"Wachsende Bedrohung" Deutsche Juden sorgen sich um Sicherheit
24.04.2017, 13:12 Uhr
In Deutschland lebende Juden sorgen sich zunehmend um ihre Sicherheit - wegen des sich ausbreitenden Antisemitismus.
(Foto: dpa)
Antisemitismus unter Muslimen wird für Juden in Deutschland zu einem immer größeren Problem. Gerade über das Internet wird massiv Hetze betrieben. Eine neue Instanz soll für mehr Sicherheit sorgen. Das größere Risiko schwelt indes an anderer Stelle.
Juden in Deutschland sehen Antisemitismus unter Muslimen als wachsendes Problem. Das geht aus dem Bericht einer Expertenkommission hervor. Internet und soziale Medien seien zu zentralen Verbreitungsinstrumenten von Hassbotschaften und Hetze geworden. Die Juden sorgen sich aufgrund alltäglicher antisemitischer Erfahrungen um ihre Sicherheit. Außerdem fühlten sie sich durch den Rechtspopulismus verunsichert. Die Experten fordern deshalb unter anderem die Einsetzung eines nationalen Antisemitismus-Beauftragten. Dieser solle die bestehenden Bemühungen im Kampf gegen den Antisemitismus koordinieren.
Juden sehen sich nach eigener Wahrnehmung in Deutschland "einer wachsenden Bedrohung" ausgesetzt. Diese würde häufig nicht als Straftatbestand bewertet, würde nicht angezeigt oder von den Strafverfolgungsbehörden nicht als antisemitisch eingestuft. Der Expertenkreis fordert deshalb ein verbessertes Erfassen und Ahnden der Taten sowie bessere Beratungsangebote für Betroffene. Die Sachverständigen warnen aber zugleich vor voreiligen Schlussfolgerungen. Das rechtsextremistische Lager sei nach wie vor der bedeutendste Träger des Antisemitismus in Deutschland.
Undifferenzierte Bewertung
Historikerin Juliane Wetzel aus der Expertenkommission sagte: "In der Öffentlichkeit steht die Gruppe der Muslime als vermeintliche Hauptverursacher des Antisemitismus im Fokus. Mit der Flüchtlingswelle haben solche Zuschreibungen noch zugenommen." Der Rechtsextremismus sei dagegen als zentrales Milieu antisemitischer Inhalte in der Wahrnehmung in den Hintergrund getreten. Muslimische Verbände und Moscheegemeinden würden indes undifferenziert als Hort antisemitscher Agitation gesehen, Imame als Hassprediger charakterisiert, sagte Wetzel. Untersuchungen, die dies untermauern könnten, gebe es jedoch kaum. Antisemitismus unter Muslimen müsse deshalb beobachtet werden.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, bezeichnete den vorgelegten Bericht als "ernüchternde Analyse". Es werde deutlich, "dass wir im Kampf gegen Antisemitismus nicht nachlassen dürfen, zumal das Internet unendliche Möglichkeiten bietet, Antisemitismus weltweit und rasant zu verbreiten", erklärte er. Auch der Zentralrat fordert daher einen Antisemitismus-Beauftragten.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), unterstützt die Idee Schusters, Besuche in KZ-Gedenkstätten in Integrationskursen für muslimische Flüchtlinge aufzunehmen. Schuster hatte in der "Welt am Sonntag" gefordert, antisemitische Einstellungen in den Integrationskursen zu einem zentralen Thema zu machen. Solche Kurse könnten keine Wunder bewirken, schränkte er dabei ein. Vielleicht ließe es sich aber einrichten, "dass Kursteilnehmer eine KZ-Gedenkstätte oder ein jüdisches Museum besuchen".
Quelle: ntv.de, tno/dpa/AFP