Heikle Amerika-Reise Gabriel setzt auf Klartext und Symbole
20.05.2017, 18:37 Uhr
Dass Außenminister Sigmar Gabriel mit Bundeswehrsoldaten vor dem Weißen Haus steht, ist nur dem Zufall geschuldet.
Beim ersten Besuch ging es ums "Abtasten". Nun ist Außenminister Gabriel das zweite Mal in Washington und diesmal ist alles anders. Selbstbewusst stellt der Außenminister klar, was er von den USA erwartet. Anderseits schickt er der US-Regierung subtile Botschaften.
Der Trupp aus Sondhofen steht da wie bestellt. Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel hat soeben den amerikanischen Sicherheitsberater Herbert Raymond "H. R." McMaster im Weißen Haus besucht, als er auf die Soldaten trifft. "Was machen sie denn hier", fragt der Minister und erfährt, dass die Männer in Flecktarn auf Fortbildung sind. Zehn Tage alles zum Thema ABC-Waffen. "Interessant", sagt Gabriel. Er habe es beim Bund nur bis Munster geschafft. Aber jetzt stehen sie gemeinsam vor dem Weißen Haus! Das muss festgehalten werden, und alle posieren für ein denkwürdiges Gruppenphoto. Ein deutscher Minister, ein Dutzend deutscher Soldaten, dahinter, friedlich in der Sonne, scheinbar ungeschützt das Machtzentrum Amerikas. "Nicht, dass die Amerikaner jetzt nervös werden", sagt Gabriel. Der Befehl zum Angriff unterbleibt.
Sigmar Gabriel ist das zweite Mal in Washington. Im Februar war er der erste deutsche Minister, der nach der Wahl Donald Trumps zum Antrittsbesuch vorbeischaute. "Abtasten", nannte das Gabriel. Man besprach eher Grundsätzliches, guckte, wo vielleicht Gemeinsamkeiten wären. Die Erwartungshaltung war erkennbar niedrig. Trump hatte es geschafft, mit freigiebigen Äußerungen zu Themen wie EU, NATO und Brexit die deutsche Seite nachhaltig zu irritieren.

Gabriel - hier mit seinem US-Amtskollegen Tillerson - hofft auf mehr Unterstützung durch die USA.
(Foto: imago/photothek)
Diesmal ist vieles anders. Die schlimmsten Befürchtungen haben sich nicht eingestellt. Gabriel trifft auf seinen Amtskollegen Rex Tillerson, auf Finanzminister Steven Mnuchin und schließlich auf den nationalen Sicherheitsberater. Alle drei gelten als gemäßigt, als berechenbar, als Macher. Damit unterscheiden sie sich ein gutes Stück von ihrem Chef, der, Geheimdienstaffäre hin, Sonderermittler her, kein Thema ist. Die Amerikaner tun einfach so, als ob nichts wäre, und Gabriel denkt sich, dass er das besser auch so praktiziert. Was soll er auch sagen? "Ihr habt vielleicht ein Chaos hier!" Sagt er aber nicht.
Trump wirkt passiv
Er sagt stattdessen gezielt das, was den Deutschen wichtig erscheint. Die Ukraine etwa. Hier wünscht sich Berlin ein etwas größeres Interesse der Amerikaner. Obama hatte Frankreich und Deutschland bei ihren diplomatischen Bemühungen mit der Ukraine und Russland ("Normandie-Format") stets unterstützt. Trump hingegen wirkt seltsam passiv, als ginge ihn das alles nichts an. Dabei weiß jeder: Ohne die USA wird es keinen echten Waffenstillstand geben.
Möglicherweise ist die Passivität der Amerikaner kein Zufall. Die mit Abstand größte Militärmacht der Welt fordert die übrigen NATO-Partner auf, mehr für ihre Verteidigung zu tun. Und sich mehr um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Es geht um die berühmten zwei Prozent des Bruttosozialproduktes, die für das Militär ausgegeben werden sollen. Auf dem Gipfel von Wales wurde diese Marke vor Jahren zum Ziel auserkoren. Gabriel macht deutlich, dass er es gar nicht erreichen will. "Dass der Verteidigungsetat erhöht werden muss, ist unumstritten." Aber die gewünschten zwei Prozent, die einer Verdoppelung der Ausgaben gleich kämen, seien "mit der SPD nicht zu machen."
Amerikaner sind unverzichtbar
Gabriel wirkt in solchen Momenten sehr entschlossen gegenüber Washington. Ebenso selbstbewusst äußert er sich in Richtung Ankara. Sollte es Bundestagsabgeordneten nach wie vor nicht gestattet werden, den Stützpunkt in Incirlik zu besuchen, dann würden die Soldaten abgezogen. Und am besten vom NATO-Standort Konya auch. "Es spricht vieles dafür, dass das zusammenhängt", sagt Gabriel. Das Problem ist nur, dass Berlin die Eskalation im Prinzip gerne vermeiden möchte. Schließlich ist man mit der Türkei, Stichwort Flüchtlingsdeal, auf vielfache Weise miteinander verbunden. Insgeheim hofft die Bundesregierung deshalb auf Unterstützung und sanften Druck - hauptsächlich aus Washington.
Man wäre gerne bei den Gesprächen dabei, wenn Gabriel zwischen "bitte" und "nein, danke" variiert. Wie schafft er die diplomatisch geschickteste Überbrückung? Jedenfalls wird deutlich, dass die Deutschen oft schwer genervt sind von den Amerikanern, diese aber, wird es ernst, als unverzichtbar gelten.
Wie unverzichtbar sie sind, haben sie in der Vergangenheit mehrfach bewiesen. Etwa vor 70 Jahren, als der Marshall-Plan verkündet wurde. Aus diesem Anlass haben das Center for Strategic and International Studies und der German Marshall Fund zu Vortrag und Podiumsdiskussion eingeladen. Gabriel nutzt die Chance, sich als guter Deutscher, Europäer und Transatlantiker zu präsentieren. Allerdings, so sagt er, halte auch die Gegenwart Herausforderungen parat. Was er damit sagen will: Früher engagierten sich die Amerikaner sehr stark in Europa. Jetzt schielten sie eher über den Pazifik. Und guckten leider zu oft auf sich selbst.
Gabriels subtile Kritik
Kritik verpackt Gabriel gern in Symbolik. Ausgerechnet in diesen Tagen besucht er die Redaktion der Washington Post. Der republikanische Senator John McCain, ein ausgewiesener Trump-Kritiker, hatte bereits an den Watergate-Skandal erinnert. Diese Affäre, maßgeblich aufgedeckt von der legendären Hauptstadt-Zeitung, zwang US-Präsident Nixon letztlich zum Rücktritt.
Dass die deutsche Seite nichts gegen einen Rücktritt Trumps einzuwenden hätte, bleibt bloße Spekulation. Dass mit einem neuen Präsidenten Pence alles besser würde, glaubt aber niemand.
Südlich der US-mexikanischen Grenze besitzen viele das Gefühl, dass alles nur besser werden könne. Der angekündigte Bau der Mauer: Für die Regierung in Mexico City eine Provokation. Die Infragestellung des Handelsabkommens NAFTA: Für Mexiko ein Spiel mit der wirtschaftlichen Existenz. Aber Gabriel wäre nicht Gabriel, wenn er nicht Hilfe anböte. Deutschland stehe parat, sagt der ehemalige Wirtschaftsminister. Man könne den gemeinsamen Handel jederzeit gern ausbauen.
Auch hier zeigt sich: Gabriel hält viele subtile Botschaften bereit. Die Regierung in Washington wird sie verstehen.
Quelle: ntv.de