Kundus fällt an die Taliban Ein symbolträchtiger Ort für die Bundeswehr
08.08.2021, 14:03 Uhr
Im November 2020 verlassen die letzten deutschen Soldaten das afghanische Kundus. Es ist das Ende eines jahrelangen Einsatzes der Bundeswehr - geprägt von vielen Toten und einem NATO-Luftangriff, der in Berlin eine Krise auslöst. Nun ist die Stadt wieder in den Händen der islamistischen Taliban. Ein Rückblick.
Ein Jahrzehnt des Kampfeinsatzes, mehrere Jahre als Ausbilder vor Ort: Nur wenige Monate nach dem endgültigen Abzug der deutschen Bundeswehrsoldaten aus Kundus ist die nordafghanische Provinzhauptstadt wieder in den Händen der Taliban. Erst Ende November hatten die letzten 100 deutschen Soldaten das "Camp Pamir" in der Stadt offiziell verlassen - und damit die jahrelange deutsche Militärpräsenz in Kundus endgültig beendet.
Kundus wurde für die Bundeswehr zu einem symbolträchtigen Ort, der mit vielen toten Soldaten sowie mit dem von einem deutschen Oberst angeordneten verheerenden NATO-Luftangriff im Jahr 2009 verbunden ist. In der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz waren im Rahmen der NATO-Mission "Train, Advise, Assist" (TAA) zuletzt noch Bundeswehrangehörige als Ausbilder für die afghanischen Truppen stationiert.
Zwischen 2003 und 2013 befand sich die Bundeswehr im Rahmen der Internationalen Schutztruppe ISAF in Kundus im Kampfeinsatz. Neben Kundus waren deutsche Truppen in Kabul (seit 2002) sowie in den nördlichen Städten Masar-i-Scharif und Faisabad stationiert. Ziel des Einsatzes war nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 der Sturz der Taliban-Regierung, der vorgeworfen wurde, Terrororganisationen wie Al-Kaida Rückzugsmöglichkeiten geboten zu haben.
Regierungskrise nach Luftangriff auf Tanklaster
In den Fokus rückte Kundus im September 2009, als dort bei einem vom deutschen Oberst Georg Klein veranlassten NATO-Luftangriff Dutzende Zivilisten getötet wurden. Hintergrund war die Kaperung zweier Tanklaster durch Taliban-Kämpfer nahe dem deutschen Feldlager. Klein befürchtete, dass die Tanklaster als rollende Bomben gegen das Feldlager eingesetzt werden könnten. Auf Anforderung der Bundeswehr griffen US-Kampfflugzeuge die Tanklaster an. In deren Umkreis hielten sich jedoch zahlreiche Zivilisten auf. Wie viele Menschen bei dem Bombardement genau getötet wurden, ist bis heute ungeklärt. Offiziell ist von 91 Toten und elf Verletzten die Rede; unabhängige Zählungen gehen von 142 Toten aus.
Der Luftangriff führte zu einer Regierungskrise in Berlin. CDU-Politiker Franz Josef Jung, der zum Zeitpunkt des Angriffes Verteidigungsminister war, trat Ende 2009 von seinem neuen Amt als Arbeitsminister zurück. Ihm wurde die Vertuschung brisanter Informationen vorgeworfen.
2010 kam es am Karfreitag in Kundus zu heftigen Gefechten zwischen Bundeswehr und Taliban, bei denen drei deutsche Soldaten getötet wurden. Drei Jahre später wurde das deutsche Feldlager an die afghanischen Streitkräfte übergeben, die rund 900 dort stationierten Bundeswehrsoldaten zogen ab. Erst 2018 kehrten deutsche Soldaten als Ausbilder nach Kundus zurück und blieben bis November 2020. Die letzten in Afghanistan stationierten Bundeswehrsoldaten verließen das Land am Hindukusch im Juni im Zuge des Abzugs aller NATO-Truppen. Insgesamt starben in Afghanistan 59 deutsche Soldaten.
Quelle: ntv.de, mbe/AFP