten lassen.

Was die Website von Hydrogen Deutschland nicht verrät: Schulz führt das Unternehmen nicht alleine. Zur Geschäftsführung gehören seit 2022 zwei Russen. Denis K., wohnhaft in Berlin, und Evgeny S., wohnhaft in Moskau. Diese drei Männer sind die einzigen Mitarbeiter des Unternehmens. Es gibt keine Angestellten, nicht mal ein Sekretariat. Als Investor und Eigentümer der GmbH hat sich gegenüber RTL und ntv ein deutscher Geschäftsmann namens Elmar Becker gemeldet. Zuletzt sei Becker zehn Jahre lang in London geschäftlich aktiv gewesen.

Über Evgeny S. ist im Internet kaum etwas herauszufinden. Er ist 1979 in der russischen Stadt Kasan geboren, eine berufliche Vorgeschichte ist nahezu unbekannt. Sein Name taucht jedoch im Datensatz der sogenannten Paradise Papers auf. Dort wird jemand mit dem Namen Evgeny S. als Geschäftsführer zweier Briefkastenfirmen auf Malta geführt. Evgeny S. bestreitet auf Anfrage diese Person zu sein. Über Denis K. hingegen lässt sich durch unsere Recherchen mehr herausfinden.

Karriere bei Russlands mächtigster Bank

Denis K., geboren 1976 in Moskau, kann auf eine bewegte berufliche Laufbahn zurückblicken. Seine Ausbildung beginnt nach eigenen Angaben an der Moskauer Staatsuniversität. Dort soll er Mitte der 1990er Jahre am Institut für Nuklearphysik studiert haben.

Anschließend arbeitet er bis 2011 als Softwareentwickler und Manager in verschiedenen russischen Unternehmen. Von 2011 bis 2013 ist er Geschäftsführender Direktor bei Sberbank Technology, einer Tochterfirma der russischen Sberbank, Russlands größtem Finanzinstitut. Die Sberbank ist im Zuge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine von vielen westlichen Staaten hart sanktioniert worden.

Ein umstrittener Oligarch als Chef

2013 wechselt Denis K. erneut den Job und wird Vizepräsident der Finstar Financial Group. Finstar beschreibt sich selbst als privates Investmentunternehmen, das genaue Geschäftsmodell ist jedoch undurchsichtig. Mehr ist dafür über den Eigentümer bekannt: Oleg Boyko, ein milliardenschwerer russischer Oligarch. Für den als Vizepräsident fungierenden Denis K. war Boyko der Vorgesetzte. Das bestätigt Denis K. auf Anfrage

Boyko ist international bekannt - auch verschiedenen Behörden. Kanada und Australien haben ihn auf ihre Sanktionslisten gesetzt, weil sie ihn für einen Unterstützer von Wladimir Putin halten. In einem Papier des Geheimdienstausschusses des US-Senats heißt es zudem: "Boyko hat besorgniserregende Verbindungen zur russischen Regierung, zu russischen Geheimdiensten und zum organisierten Verbrechen in Russland." Der Sprecher von Herrn Boyko betont indes, dass dieser keine Verbindungen zur russischen Regierung, zu russischen Geheimdiensten und zum organisierten Verbrechen in Russland hat oder gehabt hat.

Oleg Boyko verfügt über ein weit verzweigtes Netz an Firmen, die ihm zum Teil nicht selbst gehören, sondern Mitgliedern seiner Familie. Ein ehemaliger Mitarbeiter beschreibt im Interview mit RTL/ntv die Führungsriege von Finstar um Boyko und Denis K. als geschlossenen Kreis, der Anweisungen nach unten delegierte und seinen Mitarbeiter über viele Geschäfte im Unklaren ließ. Konkrete Beweise für illegale Geschäfte der Finstar Financial Group kann er selbst nicht liefern.

Hat der neue mutmaßliche Schalke-Sponsor Denis K. Kenntnis von Oleg Boykos zweifelhaften Geschäftspraktiken? Und besteht zwischen den beiden Männern weiterhin Kontakt? Auf eine Anfrage von RTL/ntv hat Denis K. reagiert und das bestritten. Es habe eine "professionelle Arbeitsbeziehung" gegeben, aber keine private. Seit 2016 hätten sie keinen Kontakt mehr.

Hohe Schulden in Spanien

Auch der weitere Karriereweg des mutmaßlichen Schalke-Sponsors in Deutschland ist rätselhaft. Fakt ist, Denis K. wechselte 2015 von Moskau nach Berlin zu Finstar Labs, einem weiteren Unternehmen in Oleg Boykos Imperium.

Auch in Spanien ist Denis K. aktiv. Im Juni 2018 wird er Geschäftsführer eines Finanzunternehmens, das über die Online-Plattform Mintos Beteiligungen an Investitionen in Darlehen anbietet. Zunächst ist das Unternehmen als EuroOne eingetragen, später als Rapido Finance. Die Namensrechte gehören einer Briefkastenfirma auf den Britischen Jungferninseln. Die Inselgruppe in der Karibik ist nicht erst seit Veröffentlichung der Panama Papers eine weltbekannte Steueroase.

Im Dezember 2019 meldet die Plattform Mintos, dass Rapido Finance keine Zahlungen mehr an seine Anleger tätigt. Insgesamt schulde Rapido Finance seinen Anlegern rund 430.000 Euro.. Das Unternehmen meldet 2019 Insolvenz an. Diese berufliche Station gibt Denis K. nicht in seinen Lebensläufen an. Auf Anfrage erklärt Denis K., dass er nur Geschäftsführer der Firma gewesen sei, um die erfolgreiche Integration einer Software sicherzustellen, die eine andere Firma, von der ebenfalls Geschäftsführer war, an Rapido Finance geliefert hat.

Diese Firma ist die Berliner Prodigy AI GmbH, die Denis K. ab 2017 als Geschäftsführer leitet. Sie gehört wiederum der Firma auf den Britischen Jungferninseln. Das Unternehmen beschäftigte nur zwei Mitarbeiter und muss 2019 Insolvenz anmelden.

Wir haben Denis K. eine ausführliche Liste mit Fragen zu den Schulden in Spanien, seinen Verbindungen zu Oleg Boyko und der Briefkastenfirma auf den Britischen Jungferninseln zugeschickt. Er bestätigt die Firma auf den Britischen Jungferninseln zu kennen, bestreitet jedoch, geschäftlich mit ihr zu tun gehabt zu haben.

Auch Alexander Schulz und Evgeny S. reagieren auf unsere Anfragen. Evgeny S. gibt an, er sei noch nie in seinem Leben auf Malta gewesen, und besäße auch keine Briefkastenfirmen dort. Der Investor der Hydrogen Deutschland GmbH gibt auf Anfrage an, er habe Schulz, Denis S. und Evgeny S. zusammengebracht und sei von der "Integrität und Vertrauenswürdigkeit" der drei Geschäftsführer zu 100 Prozent überzeugt.

Schalke 04 haben wir ebenfalls mit den Recherchen konfrontiert. Der Verein möchte sich nicht äußern. Der Neustart in eine saubere Sponsoren-Zukunft bei Schalke, er beginnt mit vielen Fragezeichen.

Nachtrag: In einer früheren Version dieses Artikels wurden irrtümlicherweise die Panama Papers genannt. In diesem Datensatz taucht der Name Oleg Boyko nicht auf.

Quelle: ntv.de

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