Forderung im Fall Nemzow Europarat soll sich einschalten
03.03.2015, 11:52 Uhr
Nemzows Mutter und andere Verwandte trauern am Sarg des Toten.
(Foto: dpa)
Wer steckt hinter dem Mord am Kreml-Gegner Nemzow? Die ehemalige Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger glaubt nicht, dass Moskau allein die Verantwortlichen ermittelt. Sie fordert einen Sonderberichterstatter des Europarats.
Im Fall des ermordeten russischen Oppositionellen Boris Nemzow hat die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die Einsetzung eines Sonderberichterstatters des Europarats gefordert, um Russland bei der Aufklärung der Tat zu unterstützen. "Dass hier ein Misstrauen berechtigt ist, zeigen die Untersuchungen in den vergangenen Jahren", sagte die FDP-Politikerin im RBB mit Blick auf frühere Morde an Oppositionellen in Russland. "Da sind nie wirklich die Verantwortlichen ermittelt worden."
Es sei gut, wenn sich eine unabhängige Organisation wie der Europarat einen eigenen Eindruck von den Ermittlungen zum Mord an dem Kreml-Kritiker mache, sagte die FDP-Politikerin. Es könne der russischen Regierung nur Recht sein, wenn sie bei der Aufklärung Unterstützung erhalte. Ihrer Ansicht nach sollte mit dem Mord ein profilierter Kritiker von Russlands Präsident Wladimir Putin beseitigt werden. "Er hat sich sehr für die Maidan-Bewegung eingesetzt in der Ukraine - das haben ihm natürlich viele auch übel genommen", sagte Leutheusser-Schnarrenberger.
Seit der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim im vergangenen Frühjahr sei in Russland die "nationale Stimmung" geschürt worden, weshalb Oppositionelle "deutlich an Zuspruch" verloren hätten, sagte die frühere Ministerin.
Auch der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler, sprach von einer schwierigen Lage in Russland, die der Mordfall veranschauliche. Nemzows Ermordung habe dazu geführt, "dass jetzt auch mal der Blick darauf gelenkt wird, wie hasserfüllt und gespannt die Atmosphäre in Russland ist". Er nannte seinen Moskau-Besuch an diesem Dienstag ein Zeichen der Unterstützung für die russische Opposition. Er nehme an der Trauerfeier für den ermordeten Oppositionellen Boris Nemzow teil, "um ein Zeichen zu setzen, dass wir glauben, dass es ein anderes Russland gibt", sagte Erler im ZDF. Es gehe ihm darum, "die Ziele von Boris Nemzow zu unterstützen".
Scharfe Kritik übte Erler daran, dass Russland dem polnischen Senatspräsidenten Bogdan Borusewicz die Einreise zu der Trauerfeier verwehrt habe. Dieses Verhalten sei "eine Kleinlichkeit, die man kaum nachvollziehen kann", sagte Erler. Mit dem Einreiseverbot reagierte Moskau auf die von der Europäischen Union im Zuge des Ukraine-Konflikts verhängten Einreisesanktionen gegen die Präsidentin des russischen Föderationsrates, Valentina Matwienko.
Ukrainischer Freiheitsorden für Nemzow
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko würdigte den ermordeten russischen Oppositionellen Boris Nemzow mit dem Freiheitsorden, der höchsten Auszeichnung seines Landes. "Für uns Ukrainer wird Boris für immer ein Patriot Russlands und Freund der Ukraine bleiben. Er zeigte mit seinem Leben, dass man das vereinen kann, man muss lediglich wollen", sagte Poroschenko. "Für unsere und eure Freiheit", sei Nemzows Lebensdevise gewesen.
Nemzow war am späten Freitagabend auf offener Straße in Sichtweite des Kreml erschossen worden. An diesem Dienstag findet die Beisetzung des 55-jährigen früheren Vize-Ministerpräsident statt.Unter einem extremen Polizeiaufgebot nahmen bereits Tausende Menschen in Moskau Abschied von ihm. Mit roten Rosen in den Händen kamen am Dienstagvormittag Freunde und Weggefährten zum offenen Sarg des 55-jährigen Oppositionellen, der in den Räumen des Sacharow-Zentrums aufgebahrt war. Ein Blumenmeer umgab den Sarg bereits kurz nach der Öffnung des Menschenrechtszentrums.
Vor dem Gebäude warteten die Trauernden stundenlang bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und leichtem Schneefall. Die Menschenschlange zog sich Hunderte Meter die Straße entlang. Viele Trauernde waren in Tränen aufgelöst. Mehreren Politikern aus EU-Staaten, die von Nemzow Abschied nehmen wollten, wurde die Einreise nach Russland verweigert. Von der russischen Regierung erwies unter anderem Vizeregierungschef Arkadi Dworkowitsch dem früheren stellvertretenden Ministerpräsidenten Nemzow an dessen Sarg die Ehre.
Quelle: ntv.de, ghö/AFP/dpa