Politik

Flüchtlingsdeal könnte platzen EU und Berlin ignorieren türkische Drohung

Das Verhältnis zwischen der Türkei und Deutschland ist derzeit angespannt - der Visastreit sorgt nicht gerade für Entspannung.

Das Verhältnis zwischen der Türkei und Deutschland ist derzeit angespannt - der Visastreit sorgt nicht gerade für Entspannung.

(Foto: imago/Jochen Tack)

Die Türkei fordert Visafreiheit in der EU, sonst platzt der Flüchtlingspakt - so die Drohung des türkischen Außenministers. In Berlin verweist man allerdings auf nötige Reformen in dem Land. Erpressen lassen will sich auch die EU-Kommission nicht.

Die Bundesregierung will über einen konkreten Zeitpunkt für die Visumfreiheit türkischer Bürger in der EU erst dann sprechen, wenn Ankara alle Voraussetzungen erfüllt hat. "Dann kann der nächste Schritt gegangen werden", sagte der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer, in Berlin. Jüngste Äußerungen aus der Türkei über eine mögliche Aufkündigung des Flüchtlingsabkommens mit der EU sehe er aber "nicht als Ultimatum oder als Drohung", sagte er.

SPD-Chef Sigmar Gabriel mahnte: "In keinem Fall darf sich Deutschland oder Europa erpressen lassen." In Rostock sagte er: "Es liegt an der Türkei, ob es Visafreiheit geben kann oder nicht." Mit Blick auf die Entwicklungen in der Türkei mahnte er: "Ein Land, das sich auf den Weg macht, die Todesstrafe wieder einzuführen, entfernt sich so drastisch von Europa, dass natürlich damit auch alle Beitrittsverhandlungen letztlich überflüssig werden."

Der CDU-Europapolitiker Elmar Brok hält die Forderungen der Türkei dagegen für legitim. "Die Türkei hat bislang ihren Teil im Flüchtlingsdeal erfüllt. Jetzt mahnt sie an, dass die EU auch ihren Teil erfüllt. Das ist legitim", sagte Brok der "Huffington Post". Fakt sei aber auch, dass die EU keine Visumfreiheit geben könne, wenn die Türkei gegen Grundrechte verstoße.

"Vorgaben müssen erfüllt werden"

Auch die EU-Kommission will keinerlei Ultimatum akzeptieren. "Wenn die Türkei die Visaliberalisierung haben möchte, müssen die Vorgaben erfüllt werden", sagte eine Sprecherin in Brüssel. Dies habe EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mehrfach ganz klar gemacht.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte der Europäischen Union mit der Aufkündigung des Flüchtlingspakts gedroht, wenn nicht zügig die Visumfreiheit gewährt werde. "Es kann Anfang oder Mitte Oktober sein - aber wir erwarten ein festes Datum", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Wenn es nicht zu einer Visaliberalisierung kommt, werden wir gezwungen sein, vom Rücknahmeabkommen und der Vereinbarung vom 18. März Abstand zu nehmen."

Zu der Frage, ob die Äußerungen in Brüssel ernst genommen werden, wollte sich die Kommissionssprecherin nicht äußern. Sie betonte lediglich, dass die EU zu ihren Zusagen stehe und bereits rund zwei Milliarden Euro für die Versorgung von Flüchtlingen in der Türkei bereitgestellt habe. Experten der EU-Kommission berieten und unterstützten zudem weiter die türkischen Behörden bei der Umsetzung von noch ausstehenden Reformen.

"Nicht auf dem türkischen Basar"

Die EU-Kommission hat die Aufhebung der Visumpflicht bisher nicht zugesagt, weil Ankara nicht alle 72 Bedingungen dafür erfüllt hat, darunter die Reform der türkischen Anti-Terror-Gesetze. Die EU will, dass sie so geändert werden, dass sie nicht gegen Journalisten und politische Gegner missbraucht werden können.

Auch CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer wies die Forderungen Ankaras zurück. "Wir sind bei der Erfüllung der 72 Kriterien für die Visafreiheit nicht auf dem türkischen Basar", sagte er. "Visafreiheit für die Türkei ist in der aktuellen Lage völlig ausgeschlossen." Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen forderte, die Verhandlungen der EU mit der Türkei auf Eis zu legen. "Für die von Ankara geforderte Gewährung der Visafreiheit fehlt jede Grundlage", sagte sie.

Quelle: ntv.de, mli/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen