"Vertrauen auf Tiefpunkt" Forsa-Chef: Mit Pistorius als Kandidat stünde SPD vor AfD
27.11.2024, 07:51 Uhr Artikel anhören
"Die SPD bräuchte ein Wunder, doch die gibt es in der Politik selten", so Forsa-Chef Manfred Güllner.
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Scholz wird Kanzlerkandidat, Pistorius nicht. Bleibt die Frage: Was wäre, wenn? Laut dem Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa stünde die SPD mit Pistorius aktuell deutlich besser da. Damit könnte die Schwäche der Kandidaten letztlich der AfD in die Karten spielen, so Forsa-Chef Güllner.
Bei einer Entscheidung für Boris Pistorius als Kanzlerkandidaten hätte die SPD nach Einschätzung von Forsa-Gründer Manfred Güllner in der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts deutlich zulegen und die AfD als zweitstärkste Kraft überholen können. "Mit 21 Prozent wäre die SPD zwar nicht stärkste, aber immerhin zweitstärkste Partei", sagte der Meinungsforscher der "Augsburger Allgemeinen". "Insofern dürfte es aus rein wahlarithmetischer Sicht ein Fehler sein, Pistorius nicht als Kanzlerkandidaten aufzustellen." Mit Pistorius als Kanzlerkandidat würde die Partei laut aktuellem RTL/ntv-Trendbarometer sechs Prozentpunkte mehr erhalten als mit Scholz. In der jüngsten Forsa-Umfrage kommen die Sozialdemokraten nur noch auf 15 Prozent.
Die Umfragen zeichneten ein klares Bild, sagte Güllner der Zeitung. "Nach drei Jahren Regierung in der Ampelkoalition befinden sich die SPD und das Vertrauen zu Kanzler Olaf Scholz auf einem absoluten Tiefpunkt." Es erscheine unwahrscheinlich, dass dieses Vertrauen in den wenigen Wochen bis zur Wahl zurückgewonnen werden könne. "Die SPD bräuchte dafür ein Wunder, doch die gibt es in der Politik selten." Wie Scholz habe aber auch CDU-Spitzenkandidat Friedrich Merz Probleme, die Wähler zu mobilisieren. Beide Kandidaten seien "keine echten Zugpferde", die Begeisterung auslösen könnten. "Wenn man den Unmut über die Ampel bedenkt, müsste die CDU eigentlich weit über 35 Prozent liegen, doch Merz kommt dafür einfach zu schlecht in der Bevölkerung an", sagte der Forsa-Gründer. Der Mangel an überzeugenden Alternativen könne am Ende die AfD stärken.
Forsa-Chef: FDP hat Mittelstand enttäuscht
Auch Grüne und FDP gehen laut Güllner mit großen Zustimmungsproblemen in den Wahlkampf. "Viele Wähler dürften es für eine Zumutung halten, dass alle Ampelparteien mit den gleichen Spitzenleuten antreten." Für die FDP sei die Lage prekär: Sie habe vor allem den Mittelstand enttäuscht, der auf konkrete Entlastungen bei Steuern, Abgaben und vor allem Bürokratie gehofft habe. "Hier hat die FDP ihr Klientel regelrecht verbittert", sagte der Meinungsforscher. Auch die Grünen, die einst auf dem Weg zur Volkspartei schienen, seien auf ihre Kernwählerschaft zurückgefallen. "Die Spitzenkandidaten Lindner und Habeck stehen wie Scholz für die Fehler der Ampel – und das nehmen die Wähler sehr wohl wahr."
Auch in der eigenen Partei rechnet man sich für Scholz' Kanzlerkandidatur keine großen Chancen aus. Nur 14 Prozent der SPD-Mitglieder glauben an einen Sieg ihrer Partei bei der vorgezogenen Wahl. Das ergibt sich aus einer Forsa-Umfrage für das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Forsa befragte am 21. und 22. November 1030 Mitglieder - 453 am 21. November vor der Absage von Verteidigungsminister Boris Pistorius an eine SPD-Kanzlerkandidatur und seiner Empfehlung für Olaf Scholz und 577 Mitglieder danach.
Dem Institut zufolge war nur knapp die Hälfte der SPD-Mitglieder (49 Prozent) unmittelbar vor Pistorius' Rückzug in der K-Frage der Meinung, dass Scholz wieder antreten soll. 41 Prozent gaben an, Pistorius wäre ihnen lieber. Nach seinem Verzicht hielten 58 Prozent der Genossinnen und Genossen Scholz' Kandidatur für richtig. Insgesamt glauben aber zugleich 64 Prozent der SPD-Mitglieder, dass die Partei mit Pistorius die größeren Chancen als mit Scholz gehabt hätte, bei der Neuwahl des Bundestags ein gutes Ergebnis zu erzielen.
Quelle: ntv.de, toh/rts