Eklat um Botschafter-AusweisungDeutsche Politiker widersprechen Erdogan
Der Streit ist entschärft, die Botschafter westlicher Staaten werden nicht ausgewiesen. Entsprechend feiert die türkische Presse den Präsidenten. Deutsche Politiker hingegen widersprechen Erdogan. Der Westen werde weiter die Umsetzung aller internationalen Urteile fordern, heißt es.
Mehrere deutsche Außenpolitiker haben die Einschätzung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zurückgewiesen, dass sich sein Land im Streit über die angedrohte Botschafterausweisung durchgesetzt habe. "Der Westen wird weiter von der Türkei die Umsetzung aller internationalen Urteile fordern. Das gilt auch für das Kavala-Urteil des Menschenrechtsgerichtshofes", sagte der außenpolitische Sprecher der Union, Johann Wadephul, der Nachrichtenagentur Reuters. "Der Europarat hat hier eine Frist auf November gesetzt. Es darf unsererseits kein Wackeln geben."
Hintergrund ist, dass die Botschafter Deutschlands, der USA und acht anderer westlicher Länder die Freilassung des seit 2017 inhaftierten Menschenrechtlers Osman Kavala gefordert hatten. Erdogan hatte daraufhin ihre Ausweisung angekündigt, dies aber am Montag zurückgenommen, nachdem die Botschaften erklärt hatten, sich an diplomatische Konventionen zu halten und sich nicht in innere Angelegenheiten eines Gastlandes einzumischen.
Auch die Außenexperten von Grünen und FDP sehen kein Zurückweichen des Westens. "Das unberechtigte Triumph-Gehabe aus Ankara hilft nicht, um die Wogen zu glätten", sagte der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour. "Und es hält uns sicher nicht davon ab, konsequent für Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte einzutreten. Auch für die Rechte Osman Kavalas." Ähnlich äußerte sich der außenpolitische Sprecher der FDP, Bijan Djir-Sarai. "Eine Einmischung in die innere Angelegenheit der Türkei wäre falsch. Trotzdem darf die internationale Gemeinschaft zu Fragen der Menschen- und Bürgerrechte in der Türkei nicht schweigen. Das ist keine Einmischung, sondern der notwendige Einsatz für Werte", sagte er.
Menschenrechtsgerichtshof ordnete Freilassung an
Der türkische Präsident hatte auf die von ihm zuvor angekündigte Ausweisung von zehn Botschaftern verzichtet, nachdem die Botschaften von einer "Verleumdung unseres Landes und unserer Nation einen Schritt zurückgetreten" seien, wie er sagte. Die US-Botschaft und mehrere weitere westliche Vertretungen hatten zuvor mitgeteilt, sie hätten sich an eine diplomatische Konvention gehalten. "Die Vereinigten Staaten stellen fest, dass sie Artikel 41 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen einhalten", hatte etwa die US-Botschaft getwittert. Ähnlich äußerten sich die anderen Botschaften.
Die Bundesregierung hatte zudem betont, dass die Kritik am türkischen Vorgehen legitim sei, weil man nur die Umsetzung eines Urteils des europäischen Menschenrechtsgerichtshofs und damit eines internationalen Urteils fordere. Kavala sitzt seit 2017 in Untersuchungshaft, ohne Verurteilung. Der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg hatte bereits 2019 seine Freilassung angeordnet.
Türkische Presse lobt Erdogan
Dagegen sieht sich Erdogan als Gewinner des Streits - und wird von der türkischen Presse gefeiert. Erdogan habe den "maßlosen Botschaftern" und ihre Verbündeten im Inland eine "historische Lektion in Souveränität" erteilt, schrieb die Zeitung "Sabah" unter dem Titel "Die Botschafter haben unsere Rechte zu respektieren".
Die Zeitung "Karar" interpretierte die Mitteilung der Botschafter als eine "Kehrtwende vom Fehler". In der Krise habe "die Vernunft gesiegt". "Hürriyet" mahnte in Richtung der Botschafter: "Das soll ja nicht wieder passieren". Der Präsident habe den Diplomaten eine deutliche Botschaft gegeben. Die "Cumhuriyet" ist dagegen deutlich kritischer: Leidtragende seien im Endeffekt die Menschen in der Türkei. Der diplomatische Zwist hatte die ohnehin strauchelnde Währung Lira weiter im Wert sinken lassen.
Der unabhängige Kommentator und Journalist Murat Yetkin sagte, er glaube, der Vorfall habe sowohl dem Ansehen der Botschaften als auch Osman Kavala selbst geschadet. Nun werde dieser erst recht nicht freigelassen. Kavala sei der "größte Verlierer" dieser Krise.
