"Sahra entscheidet alles" BSW-Mitglieder klagen gegen Aufnahmepraxis der Partei
05.12.2024, 11:57 Uhr Artikel anhören
Sahra Wagenknecht nimmt offenbar deutlichen Einfluss auf die Landesverbände ihrer Partei.
(Foto: picture alliance/dpa)
Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist noch jung und feiert dennoch bereits Erfolge - bei Landtagswahlen und Mitgliederanträgen. Bei Letzteren entscheidet am Ende aber der Bundesvorstand, beklagen zwei Hamburger BSW-Mitglieder. Gegen diesen übergroßen Einfluss klagen sie nun.
Zwei Mitglieder des Bündnis Sahra Wagenknecht aus Hamburg klagen gegen die Parteisatzung vor einem Zivilgericht. Dejan Lazić und Norbert Weber halten die Aufnahmepraxis, die in der Satzung des BSW fixiert ist, für rechtswidrig. "Sahra entscheidet alles", sagten Lazić und Weber t-online. "Das dürfte rechtswidrig sein", so Lazić, der Jurist ist. Eine Partei müsse "von unten nach oben" aufgebaut werden, nicht "top-down", also andersherum.
In Paragraf 4, Absatz 4 der Parteisatzung heißt es wörtlich: "Über die Aufnahme entscheidet grundsätzlich der Bundesvorstand." Schon bei seiner eigenen Aufnahme sei ihm das Verfahren komisch vorgekommen, sagte Lazić weiter: "Es erinnerte mich an eine Sekte". Auch Wohnsitzwechsel müssen (Absatz 1) "unverzüglich dem Bundesvorstand" angezeigt werden.
"Die Stimmung in der Partei wird schlechter", sagte Lazić. Und das sei nicht erst seit der Aufnahme von 20 Mitgliedern in Thüringen vor wenigen Tagen so. Die wurden demnach als Gegengewicht zu der Landesvorsitzenden Katja Wolf und dem Spitzenkandidaten Steffen Schütz in einem Eilverfahren installiert. Im Laufe der Sondierungsgespräche in Thüringen zwischen CDU, SPD und BSW wurde durch Wagenknecht mehrfach Kritik am Landesverband laut.
Wagenknecht macht Druck auf Landesverband
Wagenknecht und andere BSW-Bundespolitiker hatten ausgehandelte Formulierungen zu friedenspolitischen Fragen kritisiert. In einem Beschluss forderte der Bundesvorstand die Thüringer seinerzeit auf, außenpolitische Positionen in Koalitionsverhandlungen zu konkretisieren - oder in die Opposition zu gehen. Der Landesverband erklärte daraufhin, er nehme "die Beurteilung des BSW-Bundesvorstandes hinsichtlich der Ergebnisse, die in den Sondierungsgesprächen erreicht wurden, sehr ernst".
"Dies zeigt, dass der zentrale Zugriff des Bundesvorstands auf die Mitgliedsaufnahme nicht nur eine theoretische, sondern eine reale Bedrohung für die demokratische Selbstverwaltung der Landesverbände darstellt", sagte Lazić. In Sachsen etwa ließ der BSW-Landesverband Anfang November die Sondierungen mit CDU und SPD platzen. Ministerpräsident Michael Kretschmer warf der Wagenknecht-Partei daraufhin vor, dass die Entscheidung darüber "in Berlin gefallen" sei, also durch den Bundesvorstand.
Rechtsprofessor sieht Klärungsbedarf
Der Düsseldorfer Rechtswissenschaftler Martin Morlok hat sich die kritisierte Satzung genauer angeschaut. Er sagte t-online, dass das BSW das "Prinzip einer Kaderpartei" verfolge. "Das ist mit der innerparteilichen Demokratie nicht vereinbar", so der emeritierte Professor für Öffentliches Recht. Landesverbände müssten wesentliche Entscheidungen treffen können, dazu gehöre auch die Aufnahme von Mitgliedern. Eine "gerichtliche Klärung wäre notwendig", sagte Professor Morlok.
Dejan Lazić und Norbert Weber haben nun am vergangenen Mittwoch den BSW-Bezirksverband Hamburg-Mitte/Nord gegründet. Dort wollen sie jetzt stetig weitere Mitglieder in die Partei aufnehmen. Das Ganze allerdings, ohne vorher den Bundesvorstand zu konsultieren. Die Partei hat bislang nicht auf eine Anfrage reagiert.
Quelle: ntv.de, als