"Mit gutem Deckmantel" Russe wollte Weltstrafgericht infiltrieren
17.06.2022, 12:12 Uhr
Im Stadtteil Scheveningen von Den Haag ist seit April 2016 der Sitz des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH).
(Foto: picture alliance / Jürgen Schwenkenbecher)
Was genau hat sich in Butscha zugetragen? Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag ermittelt in dieser Frage gegen Moskau. Dabei entdecken niederländische Behörden Ungereimtheiten bei einem Praktikantenanwärter im Gericht. Sie entlarven ihn als russischen Geheimdienstoffizier.
Der russische Geheimdienst hat nach Angaben niederländischer Behörden versucht, einen Agenten beim Internationalen Strafgerichtshof einzuschleusen. Ein russischer Offizier des militärischen Informationsdienstes GRU hatte mit einem gefälschten brasilianischen Pass beim Weltstrafgericht eine Praktikumsstelle bekommen, wie der niederländische Geheimdienst AIVD in Den Haag mitteilte. Der 36 Jahre alte Russe war vom AIVD aber entlarvt und noch am Amsterdamer Flughafen Schiphol festgenommen worden.
Das Weltstrafgericht ermittelt zur Zeit zu möglichen Kriegsverbrechen Russlands in der Ukraine und in Georgien. Nach Einschätzung des AIVD hätte der Russe beim Internationalen Strafgerichtshof großen Schaden anrichten können. "Die Bedrohung, die von dem Geheimdienstoffizier ausging, war potenziell sehr hoch." Der Mann "nutzte einen gut durchdachten Deckmantel", teilte der AIVD mit, "wobei er alle Verbindungen mit Russland und besonders zum GRU verhüllte."
Er sei zur "unerwünschten Person" erklärt und mit der nächsten Maschine nach Brasilien zurückgeschickt worden. Die Festnahme war durch eine Zusammenarbeit verschiedener internationaler Dienste ermöglicht worden. Der Vorfall ereignete sich den Angaben zufolge bereits im April, wurde aber jetzt erst bekannt gegeben. Weitere Einzelheiten wurden nicht mitgeteilt.
Der Chefankläger des Weltstrafgerichts, Karim Khan, hatte im Mai 42 Ermittler in die Ukraine entsandt. Bereits Ende Februar, kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine, hatte Khan Ermittlungen wegen möglicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angekündigt. Im April hatte der Chefankläger die ukrainische Stadt Butscha besucht, wo nach dem Abzug russischer Truppen die Leichen zahlreicher Zivilisten entdeckt worden waren. Damals bezeichnete er die gesamte Ukraine als möglichen "Tatort".
Quelle: ntv.de, ysc/dpa/AFP