Bleiberecht für EU-Bürger EU weist Mays Vorschläge zurück
23.06.2017, 17:17 Uhr
EU-Bürger in Großbritannien blicken unsicheren Zeiten entgegen.
(Foto: picture alliance / Federico Gamb)
Die britische Premierministerin äußert erste Vorschläge, wie es für EU-Bürger in Großbritannien nach dem Brexit weitergehen soll. Ihre Ideen stoßen in Brüssel allerdings auf wenig Gegenliebe.
Mit ihren Plänen zu den künftigen Rechten der EU-Bürger in ihrem Land nach dem Brexit hat Premierministerin Theresa May in Brüssel Enttäuschung ausgelöst. EU-Ratspräsident Donald Tusk wies Mays Vorschlag scharf zurück, in EU-Kreisen wurde dieser als das "absolute Minimum" kritisiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, beim Brexit liege "noch ein langer Weg vor uns".
Der von May gemachte Vorschlag drohe, "die Situation von EU-Bürgern zu verschlechtern", sagte Tusk. "Mein erster Eindruck ist, dass das britische Angebot hinter unseren Erwartungen zurückbleibt." Die Rechte der Bürger hätten "für die EU der 27 die oberste Priorität".
Das Schicksal der mehr als drei Millionen EU-Bürger, die nach dem Brexit in Großbritannien leben werden, ist eine der zentralen Fragen der Austrittsverhandlungen. May hatte am Donnerstagabend den EU-Kollegen einen ersten konkreten Vorschlag zu dieser Frage unterbreitet. Demnach können diejenigen EU-Ausländer, die sich vor dem Brexit in Großbritannien niedergelassen haben, nach fünf Jahren im Land ein Bleiberecht beantragen und Ansprüche gegenüber den Kranken- und Rentenkassen geltend machen.
Gabriel: Vorschlag ist "Minimum"
Offen blieb allerdings, welches Datum als Stichtag für die Regelung gelten soll. In der Frage der Gerichtsbarkeit ging May auf Konfrontation zu den EU-Partnern: Anders als von diesen gefordert, soll die britische Justiz und nicht der Europäische Gerichtshof (EuGH) bei strittigen Fragen hinsichtlich der Rechte der EU-Bürger zuständig sein.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, der britische Vorschlag sei ein erster Schritt. "Aber dieser Schritt ist nicht ausreichend." Der belgische Regierungschef Charles Michel kritisierte das Angebot als "ausgesprochen vage". Die EU könne "nicht die Katze im Sack kaufen". Auch Bundesaußenminister Sigmar Gabriel sagte bei einem Besuch in Paris, der britische Vorschlag sei "das Minimum". "Alleine die Tatsache, dass man dort nicht rausgeschmissen wird, halte ich jetzt noch nicht für einen überragenden Durchbruch."
Was denken EU-Bürger in Großbritannien?
Auch bei EU-Bürgern, die in Großbritannien leben, stoßen Mays Vorschläge auf Skepsis. Viele EU-Ausländer vertrauen der Konservativen nicht mehr. Einige Beispiele: "Zunächst klingen die Vorschläge gut, aber im Detail kann so einiges schief gehen", sagt Thorsten Altenkirch, der seit 17 Jahren in Großbritannien lebt. "Außerdem ist noch nicht einmal klar, wie lange May überhaupt noch Premierministerin bleibt", meint der Professor für Informatik an der Universität Nottingham.
Auch Kerstin, die seit mehr als sechs Jahren in Großbritannien für eine große Versicherung arbeitet und nicht ihren vollen Namen nennen möchte, ist vorsichtig. "Ich traue dieser Premierministerin nicht über den Weg und kann mir nicht vorstellen, dass sie eine optimale Lösung für EU-Bürger bietet." Am besten sei es wohl, einen britischen Pass zu beantragen, vor allem wegen der Rentenansprüche. "Das werde ich wahrscheinlich tun - zähneknirschend", sagt die Deutsche.
Tanja Bültmann, Dozentin für Geschichte an der Universität von Northumbria, glaubt: "Auf Basis der momentan bekannten Informationen kann man keine definitive Aussage zu gut oder schlecht treffen." Aber die Wissenschaftlerin aus Newcastle Upon Tyne ist ebenfalls misstrauisch: "Ich gehe davon aus, dass der Vorschlag nicht gut genug sein wird", sagte Bültmann, die unter anderem in Bielefeld studierte.
Sorgen um ihre Zukunft machen sich ebenfalls viele Briten in Deutschland - und haben sich vorsichtshalber einen deutschen Pass besorgt. 2016 gingen bundesweit 2865 britische Einwanderer diesen Weg - ein Anstieg um 361 Prozent.
Quelle: ntv.de, bdk/AFP/dpa