Schimpfen auf Trump Die SPD stimmt Merkel zu - und attackiert sie
29.05.2017, 19:34 Uhr
SPD-Chef Schulz stimmt Kanzlerin Merkel zu, will sich gleichzeitig jedoch auch von ihr absetzen.
(Foto: imago/photothek)
In zentralen Punkten stimmt die SPD mit der Kanzlerin überein: Da die USA als Führungsmacht ausfallen, muss Europa selbst stärker aktiv werden. Und auch die SPD will keinen Bruch mit den USA. Aber sie legt Wert auf eine deutlichere Konfrontation.
Die SPD hat sich hinter die Äußerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel über die künftige Rolle der Europäischen Union gestellt. Zugleich warfen führende Sozialdemokraten der Kanzlerin vor, nicht deutlich genug geworden zu sein.
So schreibt SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz im "Tagesspiegel" vom morgigen Dienstag, es sei an der Zeit, "dass Europa sich der neuen Situation stellt – mit Realismus, vor allem aber mit Selbstbewusstsein". US-Präsident Donald Trump setze nicht auf internationale Kooperation, sondern auf Isolationismus und das vermeintliche Recht des Stärkeren. Sein Slogan "America first" sei ein Angriff auf das Prinzip des freien Handels und ein Abschied vom Pariser Klimaschutzabkommens. "Wir Europäer dürfen uns der Aufrüstungslogik eines Donald Trump nicht unterwerfen", so Schulz. Anders als Merkel lehnt die SPD eine Erhöhung der Rüstungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts ab.
Hintergrund der Debatte ist der drohende Abschied der USA aus der westlichen Wertegemeinschaft. Merkel hatte dazu am Sonntag bei einer Wahlkampfveranstaltung in München gesagt: "Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei, das habe ich in den letzten Tagen erlebt." Die Kanzlerin fügte hinzu: "Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen. Natürlich in Freundschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika, in Freundschaft mit Großbritannien, in guter Nachbarschaft, wo immer das geht, auch mit Russland, auch mit anderen Ländern. Aber wir müssen wissen, wir müssen selber für unsere Zukunft kämpfen, als Europäer, für unser Schicksal."
Der Auftritt der Kanzlerin in München hatte nicht nur in Deutschland, sondern international für erhebliches Aufsehen gesorgt. In den USA brachten zahlreiche Medien ausführliche Stücke zu dem Thema. Die "Washington Post" etwa schrieb, Merkel habe deutlich machen wollen, dass die EU stärker werden wird, wenn die transatlantischen Beziehungen schwächer werden. Bei CNN hieß es, Merkels Äußerung zeige, dass Trump die Rolle der USA in der Welt drastisch verändern könne.
"Der Westen wird gerade kleiner"
Unterdessen versuchten sowohl die Bundesregierung als auch die CDU, den Eindruck zu zerstreuen, Merkel habe einer Abkehr Deutschlands oder Europas von den USA das Wort geredet. "Da hat eine zutiefst überzeugte Transatlantikerin gesprochen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagte, Merkel habe sich "als erklärte Transatlantikerin" geäußert, "der die deutsch-amerikanische Freundschaft ein Herzensanliegen" sei.
Auch die SPD propagiert keine Abkehr von den USA, sondern stellt – ähnlich wie Merkel – nur fest, dass Washington heute eine andere Rolle spielt als früher. Außenminister Sigmar Gabriel sprach nach dem gescheiterten G7-Gipfel in undiplomatischer Deutlichkeit vom "Ausfall der Vereinigten Staaten als wichtige Nation". Indirekt machte er deutlich, dass die USA seiner Ansicht nach dabei sind, sich aus der westlichen Wertegemeinschaft zu verabschieden: "Der Westen wird gerade etwas kleiner."
Die USA hätten "in der Vergangenheit eine Führungsrolle übernommen", so Gabriel. Auch er sieht die Notwendigkeit, jetzt mehr für den Zusammenhalt Europas zu tun. "Nur dann werden wir die Kraft haben, weltpolitisch glaubwürdig ein Akteur zu sein", sagte der Außenminister. Und auch er hält am transatlantischen Bündnis fest: "Meine feste Überzeugung ist, dass wir als Europäer stärker werden müssen und alles daran setzen werden, die Vereinigten Staaten von Amerika eines Tages wieder zurückzuholen in diese Idee des Westens."
SPD-Chef Schulz wies darauf hin, dass die EU ihre Stärke nutzen müsse, um die Globalisierung gerecht zu gestalten. In der Vergangenheit hätten "viele – zu viele" geglaubt, "der Markt werde es schon richten". Spätestens seit Beginn der jüngsten Welt-Finanzkrise sei aber klar: "Der Verzicht auf klare Regeln ist nicht die Lösung, der Verzicht auf klare Regeln ist das Problem." Allein könne Deutschland es nicht schaffen, die Globalisierung zu gestalten. "Aber die Europäische Union als Ganzes ist der größte Wirtschaftsraum der Welt. Europa kann, Europa muss entscheidenden Anteil daran haben, die Spielregeln der Globalisierung neu zu definieren." Dagegen hatte Regierungssprecher Seibert mit Blick auf die Aufgaben der EU vor allem von wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit und Verteidigungspolitik gesprochen.
Bereits am Sonntag hatte Schulz kritisiert, Merkel hätte sich auf dem Nato-Gipfel, spätestens aber auf dem G7-Gipfel "sehr deutlich positionieren müssen – gegen einen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, der ja andere demütigen will, der ja im Stile eines autoritären Herrschers auftritt". Ähnliche Kritik kam vom SPD-Europapolitiker Axel Schäfer. "Bei diesem Präsidenten kommt es auf absolute Deutlichkeit an. Schweigen oder gutes Zureden werden Trump nicht milde stimmen", sagte Schäfer im Interview mit n-tv.de. "Man erreicht nur Augenhöhe, wenn man klar macht: Ich sehe das anders. Wir werden unsere europäischen Werte und Interessen verteidigen."
Noch sehr viel schärfer äußerte sich SPD-Generalsekretärin Katarina Barley. Sie sagte, Merkel habe vor Trump gekniffen. "Es ist keine Kunst, im Bierzelt über Donald Trump zu schimpfen." Haltung müsse man im direkten Aufeinandertreffen bei den großen Gipfeln zeigen. "Und genau da knickt Merkel vor Trump ein. Sie hat erst dann den Mut, deutliche Worte zu finden, wenn Trump schon wieder weit weg ist."
Quelle: ntv.de, hvo/dpa