Herausforderer muss in Haft Erdogan bestreitet Einfluss auf Urteil gegen Gegner
17.12.2022, 19:33 Uhr
2020 schüttelten sich Erdogan und Istanbuls Bürgermeister Imamoglu noch die Hand.
(Foto: picture alliance / AA)
80 Prozent Inflation setzen den türkischen Präsidenten unter Druck. Für die anstehende Wahl zeichnet sich Istanbuls Bürgermeister als chancenreicher Konkurrent ab - bis er zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird. Den Vorwurf der Einflussnahme weist Erdogan zurück.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat Vorwürfe zurückgewiesen, seine Regierung habe Einfluss auf ein Urteil gegen einen aussichtsreichen Herausforderer genommen. Die Justiz sei unabhängig, sagte Erdogan in seiner ersten Stellungnahme zur Verurteilung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu zu einem Politikverbot und einer Haftstrafe. Das Gericht werde die "notwendigen Vorkehrungen" treffen, sollten "irgendwelche Fehler" gemacht worden sein, fügte Erdogan hinzu.
Die türkische Justiz ist weitgehend unter Kontrolle der Regierung, und die Gewaltenteilung ist seit der Einführung des Präsidialsystems quasi aufgehoben. Ekrem Imamoglu ist Politiker der landesweit stärksten Oppositionspartei CHP und war bisher chancenreicher Kandidat für die Präsidentenwahl im kommenden Jahr. Der 52-Jährige war am Mittwoch wegen Beamtenbeleidigung mit einem Politikverbot belegt und zu einer Haft von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt worden.
Erst wenn das Urteil rechtskräftig ist, muss Imamoglu sein Amt als Bürgermeister aufgeben. Vorher muss es noch durch zwei Instanzen. Dass die Entscheidung widerrufen wird, gilt als unwahrscheinlich. Das Urteil war unter anderem vom Auswärtigen Amt in Berlin, den USA und der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kritisiert worden. Imamoglu hatte das politisch einflussreiche Amt des Istanbuler Bürgermeisters 2019 gewonnen und Erdogan und dessen islamisch-konservativer Partei AKP damit eine herbe Niederlage zugefügt.
Angesichts von mehr als 80 Prozent Inflation steht Erdogan erheblich unter Druck. Er ist seit fast 20 Jahren an der Macht. Die sechs Oppositionsparteien, darunter die Mitte-Links Partei CHP, haben sich mit der Absicht zusammengeschlossen, Erdogan abzulösen. Einen Präsidentschaftskandidaten hat das Bündnis noch nicht bekannt gegeben. Erdogan forderte die Oppositionsparteien nun auf, ihren Kandidaten zu benennen.
Quelle: ntv.de, chl/dpa