Schweden soll Kurden ausliefern Erdogan hält die NATO weiter hin
28.11.2022, 20:06 Uhr
Bedingungen an Schweden und Finnland: Der türkische Präsident Erdogan strapaziert die Geduld der NATO.
(Foto: picture alliance / TT NYHETSBYRÅN)
Die Türkei reizt ihre Blockade beim NATO-Beitritt von Finnland und Schweden noch weiter aus. Vor einem Treffen der Außenminister mahnt die Regierung "konkrete Schritte" an. Derweil plant die Opposition in Ankara eine Macht-Beschränkung für Präsident Erdogan.
Wegen des von Schweden und Finnland angestrebten NATO-Beitritts will der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu die Außenminister der beiden Länder am morgigen Dienstag treffen. "Der Prozess verläuft positiv" - dennoch gebe es noch weitere Schritte zu unternehmen, sagte Cavusoglu nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. Die trilaterale Zusammenkunft solle am Rande des Treffens der NATO-Außenminister in Bukarest stattfinden. Auch sei dort ein Treffen Cavusoglus mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock geplant, hieß es.
Es gebe noch Erwartungen hinsichtlich "konkreter" Schritte, etwa bei "gesetzlichen Regelungen" und "Auslieferungen", sagte Cavusoglu. Probleme gebe es vor allem mit Schweden, sagte er. Stockholm hatte sich zuletzt jedoch deutlich auf Ankara zubewegt. Zu den Forderungen Ankaras gehört vor allem die Auslieferung angeblicher "Terroristen". 28 von 30 Mitgliedsstaaten des Verteidigungsbündnisses haben dem Beitritt der nordeuropäischen Staaten zugestimmt, nur in Ungarn und der Türkei steht die Ratifizierung der Beitrittsprotokolle noch aus.
Angriffe auf syrische Stellungen der Kurden
Ankara weigert sich bislang, den Weg für die Aufnahme freizumachen und begründet dies mit der angeblichen schwedischen und finnischen Unterstützung der syrischen Kurdenmiliz YPG, die Ankara als Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit als "Terrororganisation" ansieht. Die EU, zu der Schweden und Finnland gehören, betrachtet die PKK ebenfalls als Terrororganisation - nicht jedoch die YPG.
Seit mehr als einer Woche geht die Türkei mit dem Einsatz "Klauenschwert" gegen kurdische Kräfte in Syrien und im Irak vor. Ankara erklärte vor acht Tagen, Luftangriffe auf halbautonome Gebiete im Norden und Nordosten Syriens sowie im irakischen Grenzgebiet geflogen zu haben. Zudem drohte die Türkei mit einer Bodenoffensive in den syrischen Gebieten.
Türkisches Oppositionsbündnis will Präsidialsystem abschaffen
In Ankara stellte derweil ein Bündnis aus sechs türkischen Oppositionsparteien im Vorfeld der für 2023 geplanten Wahlen einen Plan für Verfassungsänderungen vor. Dem Entwurf zufolge soll das Parlament und das Rechtssystem gestärkt und die Befugnisse des Präsidenten deutlich eingeschränkt werden, teilten Politiker des Bündnisses mit. 2017 wurde per Volksabstimmung das parlamentarische System durch ein Präsidialsystem ersetzt, was dem Präsidenten Recep Tayyip Erdogan deutlich mehr Macht zuschrieb. Erdogan kann seither weitgehend uneingeschränkt regieren. Zudem steht die Justiz in vielen Teilen unter Kontrolle der Regierung, wie etwa die EU-Kommission attestiert.
In der Türkei finden 2023 voraussichtlich Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. Die sechs türkischen Oppositionsparteien haben sich mit der Absicht zusammengeschlossen, Erdogan und seine AKP-Regierung abzulösen. Beobachter gehen bisher davon aus, dass die Parteien einen gemeinsamen Kandidaten für die Wahlen aufstellen. Das Bündnis setzt sich unter anderem aus der größten Oppositionspartei CHP, der nationalkonservativen Iyi-Partei und der Deva-Partei zusammen. Türkei-Kenner hatten Erdogans Konfrontationskurs mit der NATO auch als einen Versuch interpretiert, sich den Wählern innenpolitisch als starker Mann zu präsentieren.
Quelle: ntv.de, mau/dpa