
Trump, vergangenge Woche auf seinem Golfplatz in New Jersey.
(Foto: IMAGO/Icon Sportswire)
In der kommenden Nacht wird es spannend in den USA, auch wenn Ex-Präsident Trump versucht, genau diesen Eindruck zu verhindern. Seine Gegner im Kampf um die Kandidatur treffen sich zur ersten TV-Debatte. Trump verzichtet auf eine Teilnahme - das könnte sich rächen.
Im Vorwahlkampf der US-Republikaner sieht es derartig gut für Ex-Präsident Donald Trump aus, dass er sich zurücklehnen kann. Genau das tut er an diesem Abend (3 Uhr MESZ), wenn sich seine acht Kontrahenten um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner zur ersten TV-Debatte versammeln. Er hofft wohl darauf, dabei zuschauen zu können, wie diese sich selbst zerlegen. Er selbst wird nicht mit dabei sein, hat eine Teilnahme abgesagt. Stattdessen soll ein Interview mit ihm ausgestrahlt werden und so die Aufmerksamkeit auf ihn lenken. Das könnte funktionieren. Es könnte aber auch daneben gehen.
Immerhin, die Ausgangslage erscheint bestens für den 77-Jährigen. Er liegt klar in Führung - insbesondere auch laut einer neuen Umfrage aus Iowa, die von Experten als "Goldstandard" der Umfragen bezeichnet wird. Das ist wichtig, weil der ländlich geprägte Bundesstaat im Mittleren Westen stets derjenige ist, in dem die erste Vorwahl stattfindet. Ein Sieg dort wäre ein guter Start, der Rückenwind für den Rest des Wahlmarathons in 49 Bundesstaaten gäbe. Trumps Gegner sind dort jedenfalls längst auf Wahlkampftour und werben um Stimmen.
In der erwähnten Erhebung der Meinungsforscherin J. Ann Selzer aus Iowas Hauptstadt Des Moines kommt Trump auf 42 Prozent Zustimmung. Die Werte der Verfolger wirken dagegen erbärmlich. Ron DeSantis, der Gouverneur von Florida, kommt als Zweiter nur auf 19 Prozent. Es folgen der Senator Tim Scott mit 9, Ex-UN-Botschafterin Nikki Haley und Ex-Vizepräsident Mike Pence mit je 6 vor den weiteren Kandidaten, die bislang nicht über einen "Ferner liefen"-Status hinauskommen. Das Nachrichtenportal "Politico" bezeichnete diese Umfrage als "kalte Dusche" für Trumps Herausforderer.
Nachvollziehbare Entscheidung, dennoch riskant
Insofern wirkt Trumps Entscheidung, der TV-Debatte fernzubleiben, nachvollziehbar. Er hat dort nichts zu gewinnen - er liegt ja bereits klar in Führung -, aber viel zu verlieren. Denn wenn beispielsweise der rhetorisch gewiefte Chris Christie ihn verbal in die Mangel nähme, droht Trump schlecht auszusehen. Außerdem würde er wie ein Kandidat von vielen wirken - tatsächlich dürfte es ihm besser gefallen, über den Dingen zu schweben. Dass er nicht nur nicht an der Debatte teilnimmt, sondern überdies ein Interview mit dem früheren rechtsradikalen Fox-News-Kommentator Tucker Carlson senden will, ist ein Tiefschlag gegen die anderen Kandidaten.
Doch er könnte sich irren, wenn er glaubt, so tatsächlich seinen Gegnern das Rampenlicht zu nehmen. Zwar sehen alle Umfragen Trump klar in Führung. Sie zeigen aber auch, dass es ein großes Interesse an einer Alternative gibt. Für sich genommen sind die anderen Kandidaten Leichtgewichte, aber gemeinsam bringen sie ebenso viel Umfragegewicht auf die Waage wie der ehemalige Präsident.
Darauf deutet eine weitere neue Umfrage hin, ebenfalls aus Iowa. Deren Werte sind für Trump alarmierend. Darin sagten zwar 41 Prozent, Trump solle die Republikaner weiter anführen. Doch 31 Prozent meinen demnach, die Partei brauche jemand Neues mit einem anderen Stil an der Spitze. 26 Prozent erklärten, Trump sei ein guter Präsident gewesen, aber es sei Zeit, jemand anderes "in Betracht zu ziehen". Macht zusammen 57 Prozent, die zumindest offen für eine Trump-Alternative sind.
Bisher konnte sich Trump darauf verlassen, dass die aussichtsreicheren Kandidaten wie DeSantis und Scott oder auch der aufstrebende Vivek Ramaswamy ihn allenfalls indirekt kritisieren. Sie versuchen sich eher mit dem Versprechen von ihm abzuheben, mehr von den inhaltlichen Zielen erreichen zu können. Der Afroamerikaner Scott wirbt hingegen mit einer klassischen Aufsteigerbiografie für sich, wie sie Republikaner lieben; für ihn muss man Amerika nicht wieder "great" machen, es war es und ist es noch immer. Diese Strategie hat den Konkurrenten bislang nur bedingt geholfen. Es ist durchaus möglich, dass sie nun das Offensichtliche versuchen, um die Führung zu übernehmen: Den Führenden, also Trump, zu attackieren.
Trump könnte als feige dastehen
Kandidaten wie Ex-Vizepräsident Mike Pence und Chris Christie, der ehemalige Gouverneur von New Jersey, werden das ohnehin tun. Trump läuft also Gefahr, dass viel über ihn geredet wird, ohne dass er reagieren kann. Christie wird ihn als Feigling darstellen, so wie er es bereits jetzt tut. Solche Szenen werden sich nicht einfach versenden, sondern als Ausschnitte in allen Nachrichtensendungen laufen und dann als Videoschnipsel auf Facebook und anderswo geteilt werden.
Ob das auch bei Trumps Interview der Fall sein wird, ist dagegen fraglich. Der Ex-Präsident wiederholt in seinen Auftritten stets die gleiche Litanei von Wahlbetrugsvorwürfen, Eigenlob und Versprechungen für seine Wähler. Neues wird er kaum erzählen. Der ihm treu ergebene Fragensteller Carlson wird ihn wohl auch nicht mit kritischem Nachhaken ärgern. Die TV-Debatte der Republikaner verspricht dagegen, interessant zu werden und ist für alle Unentschlossenen ein "Must see". Genau diese könnten Trump dessen Fehlen als Arroganz auslegen und sich bestärkt darin fühlen, ihre Stimme jemand anderem zu geben.
So könnte es sich rächen, wenn Trump sich nun zurücklehnt und auf seinem Vorsprung ausruht. Gewählt wird in Iowa erst am 15. Januar des kommenden Jahres, also in knapp fünf Monaten. In dieser Zeit wird Trump weiterhin auf allen Kanälen zu sehen sein - in Berichten über die Gerichtsverfahren, die gegen ihn laufen. Für diesen Donnerstag hat er angekündigt, sich den Behörden in Georgia zu stellen. Das gibt auch manchem Republikaner zu denken. Seine Basis glaubt Trump zwar die Behauptung, er solle mundtot gemacht werden. Doch könnte bei allen anderen der Wunsch wachsen, mit jemand anders, jemand ohne all diesen Ballast, in den Wahlkampf gegen die Demokraten und Biden zu ziehen.
Quelle: ntv.de