Nach der Niedersachsen-Wahl Droht jetzt neuer Ärger in der Ampel?
09.10.2022, 19:07 Uhr
SPD und Grüne können das Wahlergebnis als Erfolg feiern, für die FDP ist es eine Schlappe. Das wiederum könnte das Regieren auch für den Rest der Koalition schwieriger machen.
(Foto: dpa)
Die Landtagswahl in Niedersachsen stand ganz im Zeichen der Energiekrise, Landesthemen spielten kaum eine Rolle. Entsprechend stark dürften die Auswirkungen auf die Bundespolitik sein - vor allem auf die Ampelkoalition.
Zum Abschluss des ersten Wahljahrs nach dem Regierungswechsel in Berlin hat die SPD von Bundeskanzler Olaf Scholz noch einmal die Kurve gekriegt. Ihr Ministerpräsident Stephan Weil geht aus der Landtagswahl in Niedersachsen als Sieger hervor und ist bei der Regierungsbildung nicht einmal auf den bisherigen Koalitionspartner CDU angewiesen.
Nach den ersten Hochrechnungen könnte es für eine rot-grüne Koalition reichen, mindestens aber für ein Dreier-Bündnis mit der FDP - sollte sie in den Landtag kommen.
Bilanz des Jahres für die SPD: zwei Siege, zwei Niederlagen
Für die SPD endet damit das Wahljahr mit einem Sieg. Noch besser hatte es im März begonnen: mit einem Triumph im Saarland, wo Anke Rehlinger die absolute Mehrheit für die Sozialdemokraten eroberte. Im Mai folgten zwei derbe Enttäuschungen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. In beiden Ländern zog der Amtsbonus, die CDU-Ministerpräsidenten wurden wiedergewählt. Das war noch zu verkraften.
Eine Niederlage an diesem Sonntag wäre für die SPD aber einem Desaster gleichgekommen. Niedersachsen ist das einzige der fünf bevölkerungsreichsten Bundesländer, das noch sozialdemokratisch regiert wird. Eine Schlappe dort wäre vor allem Kanzler Scholz und seinen holprigen Bemühungen angelastet worden, die drastisch steigenden Energiepreise abzufedern.
Der Wahlsieg verschafft Scholz nun etwas mehr Beinfreiheit für das weitere Krisenmanagement. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sprach in einer ersten Reaktion von "Rückenwind" für die anstehenden schwierigen Aufgaben. An diesem Montag soll die Gaspreis-Kommission ihre Ergebnisse vorstellen. Auf deren Grundlage will die Bundesregierung entscheiden, wie sie den von Scholz angekündigten "Doppelwumms" zur Senkung der Preise genau gestalten will - vor der Landtagswahl hatte die Ampel das nicht geschafft. Bis spätestens Mitte November werden dann Bund und Länder über die Finanzierung der Entlastungen der Bürger beraten.
Wahlsieger Weil wird für Scholz dann wohl weiter der Hauptverhandlungspartner sein. Er hat Anfang Oktober den Vorsitz in der Ministerpräsidentenkonferenz übernommen, der nun in der Hand des Sozialdemokraten bleiben dürfte. Auch das wird Scholz die weitere Krisenbewältigung erleichtern.
Im Fußball würde bei der FDP die Trainerfrage gestellt
Die von der CDU erhoffte Abstrafung der Ampel ist also ausgeblieben. Mit einer Ausnahme: Die FDP geht als einzige klare Ampel-Verliererin aus der Wahl hervor. Im März im Saarland nicht in den Landtag gekommen; im Mai in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen aus der Landesregierung geflogen; und jetzt in Niedersachsen schon wieder eine Zitterpartie entlang der Fünf-Prozent-Hürde. Da würde im Fußball schon mal die Trainerfrage gestellt - aber bei den Liberalen sitzt Parteichef Christian Lindner fest im Sattel. Öffentliche Kritik an seinem Kurs gibt es so gut wie nicht.
Aber: Lindners Gewicht in der Ampel, wo ihm schwierige finanzpolitische Monate - Stichwort: Verteidigung der Schuldenbremse - bevorstehen, wird durch den Bedeutungsverlust der FDP nicht eben gestärkt. Das könnte zu neuen Profilierungsversuchen und damit auch neuem Ärger in der Ampel führen.
Der stellvertretende Parteivorsitzende Wolfgang Kubicki sagte in einer ersten Reaktion, die Konsequenz aus dem Wahlergebnis müsse sein, dass die FDP ihre Positionen in der Ampel "deutlicher markieren" müsse als bisher.
Grüne können zufrieden sein
Die Grünen konnten ihr Ergebnis zwar deutlich verbessern, aber es wäre wohl mehr drin gewesen. In den Umfragen lagen sie zwischenzeitlich über 20 Prozent. Nun werden sie deutlich unter dieser Marke landen. Auch das könnte für Frust sorgen. Allerdings winkt die Regierungsbeteiligung.
Für Merz endet das Wahljahr durchwachsen
Und die Opposition? CDU-Chef Friedrich Merz wollte den Erfolg in Niedersachsen unbedingt. Ein gutes Dutzend Wahlkampfauftritte absolvierte er dort allein in der letzten Woche vor der Wahl. Kein Wunder, wäre es doch der perfekte Schlusspunkt unter einem weitgehend erfolgreichen Jahr gewesen. Der Verlust der Staatskanzlei im kleinen Saarland war schnell abgehakt, die Wahlerfolge in Schleswig-Holstein und NRW machten das wett. Aber sollte es nun auch in Hannover auf Oppositions- statt Regierungsbank hinauslaufen, wie das die ersten Zahlen nahelegen, wäre die Jahresbilanz doch ziemlich durchwachsen.
Wobei sich Merz zugutehalten kann, die CDU nach der Pleite bei der Bundestagswahl im September 2021 binnen Jahresfrist bundesweit stabilisiert zu haben. In den Umfragen liegt sie wieder rund zehn Prozentpunkte vor der SPD, wenn auch immer noch deutlich unter 30 Prozent. Was den Ansprüchen einer großen Volkspartei und eines Friedrich Merz nicht genügt. Umso energischer dürfte er daher in den kommenden - weitgehend wahlkampffreien - Monaten die inhaltliche Erneuerung der CDU vorantreiben. Die Arbeiten am neuen Grundsatzprogramm laufen.
AfD zweistellig, Linke auf dem Weg ins Nichts
Die AfD hat nach drei Landtagswahlen mit Verlusten erstmals wieder hinzugewonnen und kommt sogar auf ein zweistelliges Ergebnis. Das dürfte Wasser auf die Mühlen der Protestbewegung sein, die die rechte Partei in diesem Herbst auf die Beine stellen will. Einen Vorgeschmack gab es am Samstag in Berlin, als mehrere Tausend Menschen vor dem Reichstagsgebäude gegen die Krisenpolitik der Bundesregierung demonstrierten, viele davon mit AfD-Fahnen.
Für die Linke endet ein desaströses Wahljahr mit einem weiteren Desaster. Wie bei den anderen drei Wahlen zuvor bleibt sie deutlich unter der Fünf-Prozent-Marke. Die ohnehin schon existenzielle Krise der Partei dürfte das noch etwas weiter verschärfen.
Quelle: ntv.de, dpa/hvo