Bluff von Putin? Erdogan glaubt nicht an Ende des Getreide-Deals
17.07.2023, 16:20 Uhr Artikel anhören
Am späten Abend läuft das Getreideabkommen zwischen der Ukraine und Russland aus.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Der Kreml stoppt das Getreideabkommen mit der Ukraine - am späten Abend endet damit der Export ukrainischer Agrarprodukte, auf die viele Länder angewiesen sind. Der türkische Präsident geht jedoch nicht davon aus, dass die Entscheidung aus Moskau endgültig ist.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan geht von einer Verlängerung des Abkommens zur Verschiffung von ukrainischem Getreide aus. "Ich denke, dass der russische Präsident (Wladimir) Putin trotz der heutigen Mitteilung für eine Fortsetzung dieser humanitären Brücke ist", sagte Erdogan vor Journalisten. Er kündigte Gespräche mit Putin an. Eine Verlängerung des Abkommens könne noch vor dem für August geplanten Besuch des russischen Präsidenten in der Türkei möglich sein, sagte Erdogan weiter. Verhandlungen diesbezüglich seien bereits im Gange.
Die Bundesregierung appellierte derweil "weiterhin an Russland (...), eine weitere Verlängerung des Getreideabkommens möglich zu machen und diese Auseinandersetzung nicht auf dem Rücken der Ärmsten dieses Planeten auszutragen", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann. Auch setze die Bundesregierung darauf, dass es künftig nicht nur Einigungen mit kurzen Fristen gebe, sondern langfristige Exportmöglichkeiten für Getreide und Düngemittel aus der Ukraine.
Russland hatte zuvor das Abkommen zur Verschiffung von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer gestoppt. Man werde zur Erfüllung der Vereinbarung zurückkehren, sobald alle russischen Forderungen für den Export des eigenen Getreides erfüllt seien, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge. Die Vereinbarung mit Russland und der Ukraine hatte nach mehreren Verlängerungen offiziell bis zum späten Montagabend (23.00 Uhr MESZ) gegolten. Moskau hatte bereits seit mehreren Wochen damit gedroht, das Abkommen auslaufen zu lassen.
Schulze fordert mehr Unabhängigkeit
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir forderte Putin zur Rückkehr an den Verhandlungstisch auf. "Es muss ein Ende haben, dass Hunger als Waffe eingesetzt wird", erklärte der Grünen-Politiker in einer Mitteilung. "Putin nimmt die Ärmsten der Armen auf dieser Welt in Geiselhaft für seine grauenhafte Kriegstreiberei."
Für Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze ist die Entscheidung des Kremls ein weiteres Zeichen dafür, dass die EU unabhängiger von Russland werden müsse. "Für die Zukunft gilt: Wo Russland Weizen als Waffe einsetzen kann, wird es das tun. Die Lehre aus dieser Ungewissheit ist, dass man sich unabhängiger machen muss von Putins Willkür", sagte die SPD-Politikerin laut Mitteilung.
Jürgen Hardt, der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, verurteilte den Stopp des Abkommens durch Moskau als "erneuten Beweis des kriminellen und verbrecherischen Charakters Putins". Die Blockade des Getreideexports habe keinerlei Einfluss auf den unmittelbaren Kriegsverlauf. "Es geht Putin nur darum, Elend und Vernichtung zu verbreiten."
Quelle: ntv.de, spl/dpa/AFP