Verbot verletzt "Freiheitsrechte" Gericht erlaubt Burkini am Strand
09.09.2016, 15:41 Uhr
Anders als in Frankreich sind Frauen in langer Badekleidung an israelischen Stränden ein gewohntes Bild - wie hier in Tel Aviv.
(Foto: AP)
Mehrere Gerichte in Frankreich beschäftigen sich aktuell mit Burkini-Verboten am Strand und der Frage: Sind sie angemessen? Das Verwaltungsgericht in Lille sagt nein. Der betroffene Badeort kündigt dennoch einen neuen Anlauf für ein Verbot an.
Das Verwaltungsgericht im nordfranzösischen Lille hat das umstrittene Burkini-Verbot im Badeort Le Touquet aufgehoben. Das Verbot verletze "grundlegende Freiheitsrechte", heißt es in dem Urteil, das die Nachrichtenagentur AFP einsehen konnte. Die Liga für Menschenrechte hatte dagegen geklagt. Deren Anwältin Marie-Hélène Calonne begrüßte das Urteil als "logisch und schlüssig".
Der von den Konservativen regierte Badeort teilte mit, er nehme das Urteil zur Kenntnis, bereite aber für Montag ein neues Verbot des muslimischen Ganzkörperbadeanzugs vor. Dieses soll die Gerichtsentscheidung berücksichtigen.
In einem Grundsatzurteil hatte Frankreichs Oberstes Verwaltungsgericht Ende August das umstrittene Burkini-Verbot für unrechtmäßig erklärt. Der Staatsrat in Paris befasste sich konkret mit dem Badeort Villeneuve-Loubet, der zwischen Nizza und Cannes liegt. Das Verbot stelle eine "schwere und offensichtlich illegale Verletzung der grundlegenden Freiheitsrechte dar", hieß es in der Urteilsbegründung.
Als Grundsatzentscheidung ist dieses Urteil für alle Verwaltungsgerichte des Landes bindend. Das bedeutet allerdings nicht, dass alle anderen Burkini-Verbote automatisch aufgehoben sind - Kläger können sich lediglich darauf beziehen, wenn sie dagegen vorgehen.
Konservative und Front National contra Sozialisten
Der Grundsatzentscheidung widersprechend hatte das Verwaltungsgericht der korsischen Stadt Bastia am Dienstag einen Eilantrag einer Menschenrechtsorganisation gegen das Burkini-Verbot der Gemeinde Sisco abgelehnt. Auch das Verwaltungsgericht von Nizza hatte das Verbot in Villeneuve-Loubet in erster Instanz für rechtmäßig erklärt. Es sei "notwendig, angemessen und verhältnismäßig", entschieden die Richter.
Die Burkini-Verbote in mehreren Orten hatten für hitzige Diskussionen in Frankreich gesorgt. Mehrere Bürgermeister erklärten unmittelbar nach dem Urteil des Obersten Verwaltungsgerichts, daran festhalten zu wollen. Konservative Politiker wie Ex-Präsident Nicolas Sarkozy und auch der rechtsextreme Front National (FN) forderten, ein gesetzliches Verbot gegebenenfalls durch eine Verfassungsänderung zu ermöglichen.
Die französische Regierung sieht ein Burkini-Verbot dagegen kritisch. Innenminister Bernard Cazeneuve warnte in einem Interview vor einem "verfassungswidrigen und ineffizienten" Gesetz, das zu "irreparablen Spannungen" führen würde. Präsident François Hollande sprach sich am Donnerstag in einer Rede zum Thema "Demokratie in Zeiten des Terrorismus" ebenfalls gegen ein Verbot des muslimischen Ganzkörperbadeanzugs aus.
Quelle: ntv.de, chr/AFP