
Zehn Geheimdokumente soll Biden nicht ordnungsgemäß dem Nationalarchiv übergeben haben - bei seinem Vorgänger Trump waren es allein 300.
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In den USA hat sich Präsident Biden über die Jahrzehnte den Ruf aufgebaut, für jedes Fettnäpfchen gut zu sein. Doch dass nun geheime Dokumente in einem alten Büro gefunden wurden, geht weit darüber hinaus. Es ist auch eine Steilvorlage für Trump, der bereits aus allen Rohren feuert.
Nun also auch Joe Biden. Der US-Präsident räumt ein, dass er geheime Dokumente nicht ordnungsgemäß ans Nationalarchiv übergeben hat. Die Papiere aus seiner Zeit als Vizepräsident wurden in einem alten Büro gefunden, das er zwischen 2017 und 2020 nutzte. Dem Sender CBS zufolge waren es zehn Geheimdokumente, die in einem verschlossenen Schrank im Thinktank Penn Biden Center for Diplomacy and Global Engagement gefunden wurden. Biden selbst hatte das Politik-Institut gemeinsam mit der Elite-Uni University of Pennsylvania gegründet.
Unbekannt ist, welcher Geheimhaltungsstufe die gefundenen Dokumente unterliegen. Nach CBS-Informationen betreffen sie keine "Atomgeheimnisse". Entdeckt wurden sie von Bidens eigenen Anwälten, als sie das Büro ausräumten. Die Akten seien sogleich dem Nationalarchiv übergeben worden.
Das ist ein Eigentor für Joe Biden. Denn erstmal stellt sich nun die Frage, ob er damit die nationale Sicherheit der USA in Gefahr gebracht hat. Grundsätzlich lautet die Antwort "ja", denn ein Büro in einem Thinktank ist sicher kein geeigneter Ort für Geheimdokumente. Ob der Schrank nun abgeschlossen war oder nicht. Ob tatsächlich Schaden entstand, bleibt vorerst offen. Man weiß noch nicht, ob jemand die Papiere eingesehen hat. Außerdem ist unklar, welche Themen die Dokumente betreffen.
Brisant ist vor allem die Frage, warum das Weiße Haus erst jetzt mit der Information an die Öffentlichkeit ging. Denn die Papiere wurden schon am 2. November gefunden - genau eine Woche vor den Kongresswahlen. Dabei stand Biden zwar nicht zur Wahl, doch sind solche Wahlen immer auch eine Abstimmung über die bisherige Arbeit des Präsidenten. Bei den Wahlen schnitten Bidens Demokraten überraschend gut ab. Die Nachricht von den Geheimdokumenten wäre wie eine Bombe eingeschlagen und für manche Unentschlossene wohl wahlentscheidend gewesen. Hielt Biden die Info zurück, um genau das zu verhindern? Die Frage muss geklärt werden.
Zu alt, zu senil?
Es stellen sich weitere Fragen - etwa, ob Biden sich strafbar gemacht hat. Denn als Vizepräsident hätte er am Ende seiner Amtszeit alle Dokumente dem Nationalarchiv übergeben müssen. Und wieso konnte er die Papiere überhaupt mit in sein neues Büro nehmen?
Auch wenn es noch keine Hinweise gibt, dass Biden ernsthafte juristische Konsequenzen drohen, ist die Nachricht eine Katastrophe. Zunächst einmal nagt sie an seinem Image als erfahrenem Politiker, dem man vertrauen kann, auch wenn man inhaltlich nicht mit ihm auf einer Linie liegt - und bestärkt alle, die ihn für zu alt oder gar zu senil halten, um das Land zu regieren.
Vor allem aber ist sie eine Steilvorlage für Donald Trump, der Biden bei den nächsten Wahlen 2024 aus dem Weißen Haus jagen will. Denn Trump machte im vergangenen Jahr Schlagzeilen, weil er ebenfalls Geheimdokumente nicht ordnungsgemäß ans Nationalarchiv übergeben hatte. Tiefpunkt der Auseinandersetzung war eine Durchsuchung seines Anwesens Mar-a-Lago in Florida. Kistenweise fanden Ermittler dort im vergangenen August Regierungsdokumente. Seit Monaten wird gegen Trump ermittelt.
Schaut man genau hin, gibt es große Unterschiede zwischen beiden Fällen - was die Größenordnung und was die Kooperationsbereitschaft angeht. So hatte das Nationalarchiv Trump mehrfach aufgefordert, Dokumente zu übergeben. Als er der Aufforderung nachkam, reichte er 150 als geheim eingestufte Akten ein. Der ermittelnde Justizminister, der in den USA auch Generalstaatsanwalt ist, verdächtigte ihn aber daraufhin, weitere Dokumente zurückzuhalten - woraufhin es dann zu besagter Durchsuchung kam. So wurden insgesamt 300 Geheimdokumente gefunden, manche davon sollen Medienberichten zufolge der höchsten Geheimhaltungsstufe unterlegen haben. Außerdem wurden 43 leere Ordner mit der Aufschrift "Geheim" sichergestellt - was Fragen nach dem Verbleib des Inhalts aufwirft. Insgesamt sollen rund 10.000 Regierungsdokumente sichergestellt worden seien. Gegen Trump wird nun ermittelt, weil er bei der Rückgabe nicht ausreichend kooperierte.
Es bleibt etwas hängen
Dagegen wirken Bidens vermutlich zehn Dokumente weitaus weniger brisant. Ebenso musste der Demokrat nicht aufgefordert werden, die Papiere dem Nationalarchiv zu übergeben. Als seine Anwälte sie gefunden hatten, lieferten sie sie dort umgehend ab. Es sieht also eher nach einem Versehen aus - was Biden aber nicht von Fehlverhalten freispricht.
So genau werden Bidens Gegner in den Reihen der Republikaner ganz bewusst nicht hinsehen. Trump teilte mit: "Wann wird das FBI die zahlreichen Häuser Joe Bidens durchsuchen, vielleicht sogar das Weiße Haus?" Die "New York Times" zitiert den republikanischen Abgeordneten James R. Comer: "Wie ironisch. Jetzt erfahren wir, dass Joe Biden Dokumente hatte, die als geheim eingestuft waren. Ich frage mich, ob das Nationalarchiv nun heute Abend eine Razzia des Weißen Hauses veranlasst. Oder des Biden-Centers?" Dass Trumps Anwesen durchsucht wurde, weil er Akten nicht herausgeben wollte, fällt dabei vollkommen unter den Tisch.
Hängen bleiben könnte die Botschaft "Biden ist auch nicht besser" - und das wäre Gift im kommenden Wahlkampf. Der Fall erinnert an die E-Mail-Affäre von Ex-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton. Die Demokratin hatte als Außenministerin dienstliche E-Mails über einen privaten Server verschickt und damit diese Nachrichten der Gefahr von Hackerangriffen ausgesetzt. Kurz vor der Wahl 2016 hatte das FBI deswegen erneut gegen sie Ermittlungen aufgenommen. Clinton ist bis heute überzeugt, dass sie das den Wahlsieg kostete.
Quelle: ntv.de