Politik

Aktuelle Stunde zu Störaktion Gauland sagt "Pardon" - und stichelt

Nachdem mehrere Gäste von AfD-Abgeordneten in den Fluren des Bundestags ihr Unwesen getrieben haben, wird die Störaktion nun zum Thema im Plenum. In einer hitzigen Debatte machen die Parlamentarier der anderen Parteien deutlich, was sie davon halten. AfD-Fraktionschef Gauland spricht von "Heuchelei".

Nach der Belästigung von Abgeordneten durch Besucher im Bundestag haben die Abgeordneten der anderen Parteien die AfD scharf attackiert. Bei einer Aktuellen Stunde warf der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer, der AfD eine "Schleuser-Tätigkeit" vor. Man sei es gewohnt, dass die AfD parlamentarische Abläufe beeinträchtige. Das Ansehen des Hauses werde von der AfD-Fraktion "in den Dreck gezogen". Es gehe darum, mit provokanten Videos um Aufmerksamkeit vor allem in den sozialen Medien zu betteln. Dabei verweigerten sich die Abgeordneten der parlamentarischen Arbeit und glänzten mit körperlicher sowie geistiger Abwesenheit in den Parlamentsausschüssen.

Während der Bundestagsdebatte waren am Mittwoch, als im Plenum über den Schutz der Bevölkerung in der Corona-Pandemie gesprochen wurde, auf den Fluren des Reichstagsgebäudes Abgeordnete von Besuchern belästigt, gefilmt und beleidigt worden. Betroffen waren unter anderem Wirtschaftsminister Peter Altmaier, der frühere SPD-Chef Martin Schulz und FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle. In einem Sicherheitsbericht der Bundestagspolizei war die Rede von insgesamt vier Besuchern von den drei AfD-Abgeordneten Hemmelgarn, Bystron und Hansjörg Müller.

Bei der Störaktion vom Mittwoch handele es sich um einen "Angriff auf das freie Mandat und die parlamentarische Demokratie", so Grosse-Brömer. "Da hört der Spaß nun wirklich auf." Das sei der Tiefpunkt einer dauerhaften Strategie der AfD im Bundestag und erinnere an Methoden aus der Weimarer Zeit. Doch im Gegensatz zu damals sei die Demokratie heutzutage standhaft. "Sie erreichen nicht das, was sie wollen", so der Unions-Abgeordnete. Und weiter: "Sie haben sich entlarvt."

Gauland vermisst "Fairplay"

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland nannte den Stör-Vorfall "unzivilisiert". So etwas gehöre sich nicht. Unter den Zwischenrufen anderer Parlamentarier sagte er, dass er dafür um Entschuldigung bitte. "Pardon", sagte er. "Hier ist etwas aus dem Ruder gelaufen." Die AfD-Abgeordneten hätten das verhindern und die Besucher beaufsichtigen müssen. Da die Störenfriede allerdings der obligatorischen Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden seien, hätte man nach Ansicht Gaulands nicht damit rechnen können, dass so etwas passiere. Die Gäste würden nun nicht ein weiteres Mal eingeladen, zumal sie sich auch Zugang zu einem AfD-Abgeordnetenbüro verschafft hatten.

Er vermisse allerdings "Fairplay" und eine "Gleichheit der Maßstäbe", so Gauland. Bei anderen Störaktionen, die durch Besucher von Abgeordneten anderer Parteien verursacht wurden, habe es keinen derartigen Aufschrei gegeben. Das sei "heuchlerisch". Als Beispiel nannte er eine Aktion der Klimaaktivisten von Extinction Rebellion und von Greenpeace.

Nach den aktuellen Störaktionen auf den Fluren des Bundestages sollen sich zwei Abgeordnete der AfD nun entschuldigen. Die AfD-Fraktion fasste in einer Sondersitzung einen entsprechenden Beschluss, hieß es von Teilnehmern. Es werde ein Entschuldigungsschreiben an Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble verfasst, das von den Abgeordneten Petr Bystron und Udo Hemmelgarn unterzeichnet werde. Die Gäste, die sich auffällig verhalten hätten, dürften künftig nicht mehr an Veranstaltungen der Fraktion im Bundestag teilnehmen.

"Das ist keine Kleinigkeit"

Die SPD-Bundestagsfraktion verurteilte derweil die Störungen am Rande der Debatte über das Infektionsschutzgesetz und warnte vor einer Eskalation. "Das führt dazu, dass wir eine Verrohung der Sitten haben und dem müssen wir Einhalt gebieten", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, im Deutschlandfunk. "Irgendwann sind es nicht mehr Worte, sondern dann ist es auch Gewalt." Und das dürfe es nicht geben.

Aus Sicht des SPD-Politikers trägt die Partei nicht genügend zur Aufklärung bei. "Nach außen hin versucht Herr Gauland ein Möchtegern-bürgerliches Gesicht aufzusetzen, im Hintergrund sitzt die extreme Rechte, die mit Neonazis kooperiert. Und das wird von ihm geduldet und akzeptiert." Das sei Teil der Strategie der AfD. "Und die ist Destruktion und dass es diesem Land schlecht geht und dann geht es der AfD gut."

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sagte im "Frühstart" von ntv: "Grundsätzlich gilt, dass man sich als Volksvertreterin und Volksvertreter jeder Diskussion stellen muss und auch viel aushalten muss. Aber hier ist eine Grenze überschritten worden." Es sei hier offensichtlich der Versuch unternommen worden, ein frei gewähltes Parlament und seine Abgeordneten zu "belagern und belästigen", so Heil. Weiter sagte der SPD-Politiker: "Das ist keine Kleinigkeit, weil es eigentlich ein Angriff auf unsere parlamentarische Arbeit ist." Es zeige sich auch, dass es nicht nur "um die Krawallmacher vor dem Reichstag" gehe, sondern auch um die AfD-Fraktion, die versuche "unsere Demokratie und unseren Deutschen Bundestag lächerlich zu machen." Weiter: "Das wird sich diese Demokratie, die wehrhaft ist, nicht bieten lassen."

"Glauben Sie ja nicht, dass wir uns das gefallen lassen"

Alexander Gauland hält die Aufregung für "heuchlerisch".

Alexander Gauland hält die Aufregung für "heuchlerisch".

(Foto: imago images/Political-Moments)

Dass die AfD das Infektionsschutzgesetz als "Ermächtigungsgesetz" bezeichnet und damit mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933 gleichgesetzt habe, sei eine "bodenlose Unverschämtheit", sagte Petra Pau bei der Aktuellen Stunde im Bundestag. Wer so etwas sage, "der verharmlost den Faschismus und verhöhnt seine Opfer", so die Linken-Abgeordnete, die auch Bundestagsvizepräsidentin ist. "Die demokratische Gesellschaft muss unser Land vor der AfD schützen."

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Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, warf der AfD vor: "Sie wollen die Institutionen in den Schmutz ziehen, weil Sie sie hassen." Die "Unruhestifter" vom Mittwoch hätten "ein Klima der Bedrängung und Bedrohung" erzeugen wollen. Auch er zeigte sich überzeugt, dass die AfD vorab wusste, was die Störer vorhatten. "Glauben Sie ja nicht, dass wir uns das gefallen lassen", rief Buschmann den AfD-Abgeordneten zu. Er kündigte an, die übrigen Fraktionen würden dazu "alle bestehenden rechtlichen Instrumente nutzen". Wenn das nicht reiche, "werden wir sie erweitern".

Auch die Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Britta Haßelmann wies Gaulands Darstellungen zurück. "Die Abgeordneten der AfD wussten ganz genau, wen sie einladen, und sie wussten, was deren Absicht ist", sagte Haßelmann. "Diese Personen waren nicht zum ersten Mal eingeladen."

Quelle: ntv.de, fzö/dpa/AFP

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